Interstellar Probe: Wo liegen die Grenzen des Sonnensystems?

Die Raumsonde Interstellar Probe könnte die Grenzen des Sonnensystems ausloten. Doch das Startfenster für Sonde würde sich nicht vor 2030 öffnen.

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(Bild: Johns Hopkins APL)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Wo die Grenze zwischen Erdatmosphäre und Weltraum verläuft, lässt sich nicht ein für allemal auf den Meter genau bestimmen. Je nach Sonnenaktivität und atmosphärischer Dynamik liegt sie mal etwas höher, mal etwas niedriger. Ähnliches gilt für den Übergang zum interstellaren Raum: Die Größe der Heliosphäre, die durch die von der Sonne ausgesandten Teilchen gebildet wird, schwankt. Wie diese Grenzregion des Sonnensystems beschaffen ist, könnte eine Raumsonde erkunden, über die jetzt auf einer Fachkonferenz diskutiert wird.

Der Start der Interstellar Probe könnte zwischen 2030 und 2042 erfolgen, erklärt Silvan Hunziker (ETH Zürich) in einer Videopräsentation für den online abgehaltenen Europlanet Science Congress (EPSC). Dieser Zeitraum ergebe sich aus der Notwendigkeit eines Schwerkraftmanövers beim Jupiter, mit dem die Sonde Schwung holt, um auf eine Geschwindigkeit von sieben bis acht Astronomischen Einheiten pro Jahr zu kommen. Eine Astronomische Einheit (AE) entspricht dem mittleren Abstand von Erde und Sonne, also ungefähr 150 Millionen Kilometern. Da der Jupiter etwa zwölf Jahre für eine Sonnenumkreisung braucht, hängt der genaue Starttermin daher davon ab, wohin genau die Sonde fliegen soll.

Generell wird eine Flugbahn bevorzugt, die in die gleiche Richtung zielt, in die sich die Sonne auf ihrer Bahn um das galaktische Zentrum relativ zum lokalen interstellaren Medium mit etwa 26 km/s bewegt. Hierfür wäre ein Starttermin im Jahr 2039 optimal. Modellrechnungen hätten gezeigt, so Hunziker, dass auf so einem Kurs die besten Aussichten bestünden, interstellare Staubpartikel zu detektieren, für die sich sein Forschungsteam vorrangig interessiert. Dabei geht es insbesondere um sehr kleine Teilchen in der Größenordnung von 0,1 Mikrometern. Die Interstellar Probe soll helfen, die Frage zu klären, ob dieser Staub an der Grenze der Heliosphäre herausgefiltert wird.

Ein etwas späterer Starttermin im Jahr 2040 würde allerdings auf dem Weg zu dieser etwa 120 AE entfernten Region den Vorbeiflug an dem Zwergplaneten Quaoar ermöglichen, der die Sonne in etwa 43 AE Entfernung umkreist. Pontus C. Brandt (Johns Hopkins University), wissenschaftlicher Leiter des Projekts, betont, dass die Sonde während ihrer auf mindestens 50 Jahre veranschlagten Lebensdauer nicht nur die Heliosphäre erforschen, sondern auch anderen Disziplinen wie eben der Planetenkunde Daten liefern soll.

Zwei Isotopengeneratoren (RTGs) sollen nach 50 Jahren immer noch mehr als 300 Watt Energie liefern, um die verschiedenen Instrumente zu betreiben und die gesammelten Daten an die Erde zu übermitteln. Dabei soll die Datenrate auch aus einer Entfernung von 1000 AE noch 500 Bits pro Sekunde betragen. Mit einer Geschwindigkeit von mehr als 7,5 AE pro Jahr sei die Interstellar Probe mehr als doppelt so schnell wie Voyager 1, die mit 3,59 AE pro Jahr die bislang schnellste Sonde ist, die das Sonnensystem verlassen hat. Die Interstellar Probe könne daher innerhalb von 16 Jahren die Grenze der Heliosphäre erreichen und in den interstellaren Raum vordringen.

Bei einer Gesamtmasse der Sonde von 850 bis 950 kg sind ungefähr 80 kg für wissenschaftliche Instrumente vorgesehen. An erster Stelle nennt Alice Cocoros (Johns Hopkins University) da ein Magnetometer, das allein bereits helfen könne, "viele Fragen zur Heliosphäre, zum sehr nahen interstellaren Medium und den Interaktionen zwischen beiden zu beantworten". Daneben zählen Ionen-Detektoren in verschiedenen Energiebereichen sowie ein Massenspektrometer zur Kernausstattung.

Eine erweiterte Ausrüstung der Sonde könnte auch abbildende Spektrometer enthalten, die etwa beim Vorbeiflug an Quaoar oder anderen Objekten des Kuiper-Gürtels zum Einsatz kommen könnten. Außerdem ließe sich damit das erste Bild der Sonne von außerhalb der Heliosphäre aufnehmen. Ob das dann eine vergleichbare Wirkung hat wie einst das erste vom Mond aus aufgenommene Foto der Erdkugel, bleibt abzuwarten. In fünfzig Jahren wissen wir vielleicht mehr.

(olb)