Analyse: Russische Trolle suggerieren Putin-Begeisterung in westlichen Medien

Eine Forschungsgruppe in Wales hat eine Kampagne von Troll-Kommentaren auf Nachrichtenseiten gefunden, die als Basis für Meldungen in Russland dienen.

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(Bild: Lord Beard/Negro Elkha/Shutterstock.com/heise online)

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Russische Accounts haben gezielt Hunderte Meldungen auf Dutzenden Nachrichtenseiten in Großbritannien, den USA, Frankreich, Deutschland, Italien und anderswo kommentiert, woraufhin russischsprachige Medien genau diese Kommentare als Grundlage für ihre Berichterstattung verwendet haben. Das hat eine Forschungsgruppe der Universität Cardiff herausgefunden, die diese Kampagne demnach erst durch die übergreifende Analyse entdeckt habe. Für sich genommen, seien die einzelnen Kommentare nicht verdächtig genug. Die Forscher und Forscherinnen fordern von den Medien mehr Transparenz über ihren Kampf gegen Desinformation.

Wie das Team nun erläutert, wurden Spuren der Kampagne unter anderem in den Kommentarspalten von Der Spiegel und Die Welt gefunden, aber auch bei der Washington Post, Fox News, Le Figaro, La Stampa und The Times. Insgesamt habe man 242 Meldungen mit Bezügen zu Russland gefunden, unter denen "provokative pro-russische oder anti-westliche Statements" gepostet worden seien, die dann die Grundlage für Berichte in Russland gewesen seien. Dort habe es dann etwa geheißen "Spiegelleser denken ..." oder "Leser der Daily Mail meinen ...", um zu suggerieren, dass es im Westen "große Unterstützung für Russland oder Russlands Präsidenten Putin" gebe. Diese Texte seien auch in Zentral- und Osteuropa verbreitet worden, allen voran in Bulgarien.

Auf die Kampagnen gestoßen sind die Forscher und Forscherinnen mittels verschiedener Datenanalysetechniken, schreiben sie noch. Für sich genommen, hätten die Kommentare wohl nicht genug Verdacht erweckt, aber in ihrer Gesamtheit seien Merkwürdigkeiten aufgefallen. So habe ein einziger Account seit Juni 2020 69 Mal seine Ortsangabe und sogar 549 Mal seinen Namen geändert. Auf Plattformen, auf denen Kommentare bewertet werden dürfen, würden die Beiträge der russischen Accounts im Vergleich zu anderen ungewöhnlich einseitig hochgewertet. Außerdem gebe es Indizien auf eine Koordinierung zwischen staatlichen russischen Medien und der privaten Patriot Media Group.

Die betroffenen Nachrichtenseiten seien besonders anfällig für solche Arten von Meinungsmache, heißt es noch. Sie hätten keine Sicherheitsmaßnahmen, um solche Kampagnen zu unterbinden und den Trollen würde es etwa besonders leicht gemacht, zwischen Accounts zu wechseln. Insgesamt scheine die Operation mindestens seit 2018 zu laufen. Die eingesetzten Taktiken machten es quasi unmöglich, die Verantwortung für die Kampagne auf Basis öffentlich verfügbarer Daten zuzuordnen. Medien müssten deswegen transparenter mit ihren eigenen Maßnahmen umgehen. Der britische Außenminister Dominic Raab vermutet trotzdem genau diese staatliche Unterstützung: "Dieser Bericht betont die Bedrohung unserer Demokratie durch vom russischen Staat unterstützte Fehlinformationen im Internet."

(mho)