Irland gibt Widerstand auf: Internationale Steuerreform steht bevor

Bereits im Sommer einigen sich die Top-Wirtschaftsmächte (G20) auf eine Reform des internationalen Steuersystems. Irland sträubte sich dagegen – bis jetzt.

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(Bild: beeboys/Shutterstock.com)

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  • dpa
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Nach dem Einlenken des bisherigen Niedrigsteuerlandes Irland ist eine wichtige Hürde für eine globale Reform der Unternehmenssteuern noch in diesem Jahr genommen worden. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wollte noch am Freitag auf einem Treffen in Paris die technischen Gespräche beenden, wie die Financial Times berichtete. Zuvor hatte sich Irland dem internationalen Druck gebeugt – und mit Estland noch ein weiteres EU-Land.

Das Kabinett in Dublin beschloss am Donnerstagabend, den Steuersatz für Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro von 12,5 auf 15 Prozent zu erhöhen. Irland, wo digitale Großkonzerne ihren Europa-Sitz haben, trägt damit die angestrebte globale Steuerreform mit und vermeidet weiteren Streit mit der G20-Gruppe der Top-Wirtschaftsmächte. Bisher hatte Dublin seine Niedrigsteuerpolitik stets verteidigt, die ein wichtiges Geschäftsmodell ist.

Allerdings stieg der Druck, nachdem sich die Finanzminister der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) im Sommer auf eine Reform der internationalen Steuerregeln im Digitalzeitalter geeinigt hatten. Die G20-Finanzminister hatten im Juli auf zwei Neuerungen beschlossen: International tätige Firmen sollen unabhängig von ihrem Sitz "mindestens" 15 Prozent Steuern zahlen. Zahlt ein Unternehmen mit seiner Tochterfirma im Ausland weniger Steuern, kann der Heimatstaat die Differenz einkassieren.

Das soll verhindern, dass Gewinne in Steueroasen verlagert werden. Außerdem sollen große Unternehmen nicht mehr nur in ihrem Mutterland besteuert werden, sondern auch da, wo sie gute Geschäfte machen. Dublins Zusage wurde von der OECD vermittelt. Der irische Finanzminister Paschal Donohoe sagte, es handle sich um eine weitreichende Reform des weltweiten Steuerrahmenwerks.

Vizepremierminister Leo Varadkar sagte dem Sender RTÉ, der Regierung sei versichert worden, dass es sich um einen Schritt handle, der "einmal in einer Generation" vorkomme und dass der Steuersatz nicht weiter steigen werde. Varadkar betonte, dass die Unternehmensteuer "exakt" 15 Prozent betrage und nicht – wie zunächst gefordert – "mindestens" 15 Prozent. Daraufhin sei die Regierung zum Schluss gekommen, dass es für Irland besser sei, mitzumachen.

In dem EU-Land sind Dutzende Unternehmen mit Hunderttausenden Beschäftigten von der Änderung betroffen, die vermutlich 2023 in Kraft treten wird. Die Regierung in Dublin schätzt ihre Einbußen aufgrund der Steuererhöhung auf 800 Millionen bis 2 Milliarden Euro pro Jahr. Neben Irland hatten sich aus der EU auch Estland und Ungarn bisher gegen die Reform gestemmt.

Wie die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas am Donnerstagabend aber mitteilte, gibt nun auch das baltische Land seinen Widerstand auf. "Wir haben den ganzen Sommer intensive Verhandlungen geführt, um eine Situation zu erreichen, in der estnische Unternehmer so wenig wie möglich von dieser globalen Steuer betroffen sind", sagte Kallas. Die Mindeststeuer werde für die meisten estnischen Firmen nichts ändern und nur Tochtergesellschaften großer multinationaler Konzerne betreffen. Durch eine Beteiligung an der Steuerreform habe Estland die Chance, darauf hinzuwirken, dass "das Geschäftsumfeld und die Steuerpolitik Estlands weiterhin im Interesse einer besseren Zukunft für uns alle" funktioniere.

US-Finanzministerin Janet Yellen hatte am Mittwoch in einem Gespräch mit ihrer estnischen Amtskollegen Keit Pentus-Rosimannus nochmals auf eine Reform des globalen Steuersystems gepocht. Ein Konsens zur globalen Mindeststeuer habe "oberste Priorität", sagte Yellen. D

Die Industrieländer-Organisation OECD rechnete bisher allein durch die Mindeststeuer mit 150 Milliarden Dollar (etwa 130 Miliarden Euro) Steuer-Mehreinnahmen weltweit. Die Umverteilung könnte den sogenannten Marktstaaten noch mal mehr als 100 Milliarden Dollar bringen. Gesicherte Angaben für Auswirkungen auf den Fiskus in Deutschland gibt es nicht. Fast alle OECD-Staaten hatten auf Arbeitsebene bereits zugestimmt, darunter auch bekannte Steueroasen wie die Cayman-Inseln.

(axk)