Ampel-Koalition: Da hilft nur noch kiffen

Was tun? Das meinte Lenin sicher nicht. Foto: Peggy_Marco auf Pixabay (Public Domain)

SPD, Grüne FDP wollen Cannabis wohl nicht ganz ohne Hintergedanken legalisieren. Rauschmittel jeglicher Art machen kurzfristig jede Politik erträglicher

Überfällig ist dieser Schritt nicht nur aus der Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten, sondern auch nach Meinung pragmatischer Juristen und Polizeibeamter, die entlastet werden wollen, um sich auf die Verfolgung schwerwiegender Straftaten zu konzentrieren: Die "Ampel"-Parteien haben sich in ihren Koalitionsverhandlungen auf die Legalisierung des Verkaufs und Konsums von Cannabis geeinigt.

"Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein", heißt es laut einem Bericht der Funke Mediengruppe im Ergebnispapier der Arbeitsgruppe "Gesundheit und Pflege" der Verhandlerinnen und Verhandler von SPD, Grünen und FDP.

Zugleich wollen die Parteien die Regelungen für Marketing und Sponsoring bei Alkohol und Nikotin verschärfen. Gleiche Standards sollen dann auch für Cannabis gelten. "Wir messen Regelungen immer wieder an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und richten daran Maßnahmen zum Gesundheitsschutz aus", wird aus dem Papier zitiert.

"Liebe Menschen, ich glaube, mein Lebensziel ist fast erreicht. Freiheit und Gerechtigkeit siegen", frohlockte der kritische Bernauer Jugendrichter Andreas Müller auf Twitter, als die Nachricht am Donnerstagabend bekannt wurde.

Müller engagiert sich seit Jahren im internationalen Netzwerk "Gesetzeshüter gegen Prohibition" für die Legalisierung. Auch Polizeibeamte sind dort Mitglied, die großen Polizeigewerkschaften GdP und DPolG haben sich allerdings bis zuletzt gegen die Entkriminalisierung ausgesprochen.

Jugendrichter Müller fordert dagegen den sofortigen Stopp aller einschlägigen Strafverfahren und eine zügige Rehabilitierung von Menschen, die im Zusammenhang mit Cannabis-Konsum verurteilt wurden.

Kein Grund zur Euphorie

Nicht alle, die grundsätzlich die Legalisierung begrüßen, sind aber deshalb ganz so euphorisch wie Müller. Auch die Grüne Jugend hatte diesen Schritt lange gefordert. Deren Ko-Sprecher Timon Dzienus hatte aber bei ihrem letzten Bundeskongress mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen klargestellt: "Wir werden den Kampf für eine gerechtere Welt nicht fürs Kiffen verramschen, liebe FDP!"

Kurz darauf hatten Dzienus und Sarah-Lee Heinrich als Spitzenduo der Grünen Jugend erklärt, dass die Parteinachwuchsorganisation einer "Ampel" nur zustimmen werde, wenn der Koalitionsvertrag substanzielle Verbesserungen in der Sozial- und Klimapolitik vorsieht. Die Cannabis-Legalisierung sei überfällig, meinte Dzienus am Donnerstagabend. Klar sei aber auch, dass die letzten Verhandlungstage "sehr hart" werden würden.

Zukunftsängste und Widerstandspotenzial

Eines ist klar: Ein Großteil der jungen Generation hat heute andere Sorgen als den nächsten Joint. Die Mehrheit der unter 25-Jährigen findet die Zukunft angesichts der Umwelt- und Klimakrise "beängstigend", wie in diesem Jahr eine internationale Umfrage ergab. 45 Prozent der Befragten gaben an, deshalb in einer Weise beunruhigt zu sein, die es ihnen schwer mache, im Alltag zu "funktionieren". Das kann Depressionen verursachen, weist aber auch auf ein Widerstandspotenzial hin.

Die Politik der neuen Bundesregierung wird ihnen aller Voraussicht weiter Anlass zur Sorge geben. Sie werden nur eine weitere legale Möglichkeit haben, sich davon abzulenken und zu betäuben. Das spricht nicht gegen die Legalisierung. Aber es spricht gegen allzu große Euphorie, gegen unreflektierten Konsum und gegen allzu große Dankbarkeit gegenüber den "Ampel"-Parteien, die sich dabei alle ihren Teil gedacht haben. Denn Rauschmittel jeglicher Art machen kurzfristig jede Politik erträglicher.

Teile der antikapitalistischen Linken sehen Drogenkonsum daher sogar als "Feind im politischen Kampf". Der Umgang mit Drogen sei "in revolutionären Bewegungen außerhalb der Komfortzone" ein anderer als in der linksalternativen Szene Deutschlands, schrieb 2016 ein Autor des Lower Class Magazins.

Aber vielleicht liegt auch eine Chance darin, dass der gute alte Joint mit der Legalisierung offiziell bei der Jungen Union ankommt und damit endgültig seine rebellische Attitüde verliert.

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