Bis zu ein Jahr Wartezeit: Zertifizierungsstau bremst Solar-Ausbau

Die Solarbranche ist nach Jahren des Darbens wieder auf Wachstumskurs. Verschärfte gesetzliche Auflagen behindern aber den Zertifizierungsprozess.

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(Bild: seo byeong gon/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Die bereits totgesagte deutsche Solarindustrie blickt angesichts eines deutlich gestiegenen Klimaschutzbewusstseins bei Verbrauchern, Wirtschaft und Politik eigentlich wieder optimistisch in die Zukunft. Den neuen Boom verzögern nun aber nicht nur ausbleibende klare Ausbauziele der Bundesregierung. Auch bürokratische Vorschriften verhindern eine stärkere Einspeisung des grünen Stroms aus Sonnenkraft in die bundesdeutschen Netze.

Ein Stein des Anstoßes ist die Verordnung zum Nachweis von elektrotechnischen Eigenschaften von Energieanlagen (NELEV). Sie ist im Juli 2017 in Kraft getreten und legt etwa fest, dass ein Nachweisdokument für den Netzanschluss von Erzeugungsanlagen von akkreditierten Zertifizierungsstellen auszustellen ist. Im April 2018 machte die Bundesnetzagentur dazu nähere Vorgaben. Betreiber auch von Solar- und Photovoltaik-Anlagen müssen demnach bereits ab einer Leistung von 135 Kilowatt (kW) ein Zertifikat einreichen. Vorher lag die Grenze bei einem Megawatt (MW).

So müssen inzwischen auch deutlich mehr Solaranlagen den Prüfprozess bei speziellen Dienstleistern durchlaufen. Doch diese können die gestiegene Nachfrage momentan nicht mehr bedienen. "Die Wartezeiten für ein Zertifikat betragen 20 bis 40 Wochen", moniert Robert Sing, Chef eines Ingenieurbüros in Landsberg am Lech, gegenüber der Augsburger Allgemeinen. Vielfach stehen so bereits fertiggestellte Solaranlagen monatelang ungenutzt auf dem Gelände.

"Die Wartezeiten dauern teilweise bis zu einem Jahr", bestätigte Carsten Körnig, Geschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW), die Verzögerungen gegenüber der ARD. Für Erzeugungsanlagen von 135 kW bis 1 MW reicht zwar ein "vereinfachtes Anlagenzertifikat". Das Zulassungsverfahren sei aber auch hier nicht ohne Tücken, erläuterte der TÜV Süd als eines der vorgesehenen Prüfunternehmen dem Sender.

"Im Moment erleben wir es relativ häufig, dass unsere Kunden ihre Unterlagen im laufenden Zertifizierungsverfahren nachbessern müssen, damit die Konformität mit den Netzanschlussregeln von uns bestätigt werden kann", heißt es dort. Dies führe nicht nur bei den Betreibern, sondern auch bei den Prüfinstitutionen zu einem erheblichen Mehraufwand.

Die jüngsten Änderungen an der NELEV verschleppten den Ausbau der Sonnenenergie, warnt Körnig. Viele Betriebe versuchten derzeit, bei ihren Anlagen unter der Grenze von 135 kW zu bleiben. Er forderte, das Limit für Zertifizierungen wieder nach oben zu setzen. Fertige Solaranlagen sollten zudem zumindest einstweilig in Betrieb genommen werden dürfen. Die erforderlichen Zertifikate könnten später nachgereicht werden.

Der Zuwachs an Gewerbe-Solaranlagen stockt dem BWS zufolge momentan. Im Juni seien 67 Prozent weniger Neuanlagen installiert worden. Nur dank der gestiegenen Nachfrage von Eigenheimbesitzern nach Photovoltaik-Systemen habe sich die installierte Leistung im Bereich Sonnenkraft in den ersten sechs Monaten in Deutschland um 22 Prozent erhöht.

Von der neuen Bundesregierung erhofft sich die Branche ein "Solar-Beschleunigungsgesetz" in den ersten hundert Tagen nach dem Einsetzen der Exekutive. Dieses sollte Investitionsbarrieren und Förderdeckel beseitigen und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) an die jüngst verschärften Klimaziele anpassen. Um diese zu erreichen, müsste die in Deutschland installierte Solarstromleistung bis zum Ende der Legislaturperiode in etwa verdoppelt werden. Dies erfordere mindestens eine Verdreifachung des Photovoltaik-Ausbautempos gegenüber heute und eine konsequente Mobilisierung von Gebäuden und Freiflächen für die Solarenergie-Erzeugung.

(olb)