c't 3003: Das Metaverse ist Mist (zumindest das, was Facebook bauen will)

Facebook heißt jetzt Meta, weil es das Metaverse, den Nachfolger des Internets bauen will. c't 3003 klärt, was daran problematisch ist.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen

Was ist das Metaverse und warum hat sich Facebook danach benannt? c't 3003 klärt auf.


Transkript des Videos:

Das Metaversum, das Metaverse: Könnt ihr es noch hören? Oder hängt euch dieser Hype-Begriff schon zum Hals raus? Ja, seit sich der Facebook-Mutterkonzern in Meta umbenannt hat, entkommt man dem Wort nicht mehr, an jeder Ecke gibt’s Metaverse-Palaver. Und jetzt auch von mir. Aber ich muss wirklich dringend was dazu sagen, denn das Metaverse ist seit ich denken kann ein Traum von mir. Und jetzt macht Mark Zuckerberg alles kaputt.

ls ich Anfang der 90er-Jahre als ziemlich kleiner Junge auf der CeBIT mein erstes Virtual-Reality-Headset aufgesetzt habe, war die Sache für mich klar: Das ist ja wohl das allgeilste seit Erfindung des tiefen Tellers! Also nicht das, was ich da konkret gesehen habe, das war ziemlich schrottig, irgendwelche untexturierten Polygon-Modelle. Aber die Idee, langfristig gesehen: Dass man nicht auf einen doofen Monitor guckt, sondern wirklich drin ist in einer Welt, in der keine Naturgesetze gelten, sondern wo man alle Regeln selbst bestimmen kann. Wo man alles erleben kann, was die Fantasie so hergibt. Wo man fliegen kann, wo man mit einer Handbewegung ganze Städte erschaffen kann, wo man Musik sehen kann.

Seit mir 2013 auf der CES in Las Vegas der Oculus-Grüner Palmer Luckey einen vor allem aus Klebeband bestehenden Prototypen auf den Kopf gesetzt habe, hat mich das Thema nicht mehr losgelassen. Ich weiß gar nicht, wie viele unterschiedliche Headsets ich im Laufe der Jahre bei c’t getestet habe. Es waren auf alle Fälle viele.

Und die Software wurde auch immer besser. Wer Half-Life: Alyx oder Beat Saber nicht zumindest mal ausprobiert hat, hat wirklich etwas verpasst. Aber klar: Die VR-Headsets sind immer noch viel zu klobig, schwer und nervig in der Handhabung. Deshalb ist VR immer noch kein wirkliches Massending.

Und jetzt kommt auf einmal Facebook um die Ecke und benennt sich in Meta um und sagt, sie wollen das Metaverse in VR aufbauen. Angekündigt wird das Ganze auf der jährlichen Virtual-Reality-Hauskonferenz, die damals von Oculus gestartet wurde. (Facebook hat Oculus 2014 gekauft.) Nur mal so für den Hinterkopf, wie ungewöhnlich das ist: Meta verdient sein Geld nämlich nach wie nahezu komplett mit Werbung auf seinen Social-Media-Plattformen Facebook und Instagram. Was da bislang über die VR-Schiene reinkommt, sind Peanuts. Deshalb ist der Move erstmal mutig: Das komplette Unternehmen wird auf das Metaverse ausgerichtet, obwohl damit noch fast kein Geld verdient wird. Ungefähr viereinhalb Millionen Quest-2-Headsets hat Facebook verkauft, das ist natürlich schon ganz schön ok, aber noch weit von einem Massenprodukt entfernt. Zum Vergleich: Weltweit werden pro Jahr 1,5 Milliarden Smartphones vertickt, insgesamt hat Sony weit über 100 Millionen PS4s verkauft.

Aber Facebook, Verzeihung Meta, glaubt fest dran und steckt viele, viele Milliarden Dollar in die Entwicklung. Das ist natürlich erstmal gut für VR. Das viele Geld hat aber auch dazu geführt, dass die autarken Quest-Headsets quasi das Monopol bei VR ohne PC haben. Bei Headsets, die man mit PCs koppeln muss, gibt es glücklicherweise ein bisschen Konkurrenz, da tummeln sich mit Valve, HTC, Pimax und Varjo einige Player auf dem Markt. Aber die Verkaufszahlen sind auch viiiiel kleiner, und den Grund dafür sehe ich bei mir selbst: Obwohl ich einen schnellen Gaming-PC habe, nutze ich vor allem meine Quest 2, einfach weil das PC-Gefrickel wegfällt und ich das Ding einfach aufsetzen kann und eine Runde Beat Saber spielen kann – auch wenn die Grafik schlechter ist als bei PC-VR. Aber es reicht aus. Die Quest 2 ist definitiv das Headset, das ich am regelmäßigsten und am liebsten nutze; das muss ich Facebook Schrägstrich Meta lassen. Dafür nehme ich zähneknirschend in Kauf, das ich zwingend meinen Facebook-Account mit dem Headset koppeln muss und Meta meine Daten sammelt. Und das Meta ein Konzern ist, der ziemlich viele fragwürdige Dinge tut.

Aber das Metaverse, das ist eine Nummer härter als ein einzelnes Headset. Als Mark Zuckerberg die Umbenennung angekündigt hat, hat er ganz klar gesagt, dass er das Metaversum als Nachfolger des Internets sieht, als THE NEXT PLATFORM. Das mag jetzt erstmal weit hergeholt sein, aber das ergibt definitiv Sinn. Stellt euch das mal vor: Ihr habt einen Avatar, den ihr euch selbst gestalten könnt. Mit super Klamotten und einem lustigen Hut auf, wenn ihr wollt, könnt ihr auch ein Oktopus sein. Und mit diesem Avatar trefft ihr während der Arbeit eure Kollegen in einem virtuellen Konferenzraum. Der kann aber je nach Anlass auf einem hunderte Meter hohen Wolkenkratzer sein, in einem Wasserfall, auf einer einsamen Insel. Und mit dem gleichen Avatar fliegt ihr mit eurem selbstgestalteten Raumschiff auf den GTA-Planeten, parkt das Teil, steigt in Auto um und fahrt ein bisschen durch Los Santos. Später habt ihr Bock auf ein bisschen Weltraum: Dann fliegt ihr einfach in eine perfekt realistisch nachgebildetete ISS-Raumstation und hängt mit Freunden in der Schwerelosigkeit rum.

Ihr sagt jetzt, meh, hat man dazu wirklich Lust, immer in so virtuellen Welten zu sein? Aber tatsächlich zeigen ja Spiele wie Fortnite und Roblox, wie viele Leute extrem viel Zeit in eben solchen künstlichen Welten verbringen. Das sind ja längst nicht mehr einfach Spiele, sondern das sind Orte, an denen auch Konzerte und sowas stattfinden, so Ariana Grande und so.

Und Fortnite und Roblox, das scheinen mir auch die Auslöser des Metaverse-Hypes zu sein. Denn: Da wird extrem viel Geld verdient. Mit kosmetischen Items. Klar, wenn man da viel rumhängt, will man auch cool aussehen. Und dann zahlt man eben Geld für einen lustigen Hut oder irgendwelche coolen Moves. Und während die Entwicklung von immer neuen Spielen super teuer ist, ist der Verkauf von irgendwelchen Items in der Entwicklung billig. Man muss es ja nicht einmal selbst machen, sondern lässt die Community das Zeug erstellen und kassiert dann bei jedem Verkauf eine prozentuale Beteiligung, weil einem ja die Plattform gehört.

Und das ist der Ansatz des Meta-Metaverses: Steht so ein Metaverse erstmal und wird von vielen Menschen verwendet, ist das eine Gelddruck-Maschine. Bislang hat Meta aber noch nicht mal ansatzweise ein Metaversum, bislang ist das alles nur heiße Luft und man muss auch sagen, dass die ersten Renderings, die man in der Ankündigung gesehen hat – naja, die sahen halt genauso langweilig aus, wie man es von einem Riesenkonzern erwartet, also ein bisschen so, als hätte sich der Kinderkanal mit einer Unternehmensberatung zusammengetan. Die konkreten Produkte, die es bislang gibt sind Horizon Home, Horizon Worlds und Horizon Worksrooms. Horizon Home ist wie das alte Playstation Home, da kann man sich halt so baukastenmäßig seine Homebase bauen, meh. Horizon Worlds ist so ein bisschen ein Roblox-Abklatsch, das konnte ich aber bislang noch nicht ausprobieren. Und Horizon Workrooms ist ein virtueller Konferenzraum, ziemlich unbeeindruckend. Und auch in der Fantasie von Meta, ist das halt alles ein großes Einkaufszentrum. Hier zum Beispiel wird gezeigt, wie zwei Freundinnen zu einem Konzert gehen – und auf der Aftershow-Party natürlich Merchandise einkaufen, vielleicht sogar als NFT, also noch ein bisschen Blockchain-CO2 in die Atmosphäre blasen, geil.

Mich spricht das alles zumindest nicht an – für mich ist das Metaverse ein Ort, der wirklich beeindruckend ist, fantasievoll, vielleicht ein bisschen gefährlich. Und nicht so generisches Cartoonzeugs. Noch absurder ist ja, dass Microsoft nach der Meta-Ankündigung auch gleich den Sprung ins Metaverse angekündigt hat, und zwar dem CORPORATE METAVERSE als Add-on für Microsoft Teams namens MESH. Tatsächlich zusammen mit der Unternehmensberatung Accenture; also puh, das ist jetzt nicht das, was ich als 13-jJhriger vor meinem inneren Auge hatte, als ich das erste Mal VR ausprobiert habe.

Also zusammengefasst: Das Metaverse wird kommen, davon bin ich überzeugt, dafür ist die Idee einfach zu geil; oder glaubt ihr wirklich, das wir in 20 Jahren immer noch mit Maus oder Touchscreen in 2D mit dem Internet interagieren? Ob in VR, oder AR oder mit Gehirnschnittstelle, keine Ahnung. Und das echte Metaverse wird anders als in dystopischer Science-Fiction wie Matrix oder Snow Crash (daher kommt übrigens der Begriff Metaverse, ist ein gutes Buch, aber man merkt schon stark, dass das von 1992 ist). Ein schönes Metaversum wird in Ready Player One beschrieben, da gefällt mir übrigens das Buch besser als der Film. Aber wie das Metaversum wirklich aussehen wird, weiß aktuell niemand, das wird auch noch einige Jahre dauern. Aber wir sollten definitiv darüber nachdenken, wie wir es haben wollen – soll es wirklich ein würdiger Nachfolger des Internets sein, muss es dezentral und offen organisiert seien. Wir sollten auf keinen Fall zulassen, dass eine einzelne Firma die Obhut darüber hat. Auch wenn sie gute VR-Headsets baut. Tschüß.


c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t magazin. Redakteur Jan-Keno Janssen und die Video-Producer Johannes Börnsen und Şahin Erengil veröffentlichen jede Woche ein Video.

(jkj)