Regelmäßige Grippeimpfung könnte vor Demenz schützen

Eine Analyse der Krankenakten von 120.000 US-Veteranen zeigt, dass jährliche Grippeimpfungen deutlich das Risiko reduzieren, im Alter an Demenz zu erkranken.

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(Bild: FabrikaSimf/Shutterstock.com)

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Eine Grippeimpfung schützt. Natürlich in erster Linie vor Influenza, der echten Grippe, aber eine im Fachmagazin Vaccine veröffentlichte Kohortenstudie deutet nun noch auf einen großen Mehrwert hin: Sie zeigt eine deutliche Korrelation zwischen regelmäßigen Grippeimpfungen und dem Risiko im Alter an Demenz zu erkranken.

Forschende von der Saint Louis University School of Medicine waren zunächst auf taiwanesische Studien aufmerksam geworden, die einen Zusammenhang zwischen Influenza-Impfungen und Demenz hergestellt hatten. Daraufhin forderten sie die Krankenakten von der "Veterans Health Administration" an, einem auf ehemalige Militärangehörige spezialisierten US-amerikanischen Gesundheitsdienst. Sie werteten die Akten von 120.000 Veteranen aus, die über 65 Jahre alt waren. Der Studienzeitraum reichte von 2009 bis 2019 und die einbezogenen Ex-Soldaten – meist männlich und weiß – mussten in den ersten zwei Jahren des Beobachtungszeitraums frei von Demenz gewesen sein.

Der Rest ist Mathematik: 15.933 der Veteranen litten an Demenz, 66.822 Personen aus der Studie hatten Influenza-Impfungen erhalten, 56.925 waren nicht gegen Grippe geimpft worden und die Korrelationsanalyse erstreckte sich auf 80 Monate. Die Forschenden teilten die Akten nach Anzahl der verabreichten Grippeimpfungen ein, rechneten Störfaktoren wie bekannte Zusammenhänge mit Geschlecht, Ethnie und Alter heraus und stellten fest, dass der Schutzeffekt durch die Influenza-Impfung zunahm, je öfter die Veteranen in den zehn Jahren gegen Grippe immunisiert wurden.

Wer sich jährlich gegen Influenza hat impfen lassen – also sechsmal innerhalb der 80 Monate (oder alle 6,6 Jahre) –, hatte ein um 12 Prozent geringeres Risiko an Demenz zu erkranken, als Menschen, die sich nicht jährlich haben impfen lassen. Die Erklärungen dafür sind noch reine Hypothesen: Die Forschenden vermuten, dass der Demenz-Schutz nicht dadurch zu erklären ist, dass die Betroffenen weniger Infektionskrankheiten durchlebten. Sie gehen davon aus, dass die regelmäßigen Impfungen das Immunsystem systematisch trainieren.

Richard Dodel, Experte der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, weist in einer Stellungnahme auf andere Assoziationsstudien und Tierexperimente hin, die ähnliche Schlüsse zulassen und hat auch eine Idee, wie dieser Schutzmechanismus durch die Grippeimpfung entstehen könnte: Die Impfungen könnten die Zahl der Mikroglia – Immunzellen des Zentralnervensystems – im Gehirn ansteigen lassen. Ihre Aufgabe ist es, Schadstoffe und Krankheitserreger abzubauen. Bei der gefürchteten Demenzerkrankung Alzheimer bildet der Eiweißstoff Beta-Amyloid einen Belag auf den Nervenzellen und schädigt sie so stark, dass die kognitive Leistung des Gehirns immer weiter abnimmt. Mehr und aktivierte Mikrogliazellen im Gehirn bauen auch vermehrt Beta-Amyloid ab und steuern so der Demenz entgegen.

Ob sich diese Hypothese bestätigt, müssen nun weitere Studien zeigen. Aber da eine jährliche Influenza-Impfung ohnehin eine gute Idee ist, kann man das Ergebnis der Studie bereits risikofrei für den persönlichen Demenz-Schutz nutzen.

(jsc)