Analyse: Menschheit wird Außerirdische frühestens in 200 Millionen Jahren finden

Anhand weniger Annahmen hat ein Forscherteam nach eigener Aussage errechnet, wie verbreitet außerirdische Zivilisationen sein dürften und wann wir sie finden.

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Die Galaxie NGC 2336, aufgenommen vom Weltraumteleskop Hubble

(Bild: ESA/Hubble & NASA, V. Antoniou; Acknowledgment: Judy Schmidt)

Lesezeit: 4 Min.

Die Menschheit ist womöglich ganz allein in der Milchstraße und bis wir Kontakt zu einer außerirdischen Zivilisation aufnehmen können, werden noch Hunderte Millionen Jahre vergehen. Das ist das Ergebnis einer Modellrechnung von vier britischen Wissenschaftlern, die nun zur Veröffentlichung im renommierten Astrophysical Journal angenommen wurde. Auf Basis weniger grundlegender Fakten zur Erde, ihrer Geschichte und zum Universum haben sie darin ermittelt, warum wir offenbar vergleichsweise früh in der Geschichte des Universums aufgetaucht sind und was sich daraus über außerirdische Zivilisationen ableiten lässt. Die Konsequenzen für die Suche nach außerirdischer Intelligenz (SETI) scheinen niederschmetternd.

Wie die Gruppe um den Ökonomen Robin Hanson (von dem das Konzept des "großen Filters" stammt) vom Future of Humanity Institute (FHI) der Universität Oxford in ihrem öffentlich einsehbaren Papier erläutert, sprechen grundlegende Beobachtungen dafür, dass die Menschheit ziemlich früh in der Geschichte des Universums auf der Bildfläche erschienen ist. Hoch entwickelte Zivilisationen seien eigentlich auf langlebigen (Exo-)Planeten am wahrscheinlichsten und da eher später. Während solche Planeten um die besonders langlebigen Roten Zwergsterne Billionen von Jahren alt werden konnten, sei die Menschheit nach weniger als einem Prozent dieser Zeitspanne erschienen. Warum so früh, sei deswegen die große Frage. Weil außerirdische Megazivilisationen solch eine Zivilisationswerdung von Konkurrenten später in der Geschichte unterdrücken würden, ist ihre Antwort.

Basis ihrer Studie ist das Konzept der "gierigen" und der "leisen" Außerirdischen. "Leise" Zivilisationen sind demnach – wie gegenwärtig die Menschheit – auf ihre Heimatplaneten beschränkt und von außen nur schwer zu finden. Ungefähr einmal pro einer Million Galaxien entsteht ihren Berechnungen zufolge aus "leisen" Außerirdischen eine "gierige" ("grabby") Zivilisation. Die durchbricht die Grenzen ihrer Heimat und expandiert (astronomisch gesehen) rasch über mehrere Sternsysteme und schließlich weit darüber hinaus. In dem von ihnen besiedelten Bereichen verhindern sie die Herausbildung jeglicher möglicher Konkurrenz. Innerhalb weniger Milliarden Jahre beherrschten sie so das gesamte Universum, haben sie errechnet.

All das und noch mehr haben sie lediglich auf Grundlage des aktuellen Alters des Universums, des Fakts, dass wir aktuell keine Spuren einer "gierigen" Zivilisation sehen und wichtiger Entwicklungsstufen des Lebens auf der Erde errechnet, versichern sie. Allein auf Basis dieser Annahmen und einer angenommenen Expansion mit letztlich etwa der halben Lichtgeschwindigkeit sind sie demnach zu dem Schluss gekommen, dass "gierige" Außerirdische aktuell bereits 40 bis 50 Prozent des Universums kontrollieren. Jede werde einmal zwischen 100.000 und mehreren Dutzend Millionen Galaxien kontrollieren, schreiben sie noch. Die Menschheit könnte eine davon in 200 Millionen bis zwei Milliarden Jahren treffen, geht aus ihren Zahlen hervor – natürlich nur, wenn es sie dann überhaupt noch gibt.

Sollten "gierige" Zivilisationen aus den "leisen" entstehen, dann müsste die Wahrscheinlichkeit dafür "deprimierend" gering sein, damit es in der Milchstraße irgendwann einmal auch nur eine andere ("leise") Zivilisation gegeben hat. Das Verhältnis zwischen "leisen" und "gierigen" Zivilisationen müsste demnach insgesamt bei 10.000 zu 1 liegen, damit das der Fall ist. Wenn es aktuell auch nur eine einzige andere "leise" Zivilisation in unserer Heimatgalaxie geben sollte, müsste das Verhältnis sogar bei 10 Millionen zu 1 liegen. Alles in allem keine guten Aussichten für die SETI-Forschung gestehen sie ein. Nur wenn die Anzeichen für "gierige" Zivilisationen subtiler sind, als angenommen und deren Expansion langsamer, dann könnten wir eventuell doch irgendwann Hinweise auf Grenzen zwischen "gierigen" Zivilisationen und deren Umgebung finden.

[Update 21.09.2021 – 19:40 Uhr] Die Formulierung zu den langlebigsten Planeten wurde präzisiert.

(mho)