ANA Avatar Xprize: Team der Uni Bonn erreicht Finale im Telepräsenzwettbewerb

Bisherige Telepräsenzroboter bestehen oft aus nicht mehr als Displays und Kameras. Ein Wettbewerb soll das nun erweitern und zeigt, wohin es gehen könnte.

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(Bild: Uni Bonn)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Mit Lichtgeschwindigkeit Entfernungen überwinden und sich an Orte begeben, die für Menschen ansonsten unzugänglich sind – das ist das Versprechen der Telepräsenz. Der mehr oder weniger weit entfernte menschliche Bediener eines Roboters soll sich fühlen, als steckte er selbst im Körper der Maschine. Ein mit insgesamt 10 Millionen US-Dollar dotierter Wettbewerb soll die Entwicklung der dafür erforderlichen Techn voranbringen. Ein Team der Universität Bonn hat jetzt beim Halbfinale sehr gut abgeschnitten.

Bislang haben sich Telepräsenzroboter weitgehend auf fahrende Flachbildschirme mit integrierten Kameras und Mikrofonen beschränkt und konnten sich noch nicht recht durchsetzen. Der Wettbewerb ANA Avatar Xprize will die Möglichkeiten dieser Roboter erweitern. Sie sollen mehr bieten als mobile Videokonferenzsysteme und den Nutzern ein stärkeres Gefühl vermitteln, selbst vor Ort zu sein. Dazu gehört nicht nur eine verbesserte, multimodale Wahrnehmung, die neben Sehen und Hören auch Tasten und Riechen einbezieht, sondern insbesondere die Möglichkeit, auf die Umgebung des Roboters manipulativ einzuwirken.

Zunächst hatten sich 77 Teams aus 19 Ländern für den im März 2018 ausgerufenen Wettbewerb qualifiziert. Von denen kamen 38 im April 2021 eine Runde weiter, nachdem sie die Jury mit ausführlichen Beschreibungen ihrer Systeme und Videodemonstrationen überzeugt hatten. Als Nächstes standen dann Tests vor Ort in Miami auf dem Programm, die im vergangenen September stattgefunden haben. Zu den 15 Teams, die auch diese Hürde nehmen konnten und nun im Herbst 2022 das Finale bestreiten werden, zählt als einziger Teilnehmer aus Deutschland das Team NimbRo von der Universität Bonn.

Eine besondere Herausforderung dieses Halbfinales bestand darin, dass der Roboter nicht von einem Teammitglied gesteuert wurde, sondern von einem Mitglied der Jury. Daher war eine möglichst intuitive Bedienung gefordert. "Wir hatten eine Stunde Zeit, um den Operator mit dem System vertraut zu machen", sagt NimbRo-Leiter Sven Behnke. Wie gut das geklappt hat, zeigt das Video vom Halbfinale, bei dem der Roboter ein Puzzle legt, mit Trinkgläsern anstößt und einen Gegenstand detailliert untersucht. Dem Bonner Team brachte das mit 99 von 100 möglichen Punkten den Spitzenplatz im Halbfinale.

Die insbesondere für das Greifen der Puzzleteile erforderliche taktile Wahrnehmung wurde durch die Messung der Motorströme in den Roboterfingern ermöglicht, die dem Operator als Widerstand übermittelt wurden. Damit ließen sich auch schwierigere Aufgaben bewältigen, betont Behnke. So sei in dem Video, das NimbRo für die vorangegangene Qualifikationsrunde aufgenommen hatte, unter anderem zu sehen, wie der Roboter einer Person den Blutdruck misst und beim Anziehen einer Jacke hilft.

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Für die räumliche Wahrnehmung nutzt der Roboter eine Weitwinkel-Stereokamera, deren Bilder der Operator mit einer Virtual-Reality-Brille wahrnimmt. Verzögerungen in der Datenübertragung, die beim Bediener zu Übelkeit führen können, werden durch die Methode des spherical rendering ausgeglichen. Obwohl das Gesicht des Operators durch die VR-Brille weitgehend verdeckt ist, kann dessen Interaktionspartner ihn auf dem Monitor des Roboters trotzdem vollständig erkennen: Zwei Kameras innerhalb der Brille und eine weitere außerhalb registrieren die Mimik. Diese Daten werden mit zuvor getätigten Aufnahmen des Gesichts zu einer Echtzeit-Animation kombiniert.

Was für Problemstellungen im Finale zu bewältigen sein werden, sei noch nicht bekannt, sagt Behnke. Er erwartet zahlreichere und komplexere Aufgaben, bei denen auch die Mobilität eine größere Rolle spielen dürfte. Auch mit Überraschungen müsse stets gerechnet werden: "Fürs Halbfinale war uns gesagt worden, dass der Roboter 100 Zentimeter breit sein dürfe. Die Tür, durch die er fahren sollte, maß dann aber nur 82 Zentimeter."

(mho)