Smarte Toiletten machen den Gesundheitscheck – per Kotprobe und Analscan

Smarte Toiletten analysieren automatisch Exkremente auf Gesundheits- und Ernährungsparameter und erkennen den Nutzer – per Analscan.

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(Bild: Shutterstock/Sergey Pavlovich)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Bettina Wurche
Inhaltsverzeichnis

Unsere Exkremente bergen einen Datenschatz von Informationen über unsere Gesundheit, den Lebenswandel und die Fitness. Allerdings werden diese bislang nur in Ausnahmefällen medizinisch analysiert, und nicht routinemäßig auf dem stillen Örtchen.

Futuristisch smarte Klo-Kultur hat bislang vor allem Menschen in Fernostasien begeistert: Beheizte Toilettenbrillen, Musik, das automatische Öffnen und Schließen des Deckels oder die Reinigung von Körper und Klo sind etwa in Japan schon länger verbreitet. Aber auch in den USA und Europa werden Toiletten immer smarter. Ging es dabei bislang meist um Wellness-Gimmicks, entwickeln Forscher jetzt noch intelligentere Klos zum Health Monitoring.

Die Ekel-Schwelle macht diesen wertvollen Datenschatz allerdings nicht einfach zugänglich. Darum erforschen und entwickeln die Ingenieurin und Biophysikerin Sonia Grego und ihre Kollegen im Smart Toilet Lab der Duke University Basistechnologien für die Erfassung, Probenahme und Analyse von Kot zum Self Health-Monitoring.

Im Krankheitsfall müssen Ärzte für die Diagnose alle wichtigen Informationen von ihren Patienten erfragen. Fragen nach der Häufigkeit, Menge und Konsistenz des abgesetzten Haufens beantworten Patienten meist ungern und unvollständig. Oft haben sie gar nicht nachgeschaut oder können sich nicht erinnern.

(Bild: Duke University)

Die Smarte Toilette soll Patienten diese unangenehme Aufgabe des "Kot-Reports" übernehmen und den behandelnden Ärzten endlich präzise Daten liefern. Für den Einsatz in Privathaushalten und Pflegeeinrichtungen muss die Toilette selbst zum hygienisch einwandfreien Probensammler werden: Dafür entwickeln die Forscher um Sonia Grego die "freihändig" benutzbare Technologie, die beim Spülen automatisch eine Kotprobe sammelt und verpackt.

Weiterhin sind mit KI-Unterstützung automatisierte Verfahren zum Tracken von Stuhlgangmerkmalen in der Entwicklung: Bei jedem Toilettengang wird ein Bild der Exkremente aufgenommen und die Daten erfasst. Daraus wird ein individueller Datensatz als Eichmarke erstellt, Abweichungen vom Normalzustand würde die KI dann sofort erkennen. Zur Programmierung der KI haben die Wissenschaftler 3328 Stuhlbilder analysiert und von Gastroenterologen nach der Bristol Stool Scale, einem gängigen klinischen Instrument zur Stuhlklassifizierung, überprüfen und kommentieren lassen. Mithilfe eines Deep-Learning-Algorithmus für die Bildanalyse kann die KI jetzt mit hoher Genauigkeit die Stuhlform klassifizieren und Blut erkennen, erklärte Sonia Grego in einem Interview.

Diese Analyseeinheit lässt sich bei jeder Toilette schnell und unkompliziert an den vorhandenen Abwasserrohren installieren und erledigt beim Spülen die Probennahme und Analyse automatisch. Die Daten können etwa per Smartphone-App an einen Arzt gesendet werden, sie wären wesentlich präziser als die Auskunft eines Menschen beim Blick zurück in die Toilettenschüssel. In einer gemeinschaftlich benutzten Toilette garantiert ein Fingerabdruck-Scanner auf der Spültaste die individuelle Erkennung. In neun Monaten wollen die Forscher ein erstes arbeitsfähiges Modell haben und testen.

Toilette zum Aufspüren von Biomarkern für Darm-, Blasen- sowie Prostata-Krebs und Nierenprobleme

(Bild: Stanford University/Sanjiv Gambhir)

Sanjiv Gambhir, ein Radiologe und Krebsforscher der Stanford University, hat eine intelligente Toilette zum Aufspüren von Biomarkern für Darm-, Blasen- sowie Prostata-Krebs und Nierenprobleme entwickelt. Gerade für Menschen mit einer genetischen Vorbelastung kann diese Krebs-Früherkennung auf der eigenen Toilette wertvoll sein. Die Biosensoren werden einfach in der Schüssel einer üblichen Toilette montiert und führen dann autonom Messungen per Uroflowmeter, klinisch üblichen Farbabgleichen und dem Bristol Stool Test durch – ähnlich zuverlässig wie klinisches Personal. Gambhir und 21 andere Probanden haben bereits einen erfolgreichen Feldversuch durchgeführt.

User werden individuell identifiziert über Fingerabdruck und Analscan – beide sind unverwechselbar. Eine Umfrage ergab eine hohe Akzeptanz für diese intelligente Sanitäreinrichtung – nur mit der Identifizierung per Analscan haben die Nutzer ein Akzeptanzproblem.

Der TrueLoo-Toilettensitz von Toi Labs analysiert mit zehn verschiedenen Biomarkern Kot, dokumentiert die Dauer des Vorgangs und erfasst die Geschwindigkeit und Farbe des Urinstrahls. Der smarte Toilettensitz kann ebenfalls auf eine herkömmliche Toilette montiert werden und ist für die häusliche Pflege interessant. Bei plötzlichen Abweichungen lebenswichtiger Parameter wie etwa bei Diabetes-Problemen könnten Ärzte oder Pflegende schnell Gegenmaßnahmen einleiten.

Die Zeit sei laut Toi Labs günstig, Toiletten generell mit smarten Zusatzfunktionen aufzurüsten, schließlich gehören smarte Wearables wie Uhren oder Smart Homes für viele Menschen mittlerweile zum Lifestyle und lassen sich per Smartphone steuern. Durch die Forschungsdurchbrüche zum menschlichen Biom sei auch die Beschäftigung mit dem eigenen Darm jetzt als gesundheitsrelevant verstanden und enttabuisiert. Die Kotanalyse zum individuellen Ernährungs- und Trainingsstand könnte in das smarte Portfolio zur Selbstoptimierung passen – viele Menschen nehmen ihre Smartphones ohnehin mit auf die Toilette.

Ein weiteres Forschungsfeld des Smart Toilet Lab der Duke University ist die Überwachung und Früherkennung von Krankheitserregern in Gebäuden oder Städten. Mithilfe von Biomarkern könnten Gesundheitsbehörden potenziell gefährliche Erreger schnell erkennen und bekämpfen.

Ein Team um Emma Rary hatte 2020 in einer Metastudie zur Wirksamkeit solcher sanitären Biosensoren für das Gesundheitswesen bestätigt, dass sie wirkungsvoll und schnell Viren, Bakterien sowie anderen Krankheitskeime, aber auch Erkrankungen wie Diabetes und sogar Drogenkonsum nachweisen können. Außerdem seien sie meist kostengünstiger als herkömmliche Überwachungsmethoden.

Mit solchen Monitorings ließen sich etwa in Deutschland die in den letzten Jahrzehnten zunehmenden Norovirus-Ausbrüche schneller als bisher eindämmen: Der Ausbruch im Winter 2007/2008 hatte immerhin zu über 140.000 gemeldete Infektionen und mindestens 52 Toten geführt. Auch Corona-Viren ließen sich damit frühzeitig erkennen: Im vergangenen Jahr hatten der Virologe Christian Drosten der Berliner Charité und der Arzt Clemens Wendtner der Münchener Klinik Schwabing gezeigt, dass sich SARS-CoV-2 auch im Magen-Darm-Trakt vermehrt und ausgeschieden wird.

Da durch die Toilettenspülung "Uringischt" mit Virenlast hochgewirbelt werden kann, war dieser Fund zunächst alarmierend. Glücklicherweise konnten die Wissenschaftler aus den Stuhlproben von Corona-Patienten aber kein infektiöses Material isolieren. Außerdem lässt sich die potenzielle Gefahr aus der Porzellanschüssel durch das Schließen des Deckels beim Spülen wirkungsvoll bannen. Sanitäre Abwässer sind damit wohl keine Corona-Infektionsquelle, ermöglichen aber ein flächiges Corona-Monitoring.

Die smarte Klo-Aufrüstung kann also wirksam die Gesundheit einzelner Menschen oder ganzer urbaner Communities überwachen. Allerdings birgt dieses fäkale Gesundheits-Monitoring gewaltige Datenschutzprobleme. Durch Installationen im privaten und öffentlichen Bereich, dem Datentransfer per Smartphone oder andere Sicherheitslücken könnten sensible persönliche Daten in falsche Hände geraten. Einzelpersonen könnten damit erpressbar oder diskriminiert werden. Für ganze Communities könnte, wie jetzt gerade im Corona-Pandemie-Fall in einigen asiatischen Ländern geschehen, Schulschließungen, Reisebeschränkungen und Ausgangsbeschränkungen bis hin zu kompletten Ausgangssperren veranlasst werden.

Auch im angeblich datenschutzbewußteren Europa sind smarte Toiletten, die etwa mit der kommunikativen Alexa gekoppelt sind, nicht mehr so selten. Offenbar übersteigt die Sehnsucht nach Bequemlichkeit die Furcht vor dem datenschutzrechtlichen Kontrollverlust über den Blasen- und Darminhalt. Ob noch intelligentere Toiletten, die sensible persönliche Daten zur Gesundheit sammeln, akzeptiert werden, wird sich zeigen. Ganz vorlaute Toiletten schicken ihre Besitzenden nach der Analyse sogar noch zum Arzt oder geben Tipps für ein gesundes Menü – das könnte für so manche User dann doch zu übergriffig sein.

(bme)