Wie Facebook mit Ray-Ban-Brillen auf unsere Gesichter kommen will

Das soziale Netzwerk bastelt am "Metaverse" – und nutzt dazu eine Sonnenbrille mit integrierter Kamera.

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Ja, das da oben links ist eine Kamera.

(Bild: Facebook)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • S.A. Applin
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Vorletzte Woche hat Facebook seine neue Computerbrille vorgestellt. Das 300 US-Dollar teure Gerät namens "Ray-Ban Stories" erlaubt es den Trägern, Bilder und kurze Videos aufzunehmen und teilen, Musik zu hören sowie Anrufe entgegenzunehmen. Es ist stark davon auszugehen, dass die Leute, die diese Brillen kaufen, damit bald in öffentlichen und privaten Räumen unterwegs sein werden, ihr Umfeld fotografieren oder filmen und dann die neue Facebook-App "View" verwenden werden, um all die tollen Inhalte zu sortieren und hochzuladen.

Mein Problem mit diesen Brillen ist nicht nur, was sie aktuell darstellen – sondern vor allem, was sie für die künftige Entwicklung bedeuten könnten und wie das unsere soziale Landschaft verändern wird. Wie werden wir uns fühlen, wenn wir uns in der Öffentlichkeit bewegen und wissen, dass die Menschen um uns herum in jedem Moment eine quasi geheime – weil kaum sichtbare – Überwachungstechnologie tragen und einsetzen könnten? Menschen haben andere in der Öffentlichkeit seit Jahrzehnten aufgezeichnet, aber es ist für die Durchschnittsperson immer schwieriger, dies zu erkennen. Die neue Brille von Facebook wird es noch schwieriger machen, da sie aussieht wie nahezu jede andere Ray-Ban-Sonnenbrille und auch ihr Markenlogo trägt.

Das vertraute Erbe dieser Marke könnte dazu führen, dass die Facebook-Brille viel mehr Menschen anspricht als beispielsweise die seit längerem erhältlichen Snap Spectacles und andere Kamerabrillen. (Facebook hat außerdem etwa 2 Milliarden mehr Nutzer als Snapchat.) Außerdem kann Facebook die Vorteile der globalen Lieferkette und der Einzelhandelsinfrastruktur des Brillengiganten Luxottica, der Muttergesellschaft von Ray-Ban, nutzen.

Die Facebook-Brille könnte zudem in pandemischen Zeiten besonders beliebt sein, da sie eine Möglichkeit bietet, Bilder und Töne aufzunehmen, ohne ein Telefon oder eine andere Oberfläche berühren zu müssen. Sie könnte auch ein Hit für Eltern werden, die auf ihre Kinder aufpassen müssen, aber trotzdem spontane Momente festhalten wollen. Auf den ersten Blick scheint sich eine Aufnahme mit der Facebook-Brille nicht wesentlich von einer Aufnahme eines Fotos oder Videos mit einem Smartphone zu unterscheiden. Die Art und Weise, wie die Brille die Augen des Trägers bedeckt und Fotos und Videos aus dem Blickwinkel dieser Person erstellt, verändert jedoch die Bedeutung der digitalen Bildaufzeichnung innerhalb von sozialen Gruppen.

Mit seinem Produkt beansprucht Facebook das Gesicht der Menschen zudem als neuen Ort für die eigene Technik. Die Brille wird zu einem ständigen Sucher, der die Perspektive des Trägers in den Vordergrund stellt – und nicht mehr die Gruppenerfahrung. Das kann dazu führen, dass sich die Träger mehr dazu hingezogen fühlen, Szenen aus dem eigenen Blickwinkel festzuhalten, als tatsächlich daran teilzunehmen. Da in einer Gruppe möglicherweise mehr als eine Person gleichzeitig die Brille trägt, könnte sich dieser Effekt noch verstärken und unseren sozialen Zusammenhalt weiter zersplittern.

Anfang dieses Jahres habe ich zusammen mit Catherine Flick von der De Montfort University im Vereinigten Königreich ein Ethikpapier verfasst, das im Mai 2021 im "Journal of Responsible Technology" veröffentlicht wurde. Wir argumentierten, dass der ungezügelte Einsatz von "Smart Glasses" ernste, unvorhergesehene Fragen über die Zukunft der öffentlichen sozialen Interaktion aufwirft.

Die Ray-Ban Stories sind ein Schritt hin zu Mark Zuckerbergs langfristiger Vision für Facebook, die darin besteht, ein "Metaverse" zu verwirklichen und daran teilzuhaben. Der Risikokapitalgeber Matthew Ball beschreibt das Metaversum als einen Raum "beispielloser Interoperabilität" mit nahtlos integriertem Verkauf. Zuckerberg erklärt es als einen gemeinsamen Raum, der Unternehmen und digitale Erfahrungen vereint, einschließlich realer, virtueller und erweiterter Welten.