Ceph-Chef Sage Weil tritt ab: Bürgerrechte statt verteilter Speicher

Sage Weil, Ceph-Erfinder und bei Red Hat für Ceph verantwortlich, zieht sich vom Projekt zurück. Er widmet sich verstärkt politischen Themen wie Bürgerrechten.

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Von
  • Martin Gerhard Loschwitz
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Der verteilte Objektspeicher Ceph hat sich in den vergangenen Jahren zu einer beliebten Alternative zu konventionellen Speichern wie SAN- oder NAS-Lösungen gemausert. Über seine gesamte Lebensdauer stand dem Produkt dabei sein Erfinder Sage Weil vor. Dieser kommt dem Projekt nun allerdings abhanden: In einer Nachricht an die Ceph-User-Mailingliste verkündete Weil, dass er die Führung des Projektes noch in diesem Jahr abgeben werde. Als Entwickler werde er seiner eigenen Vermutung nach noch an Ceph "Quincy" beteiligt sein, das sich aktuell in Entwicklung befindet. Bereits an der nachfolgenden "R"-Version wird Weil aber laut eigener Aussage schon nicht mehr signifikant mitarbeiten. Und nicht nur das: Weil werde auch Red Hat verlassen und seine Entwicklertätigkeiten reduzieren.

Für die Software steht damit eine Zeitenwende an. Sage Weil war es, der Ceph im Rahmen seiner Dissertation 2007 als Konzept erdachte und ausarbeitete. Die Idee verteilter Objektspeicher war da zwar schon nicht mehr neu – doch Weil machte aus der Theorie eine Software, die Administratoren wirklich installieren und nutzen konnten. Und obendrein stand sie unter einer freien Lizenz. Lag der Fokus ursprünglich darauf, ein zu POSIX kompatibles Dateisystem anzubieten, änderten sich die Prioritäten bald: Im Fahrwasser des Cloud Computings war die Emulation von Blockspeicher auf Objektspeicherbasis als virtuelle Festplatte für VMs bald wichtiger.

Als Spin-Off von Dreamhost, an dem Weil ebenfalls maßgeblich beteiligt war, gründete er mit einigen Gefolgsleuten Inktank als kommerzielle Heimat für Ceph und war damit aus dem Stand so erfolgreich, dass Red Hat sich bald für Inktank interessierte – und es 2014 schluckte. Weil wurde als vorheriger CTO Red Hats neuer Ceph-Chef, blieb also an Bord und gab weiterhin die technische Richtung vor.

Über weite Teile der Ceph-Entwicklung scharte Weil eine relativ kleine Gruppe altgedienter Ceph-Programmierer um sich. Unter Führung dieses Teams brachte Ceph immer wieder große Technologiesprünge hinter sich: Das Ceph Block Device sowie das Ceph Object Gateway waren früh als reif für den produktiven Einsatz gekennzeichnet. CephFS folgte als eigentliche Keimzelle der Software – ein Treppenwitz der Geschichte – erst 2016 mit der Freigabe für produktive Umgebungen. Die technische Bilanz von Weils Amtszeit als Ceph-Chef fällt insofern weitgehend makellos aus. Obendrein gilt Weil innerhalb der Storage- und Cloud-Community als sympathisch und ausgesprochen beliebt.

Nun jedoch zieht es ihn in neue Gefilde. In der Mail, in der er offiziell seinen Abschied verkündet, geht er auf die Hintergründe dazu ein. Demnach hat er im Rahmen der US-Präsidentschaftswahlen 2020 bei VoteAmerica mitgemacht. Das ist eine Bürgerrechtsorganisation, die Amerikaner dabei unterstützt, sich im komplizierten US-Wahlsystem mit Wählerregistrierung zurechtzufinden. Diese Arbeit, so Weil, habe ihn beeindruckt – und an die alten Zeiten erinnert, in denen die Ceph-Community aus einer Handvoll von Leuten bestand und deutlich schlagkräftiger als heute tiefgreifende Veränderungen beschließen und zudem auch umsetzen konnte.

Für die anstehenden Midterm Elections in den USA will Weil sein Engagement wiederholen. Ganz grundsätzlich sieht er sich künftig eher in einem Umfeld, in dem das Thema Bürgerrechte eine übergeordnete Rolle spielt. Das schließt ein Engagement in der IT zwar nicht vollständig aus, es dürfte jedoch weniger wahrscheinlich werden.

Sorgen müssen sich Weil und Red Hat zufolge Ceph-Benutzerinnen und -Benutzer aber nicht machen – und das gleich aus mehreren Gründen. Einerseits hat Red Hat einen großen Teil der Verantwortung von Ceph zwischenzeitlich der zugehörigen Foundation übertragen, die eine Ausbuchtung der Linux Foundation ist. Die technische Aufsicht über die Speicherlösung lag bisher andererseits zwar bei Sage Weil, doch hat dieser laut eigener Aussage lange vor seiner offiziellen Ankündigung bereits die Übergabe aller relevanter Verantwortlichkeiten angestoßen. Der innerste Ceph-Zirkel um ihn herum dürfte von der Änderung also deutlich früher gewusst haben als nun die Öffentlichkeit, die Übergabe läuft bereits.

Praktisch ausgeschlossen dürfte daher auch sein, dass die Ceph-Entwicklung durch Weils Abschied an Tempo oder Qualität verliert. Das gilt umso mehr, da Red Hat seine Unterstützung für Ceph bereits bekräftigt und erneuert hat. Trotzdem ist der Abgang Sage Weils eine historische Zäsur für Ceph und für die Welt des Open-Source-SDS.

(fo)