"Apple-Gegenwind" für Snapchat: Snap-Aktien sacken ab

Um mehr als Fünftel sind Snap-Aktien abgestürzt. Weil Apple User wählen lässt, wie sehr sie überwacht werden möchten, steigen Werbeeinnahmen nicht so kräftig.

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Snapchat-Icon auf Smartphone-Bildschirm

(Bild: BigTunaOnline/Shutterstock.com)

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57 Prozent mehr Umsatz und zwei Drittel weniger Nettoverlust hat Snap im dritten Quartal 2021 erreicht. Erstmals setzt Snapchat mehr als eine Milliarde US-Dollar in einem Quartal um und hat über 300 Millionen tägliche Nutzer (DAUs). Ein schönes Geschenk zum zehnten Geburtstag des Kommunikationsdienstes? Mitnichten, meinen die institutionellen Anleger, die besseres Reklamegeschäft eingeplant hatten. Nach Bekanntgabe der Zahlen sind Snap-Aktien im nachbörslichen Handel sofort um mehr als ein Viertel abgestürzt.

Im weiteren Verlauf hat sich der Wertpapierkurs nur geringfügig auf -21,5% erholt. Die Investoren hatten ein besseres Ergebniss und einen freundlicheren Ausblick erwartet. Doch seit dem Frühjahr geht Apple gegen heimliches Nutzer-Tracking in Apps vor. Ab Version 14 gibt das Betriebssystem für iPhones (iOS) und iPads (iPadOS) den "Advertising Identifier", der App-übergreifendes Tracking ermöglicht, nicht mehr so einfach heraus: Programme müssen eine Erlaubnis des Nutzers für das Tracking einholen, bevor sie den Advertising Identifier auslesen dürfen.

Nutzer können sich außerdem entscheiden, künftig nicht mehr ihren exakten Standort für Apps freizugeben, sondern nur eine grobe Angabe. Zudem lassen sich für Apps dann einzelne Fotos freigeben, statt diesen den Zugriff auf die gesamte Fotobibliothek einräumen zu müssen. Auch die heimliche Abfrage der Zwischenablage ist nun schwieriger. Benutzer werden ab iOS 14 auf das Auslesen hingewiesen. Neu ist außerdem, dass Apps auch für den Zugriff auf das lokale Netzwerk das Einverständnis der User einholen müssen.

Wie sich zeigt, sind immer weniger Nutzer bereit, sich für die kostengebührenfreie Nutzung eines Dienstes auf diese Weise überwachen zu lassen. Damit können Werbevermittler wie Snap bisweilen nicht mehr so genau nachvollziehen, welche Reklame welchen Verbraucher zu welcher Kaufentscheidung bewogen hat. Also fällt ein Teil der zuvor erhofften Werbeeinnahmen weg.

Snap-CEO Evan Spiegel versuchte Donnerstagabend, die Situation rosig darzustellen: Snapchat sei nun groß genug, um durch "signifikante Gegenwinde zu steuern, darunter Änderungen an der iOS-Plattform, die beeinträchtigen, wie Werbung adressiert, gemessen und optimiert wird." Auch für die weltweiten Probleme in Lieferketten und Arbeitskräftemangel bei Werbetreibenden sieht er Snap gerüstet.

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Doch dann musste Spiegel eingestehen, dass sich die Änderungen stärker ausgewirkt haben, als geplant: "Während wir gewisse Störungen des Geschäfts erwartet haben, hat die neue Messlösung Apples nicht so gut funktioniert wie erwartet", sagte der Manager in einer Telefonkonferenz mit Finanzanalysten, "Das erschwert es unseren Werbepartnern, ihre Werbekampagnen für iOS zu messen und zu managen." Im Juli hatte Snap noch mitgeteilt, Snapchat habe wenig Probleme mit Apples App-Tracking-Transparenz.

Probleme wie der Chipmangel, Lieferunterbrechungen, Arbeitskräftemangel und andere direkte und indirekte Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie bremsen das Werbegeschäft: Ein Erzeuger, der keine Produkte ausliefern kann, ist kaum dazu geneigt, für nicht lieferbare Produkte teure Reklame zu machen.

Trotz allem erwartet Snap, dass der Umsatz im laufenden Quartal auf 1,16 bis 1,21 Milliarden Dollar steigen wird. Die Finanzanalysten hatten im Durchschnitt auf 1,36 Milliarden gewettet und sind nun enttäuscht.

Im dritten Quartal 2021 hat Snap 1,07 Milliarden US-Dollar umgesetzt (+57% im Jahresabstand). Der Betriebsverlust ist um acht Prozent auf 181 Millionen Dollar gestiegen. Das Unternehmen hat 40 Prozent mehr Vollzeitmitarbeiter als vor einem Jahr, was höhere Gehaltskosten und mehr Ausstellungen eigener Aktien mit sich bringt. Dank stattlicher Gewinne aus Finanzanlagen konnte Snap den Nettoverlust dennoch um 64 Prozent auf 72 Millionen US-Dollar drücken.

Die Zahl der täglich aktiven Snapchatter ist im Jahresabstand um 23 Prozent auf 306 Millionen gestiegen. Besonders stark ist der Nutzerzustrom außerhalb Nordamerikas und Europas. Die Schar der Teilnehmer aus dem "Rest der Welt" ist um die Hälfte auf 130 Millionen geschwollen. Allerdings bringen diese mit durchschnittlich nicht einmal 33 US-Cent pro Monat und User (ARPU) viel weniger als, ein europäische (64 Cent) oder nordamerikanische Teilnehmer (273 Cent).

(ds)