Zahlen, bitte! 3,75 Megabyte Speicher auf der ersten Festplatte der Welt

Am 14. September 1956 wurde mit der IBM 350 die erste Festplatte der Welt veröffentlicht. Sie war Bestandteil des RAMAC-Computers.

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Inhaltsverzeichnis

Die Wiege der Magnet-Festplatte liegt in den Laboren von International Business Machines (IBM). IBM 350 war groß wie ein Kleiderschrank und wog inklusive Kühlsystem fast eine Tonne. Und die 50 Magnetscheiben darin waren gerade so in der Lage umgerechnet 3,75 Megabyte zu speichern.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Die Entwicklung des IBM 305 RAMAC (Random Access Method Of Accounting And Control) begann 1952 im vom Computer-Konzern neu gegründeten Storage Development Laboratory. Ziel war es, über einen Computer eine schnelle Echtzeit-Datenverarbeitung zu ermöglichen, die effektiver war als die umständliche und fehleranfällige Bedienung nur via Lochkarten. Es mussten immer mehr Daten verarbeitet werden und die Hollerith-Lochkarten stießen dabei an ihre Grenzen. Getestet wurden für die Speicherverwaltung verschiedene Arten von Bändern, magnetische Trommeln sowie Scheiben.

Eine IBM 350 Disk Storage Einheit wird 1957 am Airport Schiphol, Amsterdam aus einer DC-7-Maschine abgeladen. Bei einem Gewicht von bis fast einer Tonne war das Verladen eine aufwendige Angelegenheit.

(Bild: IBM Archives)

Magnetbänder kamen am Ende nicht zum Zuge, weil es viel zu langwierig war, von einer Position zu einer anderen zu spulen. Magnetische, rotierende Trommeln wiederum nahmen zu viel Platz ein, boten zu wenig Speicher und waren damit zu ineffektiv und teuer. Die Ingenieure erkannten, dass rotierende Scheiben, die von einem Schreib/Lesekopf bearbeitet werden, das beste und effektivste System darstellten.

Das daraus entwickelte IBM 350 Disc Storage hatte die Abmessungen von zwei Kühlschränken. 172 Zentimeter × 152 Zentimeter × 74 Zentimeter ergab ein ordentliches Gerät, welches aufgrund seines Gewichts von fast einer Tonne auch meist nur via Flugzeug transportiert werden konnte.
Die Festplatte bestand aus 50 übereinandergestapelten, mit Eisenoxyd beschichteten Scheiben, die einen Durchmesser von 24 Zoll, beziehungsweise 61 Zentimeter aufwiesen und im Abstand von 0,72 Zentimetern aufeinandergestapelt waren.

Ähnlich wie in einer Musikbox wurde die Scheibe die grade bearbeitet wurde von beiden Armen angesteuert und über die Zwischenräume bearbeitet. Dabei erreichten die Scheiben eine Rotation von bis zu 1200 Umdrehungen pro Minute. Die Speicherkapazität wurde in 50.000 Blöcken zu je 100 alphanumerischen Zeichen eingeteilt, die Zugriffszeit betrug 600 Millisekunden.

Eine Speicherscheibe des Systems. Durchmesser: 61 Zentimeter. Zum Vergleich: Eine Langspielplatte hatte einen Durchmesser von 30,48 Zentimeter, eine CD 12 Zentimeter.

(Bild: IBM )

Die Festplatte konnte dabei theoretisch die Daten von insgesamt 62.500 IBM-Lochkarten aufnehmen. Bei 80 Byte Kapazität pro Karte wären das genau 5 Megabyte gewesen. Da man allerdings das Paritätsbit, sowie das Spacebit abziehen musste, blieben beim 6-Bit-System effektiv 3,75 Megabyte.

Am 14. September 1956, also auf den Tag genau vor 65 Jahren wurde das System vorgestellt. Neben den bis zu zwei Festplattenschränken bot RAMAC noch ein Lochkartenleser, einen Drucker, sowie einen Trommelspeicher von 32 Einheiten zu je 100 alphanumerischen Zeichen in einer Rotation von 6000 Umdrehungen pro Minute. Somit war das System sehr, sehr laut und wurde in der Regel nur mit Gehörschutz bedient – Dagegen wirkt selbst eine PS4, deren Lüfter mit Hitzeproblemen zu kämpfen hat, wie der Bestandteil eines Ruheraums.

Und das System brauchte eine gute Energieversorgung: Die Festplatte benötigte gut 2,5 Kilowatt. Die Systeme konnten nicht gekauft, sondern nur gemietet werden. Und das war nicht ganz billig: 3200 US-Dollar mussten es im Monat sein.

Größter Konkurrent des RAMAC war UNIVAC – der erste kommerzielle Computer der Welt des Konkurrenten Remington-Rand. Er verfügte über Magnettrommeln, die über ein effektives Lese-Schreib-Verfahren verfügten und den Rechner schneller machten als den RAMAC. Der Nachteil war der Speicherplatz: Selbst mit voller Ausstattung von 10 Trommeln bot der UNIVAC nur etwa ein Drittel des Speicherplatzes gegenüber der ersten Festplatte. Das war auch der Grund, warum die Magnettrommeln nach einem Jahrzehnt wieder vom Markt verschwanden.

IBM 350 Disk Storage als Teil des IBM 305 RAMAC.

(Bild: IBM)

Es gab bis 1959 einige Weiterentwicklungen (Model 2 - 14), bis der RAMAC und damit auch die Produktion der ersten Festplatte 1961 nach über 1000 Einheiten beendet, durch den IBM 1401 ersetzt, und 1969 komplett vom Markt genommen wurde. Einsatzgebiete waren neben Behörden, dem Militär auch die Olympischen Spiele 1960, in denen ein RAMAC für die Datenverarbeitung zum Einsatz kam. Außerdem gibt es Berichte darüber, dass der Computer 1960 im Rahmen einer Vorführung auf der Mailänder Messe einen professionellen Schachspieler schlug.

Die Speicherkapazität des Systems hätte man damals schon höher setzen können. Aber das Marketing war sich unsicher, ob man das den Leuten vermitteln konnte, und so orientierte man sich auf 5.000.000 Zeichen. Somit war das Unterschätzen von Speicherbedarf bereits ein Attribut der ersten Festplatte.

Mit den Heimcomputern wie PCs, Macs, Amiga und Atari hielten die anfangs sündhaft teuren Festplatten auch Einzug in die Privatwohnung. Und beispielsweise berichtete Wolfgang Back, Moderator-Urgestein des WDR-Computerclubs in der langen Computernacht davon, dass ein Kollege von Köln nach Augsburg fuhr und für einen Apple-Computer eine 5 Megabyte-Festplatte zum Preis von 15.000 D-Mark kaufte. Er und die anderen Kollegen fragten sich damals, „wie er die jemals voll bekommen will“.

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Und das Gleiche wird sich auch der Amiga-User anfangs gedacht haben, als für den Amiga 500 1989 die Amiga 590 Festplatte mit unglaublichen 20 Megabyte erschien (Monkey Island 2 mit seinen 11 Disketten erschien erst drei Jahre später). Immerhin war an dem Stecksystem noch ein SCSI-Controller dabei.

Insbesondere die speicherhungrigen PC-Games der 1990er sorgten für ein Wettrüsten an Festplattenspeicher. Später kamen noch MP3s, Filme und Fotos dazu. Heutzutage werden die guten alten Magnetscheiben von Solid State Disks (SSD) und Cloud-Onlinespeicher zumindest im privaten Bereich teilweise in Rente geschickt – nach 65 Jahren auch kein Wunder.

(mawi)