Windows XP: Kaum totzukriegendes Betriebssystem feiert 20. Geburtstag

Am 25. Oktober 2001 hat Microsoft das auf einem NT-Kernel basierende Windows XP freigegeben. Wir blicken (zurück) auf dieses außergewöhnliche Betriebssystem.

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Auch nach 20 Jahren noch auf manchen Systemen präsent: Windows XP, hier allerdings sicher verpackt in einer virtuellen Maschine.

(Bild: Screenshot / heise online)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Günter Born
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Derzeit bemüht sich Microsoft, sein neues Windows 11 mit ziemlich ambitionierten Hardware-Anforderungen an die Nutzerschaft zu bringen .Vor genau 20 Jahren, am 25. Oktober 2001, wurde ebenfalls eine neue Version von Microsofts Betriebssystem Windows herausgegeben: Windows XP ("eXPerience").

Die damalige Ausgangssituation in der IT war eine ganz andere als heute: Während in Unternehmen entweder Windows NT oder dessen Nachfolger Windows 2000 eingesetzt wurde, taten auf den Rechnern von Privatnutzern meist noch Windows 98 oder Windows ME mit ihren DOS-Unterbauten ihren Dienst – und meldeten sich auch mal mit den berühmt-berüchtigten Bluescreens ab. Das zum Jahrtausendwechsel angekündigte "Jahr-2000-Problem" war indes lange ausgestanden und die IT-Welt nicht wie befürchtet untergegangen. Höchste Zeit für einen Win 2000-Nachfolger, fand Microsoft.

Wir werfen einen Blick auf die bewegte Geschichte von Windows XP, das sich nach einem etwas holprigen Start großer Beliebtheit erfreute und auch noch zwei Jahrzehnte später kaum totzukriegen ist.

Windows XP (9 Bilder)

Bei modernen Windows-Versionen kopiert das Setup-Programm einfach ein Image auf die Festplatte. Bei XP war das alles noch weit umständlicher und mit viel mehr Mausklicks verbunden.

Ursprünglich war XP in zwei Varianten geplant. Einerseits sollte im Projekt "Neptune" der Nachfolger von Windows Millennium auf die Architektur von Windows 2000 gehoben werden. Für die Firmenwelt hatte das Microsoft-Management andererseits das Projekt "Odyssey" ins Leben gerufen, um den Nachfolger von Windows 2000 zu entwickeln.

Das Licht der Öffentlichkeit erblickten die geplanten Produkte in dieser Form aber nie. Vielmehr fiel im Januar 2000 der Entschluss, die Entwicklung der beiden Projekte zusammenzulegen. Das Resultat, das Microsoft unter dem Codenamen "Whistler" führte, wurde im April 2000 auf der WinHEC-Konferenz angekündigt. Im Juli 2000 kündigte das Unternehmen als Erscheinungsdatum für das neue Windows die zweite Jahreshälfte 2001 an.

Ab Oktober 2000 kamen erste Beta-Versionen von Whistler heraus, wobei Microsoft bis zum Erscheinen des Betriebssystems noch einige Änderungen vornahm. So wurde erst im Februar 2001 die Benutzeroberfläche "Luna" für das neue Betriebssystem eingeführt. Speziell die bunte Gestaltung der Luna-Benutzeroberfläche brachte Microsoft viel Kritik ein: Von einer an die Kindersendung "Teletubbies" angelehnten Optik war die Rede. Microsoft nahm aber bis zur Fertigstellung dennoch nur wenige Änderungen an dieser Oberfläche vor. Weitere Kritikpunkte waren seinerzeit auch der Verzicht auf die Unterstützung für USB 2.0 sowie die erstmals eingeführte Produktaktivierung.

Am 25. Oktober 2001 war es dann soweit: Windows XP wurde in den Versionen Windows XP Home Edition für Konsumenten und Windows XP Professional für Firmenumgebungen weltweit freigegeben. Die damaligen Mindest-Hardware-Anforderungen wie 64 MByte RAM oder 1,5 GByte freier Festplattenspeicher muten aus heutiger Sicht (und vor allem auch mit Blick auf das aktuelle Windows 11) wie aus einer anderen Welt an.

Auch wenn in der Praxis 256 oder 512 MByte RAM für ein zügiges Arbeiten erforderlich waren, kam Windows XP mit – aus heutiger Sicht – erstaunlich wenig Ressourcen aus. Damals hingegen gab es allerdings harsche Kritik dafür, dass dieses neue Windows XP gigantische 2 GByte Festplattenspeicher verschlingen würde.

Positiv aufgenommen wurde hingegen, dass die Umsteiger von Windows 9.x nun die Möglichkeit hatten, Konten wahlweise als Standardbenutzer oder als Administrator einzustufen. Und mit dem von XP unterstützten NTFS-Dateisystem ließen sich Zugriffsberechtigungen auf Dateien und Ordner festlegen. Allerdings war genau diese letztgenannte Funktion bei der Windows XP Home Edition aus Marketinggründen deaktiviert worden und der Professional-Version vorbehalten. Zwar hatte Microsoft für Windows XP Home Edition und Professional denselben Code verwendet, einige Funktionen wie die Benutzerverwaltung in der Computerverwaltung, die Anpassung von Dateiberechtigungen auf NTFS-Ebene oder die Verschlüsselung von Dateien per EFS in der Home Edition jedoch deaktiviert. Später machten allerdings Tricks die Runde, um die Windows XP Home Edition mittels Anpassungen in der Registry der Professional-Edition anzugleichen.

Ein Problem war die in Windows XP standardmäßig deaktivierte Firewall. Dies führte dazu, dass frisch mit Windows XP aufgesetzte Betriebssysteme binnen Minuten über eine Internetverbindung mit Schadcode infiziert werden konnten. Das wurde erst mit dem später eingeführten Service Pack 2 geändert und das System bereits bei der Installation per Firewall gegenüber dem Internet abgeschottet.

In Bezug auf Windows XP kam bald auch der Vorwurf auf, dass im Betriebssystem Spionagefunktionen enthalten seien. Bewiesen wurde dies niemals, aber Tools wie das kostenlos erhältliche "XP-AntiSpy", die Betriebssystemeinstellungen mit dem Ziel änderten, den Datenschutz zu verbessern, waren recht populär. Nicht wenige Home-Anwender ruinierten sich ihre Systeme mit solchen Tools, da diese wichtige Funktionen wie etwa Windows Updates oder die Zeitsynchronisation gleich mit deaktivierten.

Trotz der genannten und weiterer Kritikpunkte trat Windows XP einen beachtlichen Siegeszug bei privaten Anwendern und in Unternehmen an. Der Autor dieses Beitrags erinnert sich selbst noch, wie er damals über die Bonbon-bunte Benutzeroberfläche fluchte – und wie dennoch kurz nach dem Erscheinen von XP alle vorhandenen Rechner in seiner Umgebung auf das neue Betriebssystem umgestellt wurden.

Nach der Erstveröffentlichung brachte Microsoft weitere Varianten von Windows XP wie die (erfolglose) Tablet PC Edition oder die Media Center Edition heraus. Auf Druck der Regulierungsbehörden gab es zudem die N- und KN-Editionen in Europa und Korea, bei denen der Media Player und diverse Medienfunktionen entfernt worden waren. Die breite Masse der Anwender war aber mit Windows XP Home Edition oder Professional unterwegs.

Waren für Windows XP im Jahr 2001 nur fünf Jahre Support mit einer Verlängerung für zwei weitere Jahre nach Freigabe des Nachfolgers geplant, musste Microsoft dies bald wieder kassieren. Denn der Nachfolger Windows Vista verspätete sich gravierend und die Nutzerschaft verweigerte den Umstieg auf dieses Betriebssystem. Erst die Einführung von Windows 7 am 22. Oktober 2009 änderte dies, so dass Microsoft schließlich den Supportzeitraum für alle Versionen von Windows XP auf den 8. April 2014 verlängerte.

Aber auch nach diesem Ablaufdatum blieb Windows XP auf vielen Systemen im Einsatz. Im September 2021 läuft Windows XP laut netmarketshare.com noch auf 0,26 Prozent aller Desktop-Rechner. Nicht erfasst dürften in diesen Zahlen die zahllosen Rechner mit Windows XP sein, die in Aufzug- oder Maschinensteuerungen, Geld- und Ticket-Automaten oder Anzeigetafeln ihren Dienst tun. 2020 wurde bekannt, dass die Aufzugssteuerungen am neuen Berliner Flughaften BER noch mit dem etwas länger mit Sicherheitsupdate unterstützten Windows XP Embedded laufen. Auch bei der britischen Marine ist Windows XP nach wie vor in U-Booten im Einsatz. Im Jahr 2020 wurde der Quellcode von Windows XP von Unbekannten geleakt.

Unterm Strich erwies sich Windows XP im Hinblick auf seine Verbreitung als grandioser Erfolg für Microsoft. Am Ende des Tages wurde das Unternehmen aber zum Opfer des eigenen Erfolgs. Denn die zahlreichen, noch mit Windows XP laufenden und am Internet hängenden Systeme stellen ein Sicherheitsrisiko par excellence dar, dass sogar ungeplante Nachbesserungen über den Supportzeitraum hinaus erfordert(e). Im Jahr 2017 sah sich Microsoft gezwungen, einen Sicherheitspatch für Windows XP und Windows Vista freizugeben, um Angriffe abzuwehren, die denen der Ransomware WannaCry ähnelten. Bei WannaCry wiederum hatte lediglich der Umstand, dass Windows XP zu instabil für den Schädling war und BlueScreens auslöste, eine größere Verbreitung durch Rechner mit diesem veralteten Betriebssystem verhindert.

Update 25.10.21, 10:52 + 12:30: "Start me up" wurde natürlich als Song zur Werbekampagne für Windows 95 verwendet. Vielen Dank für den Leserhinweis; wir haben den Abschnitt korrigiert. / Zweite Korrektur: Supportzeitraum Windows XP angepasst. (ovw)