DeepMind und andere KIs: Wer hat die besten Wetterprognosen?

Gemeinsam mit britischen Meteorologen entwickelte DeepMind ein verbessertes Wettervorhersagemodell. Die Briten sind jedoch nicht die ersten.

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Schönes Wetter

Ein schöner Tag.

(Bild: dpa, Christian Charisius / Archiv)

Lesezeit: 7 Min.
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Die Londoner KI-Schmiede DeepMind hat ein Händchen für gute PR. Die Nachricht, dass das Unternehmen gemeinsam mit dem nationalen britischen Wetterdienst ein neues, besseres Modell zur Vorhersage von Regenfällen entwickelt hat, wurde breit berichtet. Aber wie viel Fortschritt steckt wirklich in dem "DGMR", dem "Deep Generative Model of Rainfall"?

Das neue Werkzeug von DeepMind ist zwar nicht vergleichbar mit "AlphaFold", das Modell, das die dreidimensionale Struktur von Proteinen allein anhand der Aminosäuresequenz berechnen kann – und damit ein Schlüsselproblem in der Biologie gelöst hat. Aber auch eine kleine Verbesserung bei der Vorhersage von Regen, insbesondere Starkregen, ist für viele Branchen von entscheidender Bedeutung: Die Palette reicht von der Organisation von Freiluftveranstaltungen über die Luftfahrt bis hin zu Notdiensten. Allerdings ist DeepMind nicht das erste Unternehmen, das versucht, dieses Problem zu lösen.

Existierende Vorhersagetechniken nutzen umfangreiche Computersimulationen der atmosphärischen Physik mit Auflösungen von wenigen Kilometern. Die eignen sich zwar gut für längerfristige Vorhersagen. Kleinräumige Wetterereignisse wie Regenschauer oder gar Starkregen stellen aber moderne Wettermodelle auf eine harte Probe, weil auch sie die komplexe Physik der Wolkenbildung nicht vollständig abbilden können. Um die Qualität numerischer Wettervorhersagen zu verbessern, rechnen Meteorologen deshalb mit Ensembles von Modellierungen, deren Ergebnisse eine statistische Verteilung ergeben.

Für kurzfristige Regenprognosen – für die nächste Stunde etwa – lohnt sich das aber nicht. Der Rechenaufwand und die Rechenzeit wären zu hoch. Für das so genannten Nowcasting – das Wetter innerhalb der nächsten Stunden – sind sie also weniger gut geeignet. Hier kommt maschinelles Lernen ins Spiel: Bereits in den 1990er Jahren trainierten Forscher verschiedene Algorithmen darauf, aus gemessenen Wetter-Daten vorherzusagen – zunächst jedoch nur mit begrenztem Erfolg.

2019 stellten Google-Forscher ihre Version eines Nowcast vor. Die Kurzeit-Wettervorhersage für wenige Stunden nutzt als Trainingsdaten für ein neuronales Netz Aufnahmen eines Regenradars. Viele Länder veröffentlichen im Laufe des Tages regelmäßig Radarmessungen, die zeigen, wie sich Wolken über den Tag bilden und bewegen. In Großbritannien wird alle fünf Minuten ein neuer Messwert veröffentlicht. Setzt man diese Schnappschüsse zusammen, ergibt sich ein aktuelles Stop-Motion-Video, das zeigt, wie die Regenmuster über das Land ziehen, ähnlich wie die Vorhersagebilder im Fernsehen.

Ihr Ansatz käme ohne einprogrammierte physikalische Gesetzmäßigkeiten aus und damit auch ohne aufwendige Wettersimulationen. So liefere er innerhalb von wenigen Minuten Resultate, betont Google-Entwickler Jason Hickey, Hauptautor der Veröffentlichung. Man habe die Wettervorhersage als eine Art komplexes Bilderkennungsproblem behandelt. Nach Angaben der Forscher habe sich der Nowcast im Vergleich mit drei in den USA häufig eingesetzten klassischen Prognosemodellen für Vorhersagen von "fünf bis sechs" Stunden als klar überlegen gezeigt, schreibt Hickey.

Die Google-Forscher blieben nicht allein – auch andere Forschungsteams zeigten interessante Ergebnisse: In Deutschland beispielsweise arbeiten Forschende am Verbundprojekt Deep Rain, das tiefe, neuronale Netze nutzt, um unentdeckte komplexe Muster in Regenradardaten zu entdecken und so auf kommende Starkregen-Ereignisse zu schließen.

Und auch Microsoft ist mit im Spiel: Forscher von Microsoft stellen kürzlich ein System namens DeepMC vor, das die Daten lokaler Sensoren und konventionelle Wetterprognosen wie die vom National Weather Service miteinander kombiniert. Auf der Basis der lokalen Daten berechnet das tiefe, neuronale Netz die Abweichungen für den jeweiligen Standort. Das Unternehmen will das System beispielsweise für Landwirte, aber auch für regenerative Energieerzeuger verfügbar machen.

Das DeepMind-Team trainierte seine KI ebenfalls anhand von Radardaten, wie es in Nature berichtet. Anders als viele ihrer Kollegen trainierten die Forschenden bei Deepmind aber ein Deep Generative Network – ein Netzwerk ähnlich den bekannten Generative Adversarial Networks, kurz GANs. Diese Art der KI wird darauf trainiert, neue Datenmuster zu erzeugen, die den realen Daten, mit denen sie trainiert wurde, sehr ähnlich sind.

Normalerweise werden GANs beispielsweise verwendet, um Deepfakes oder auch mal einen gefälschten Rembrandt zu errechnen. In diesem Fall lernte DGMR, Radarbilder zu erzeugen und damit die Reihe der real aufgenommenen Messbilder fortzusetzen. Das sei so, als würde man ein paar Bilder eines Films sehen und erraten, was als Nächstes kommt, sagt Shakir Mohamed, der das Projekt bei DeepMind leitet. Allerdings dient das generative Netzwerk nicht nur der Vorhersage, sondern es liefert – quasi nebenbei – auch eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit, mit der diese Vorhersage eintrifft.

Für einen Praxistest bat das Forschungsteam 56 Meteorologen des Met Office, die nicht an der Forschung beteiligt waren, die Ergebnisse des DGMR mit Vorhersagen zu vergleichen, die von einer hochmodernen Physiksimulation und einem konkurrierenden Deep-Learning-Tool erstellt wurden. 89 Prozent gaben an, dass sie die Ergebnisse des DGMR vorziehen. Sie berücksichtigten dabei eine Reihe von Faktoren – einschließlich der Vorhersage des Ortes, des Ausmaßes, der Bewegung und Intensität des Regens.

"Maschinen-Lern-Algorithmen versuchen in der Regel, ihre Vorhersage auf eine Größe hin zu optimieren", sagt Niall Robinson, Leiter Partnerschaften und Produktinnovation beim Met Office. "Wettervorhersagen können jedoch in vielerlei Hinsicht gut oder schlecht sein. Vielleicht sagt eine Prognose den Niederschlag am richtigen Ort voraus, aber mit der falschen Intensität, oder eine andere berechnet die richtige Mischung von Intensitäten, aber an den falschen Orten, und so weiter. Wir haben uns bei dieser Forschung viel Mühe gegeben, unseren Algorithmus breit aufzustellen."

Das Team arbeitete mehrere Jahre lang an dem Projekt, und der Input der Experten des Met Office, "hat unsere Modellentwicklung in eine andere Richtung gelenkt, als wenn wir allein gearbeitet hätten", sagt Suman Ravuri, ein Forscher bei DeepMind. Die KI-Forschenden möchten zeigen, dass ihre KIs praktischen Nutzen haben. Für Shakir ist DGMR Teil der gleichen Geschichte wie AlphaFold: Das Unternehmen profitiert von seiner jahrelangen Erfahrung bei der Lösung schwieriger Probleme in Spielen – und beginnt nun, sie zu nutzen, um eine Liste realer wissenschaftlicher Probleme anzugehen.

"Grundsätzlich ist das Paper von DeepMind eine sehr interessante Arbeit mit beeindruckenden Resultaten, die gut evaluiert wurden", sagt Sebastian Lerch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der ebenfalls an einem neuronalen Netz arbeitet, das die systematischen Fehler numerischer Wettermodell korrigiert, um lokale Vorhersagen zu verbessern. "Es ist schwierig, die verschiedenen Arbeiten wie die von Google und Deepmind direkt miteinander zu vergleichen, weil sie verschiedene Datensätze und Benchmark-Modelle verwenden".

"Im Kurzzeitbereich sind diese rein datengetriebenen Methoden durchaus besser als physikalische Wettermodelle. Aber die Verbesserungen werden immer geringer, je weiter man in die Zukunft schaut", sagt Lerch. Denn die KI-Ansätze haben ein Problem: Sie berücksichtigen nicht automatisch Naturgesetze wie die Erhaltung von Energie und Masse. Sein Fazit: "Auf absehbare Zeit wird Maschinelles Lernen numerische Wettermodelle nicht ersetzen."

(wst)