Mehr Leistung für Quantencomputer: Unternehmen stellt Multi-Core-Chip vor

Das US-Unternehmen IonQ hat einen Chip mit vier „Quantencomputer-Kernen“ vorgestellt, die miteinander gekoppelt werden können.

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(Bild: IonQ)

Lesezeit: 3 Min.

Quantencomputer rechnen mit so genannten Qubits, das sind überlagerte Quantenzustände. Die eigentliche „Quanten-Hardware“, deren Zustände zum Rechnen verwendet werden, kann ganz verschiede Formen annehmen: Bei den Quantenrechnern von Google und IBM sind das beispielsweise supraleitende Schleifen.

Andere Unternehmen – wie beispielsweise IonQ – setzen auf die Anregungszustände von Ionen, die in elektrischen Fallen festgehalten werden. Das US-Unternehmen hat nun einen Chip vorgestellt, in dem vier Ketten aus je 16 Ionen gefangen sind, die durch elektrische Felder zusammen und auseinander gefahren werden können. Die Ketten mit den Qubits können so quantenmechanisch miteinander interagieren – laut IonQ ist das eine "rekonfigurierbare Multicore-Quantenarchitektur“.

In einer Ionenfalle rotieren elektrische Felder, die auf diese Weise die Ionen – elektrisch geladene Atome – im Hochvakuum festhalten. Um die Wärmebewegung der Ionen zu bremsen, werden sie so lange mit Lasern bestrahlt, bis sie fast völlig in Ruhe gekommen sind. Dann hängen die Ionen wie eine Kette geladener Luftballons im Raum. Durch Anregung der Ionen mit einem weiteren Laser gelangen Elektronen in höher angeregte Zustände. Die bilden zusammen mit den Grundzuständen die Qubits für die Quantenrechner. Um mehrere Qubits dazu zu bringen, miteinander zu interagieren, versetzen die Forscher die Ionen wiederum mit Lasern in kollektive Schwingungen. Ausgelesen werden die Quantenzustände dann durch künstlich angeregte Fluoreszenz.

Der große Vorteil der Ionenfallentechnik ist, dass die so erzeugten Qubits recht robust sind – ihre Dekohärenzzeit kann Minuten betragen. Der Nachteil ist, dass sie langsamer reagieren als supraleitende oder photonische Qubits und es technisch schwierig ist, eine große Menge Ionen in einer einzigen Falle zu kontrollieren.

Eine Reihe von Forschungsgruppen hat deshalb bereits kleine Ionenfallen hergestellt, in denen die Ionen durch zusätzliche elektrische Felder kontrolliert positioniert werden. Auf diese Weise können Ionen, die in verschiedenen Fallen gefangen sind, dazu gebracht werden, miteinander zu interagieren. Bisherige Fallen wurden jedoch auf der Basis von Siliziumchips hergestellt – und elektrische Felder, die durch die Ladungskonzentratioen im Silizium-Chip entstehen, können die empfindlichen Quantenzustände der Ionen stören.

IonQ verwendet deshalb nun Fallen aus Quarzglas, in die metallische Strukturen eingearbeitet wurden. Der nächste große Sprung wird durch die photonischen Verbindungen kommen, die IonQ entwickelt, um Qubits auf einem Chip mit denen auf einem anderen zu verbinden.

Wie leistungsfähig die neue Architektur ist, müssen nun konkrete Anwendungen zeigen. Sicher ist im Moment nur, dass IonQ nicht das einzige Unternehmen ist, das rapide Fortschritte bei Ionenfallen-Quantencomputing vermeldet: So hatte Honeywell im April einen Silizium-Chip vorgestellt, auf dem einzelne Qubits „geshuttelt“ und über Quantengatter miteinander verknüpft werden können.

Infineon arbeitet gemeinsam mit der Universität Innsbruck ebenfalls an einer ganz ähnlichen Architektur, während ein paar Laborgebäude weiter im Rahmen des EU-Forschungsprojektes AQTION ein kompakter Ionenfallen-Rechner gebaut wurde, der in ein Standard-Serverrack passt. (wst)