NASA-Sonde Parker Solar Probe passiert die Sonne so nah wie nie

Erneut hat die bislang modernste Sonnensonde unser Zentralgestirn passiert. Dieses Mal erzielt sie damit sogar zwei Rekorde.

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Künstlerischer Entwurf von der sich an die Sonne annähernde Sonde Parker Solar.

(Bild: NASA/Johns Hopkins APL/Steve Gribben)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christian Rauch
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Zwei Rekorde in der Geschichte der Raumfahrt hat die NASA-Sonde Parker Solar Probe an diesem Wochenende aufgestellt. Am 21. November kam sie der Sonne bis auf 8,5 Millionen Kilometer nahe – sieben Mal näher als der innerste Planet Merkur. Mit rund 586.000 Kilometer pro Stunde war die Sonde auch so schnell wie kein anderer menschengemachter Flugkörper.

Bei ihrer Passage durchflog die Sonde die Korona, die Atmosphäre der Sonne, die von der Erde aus bei einer Sonnenfinsternis als leuchtende Hülle sichtbar wird. Dort herrscht eine Temperatur von rund einer Million Grad. "Doch die Korona ist so dünn, dass sie die Sonde nicht aufheizen kann", erklärt Dr. Arik Posner, Programmwissenschaftler bei der NASA. So erwärmte sich das Hitzeschild "nur" auf einige Hundert Grad – Grund ist die starke Strahlung von der Sonnenoberfläche aus.

Bis Daten von dieser jüngsten Sonnenpassage der Parker Solar Probe zur Erde gelangen und ausgewertet werden können, werden viele Monate vergehen. Doch die Sonde hat unser Zentralgestirn seit ihrem Start im Jahr 2018 schon neun Mal passiert und erste Forschungsergebnisse liegen in der Zwischenzeit vor. Sie könnten helfen, ein altes Rätsel zu lösen: Warum ist die Korona, die die Sonde durchflog, so viel heißer als die Oberfläche, die Photosphäre, die so viel näher am Kern der Sonne liegt? Auch fanden die Wissenschaftler heraus, dass der Sonnenwind, ein energiegeladener Teilchenstrom aus Protonen und Elektronen, von der Sonne viel schneller und chaotischer herausgeschleudert wird als erwartet.

Herauszufinden, wie der Sonnenwind sich dann durch das Sonnensystem bewegt, hat praktischen Nutzen. Denn wenn er die Erde erreicht, interagiert er mit dem irdischen Magnetfeld und erzeugt – wie jüngst im Oktober – eindrucksvolle Polarlichter. Doch es kann auch zu Störungen bei Funk und Satellitenkommunikation, in extremen Fällen sogar bei Computerfunktionen auf der Erde und in der Stromversorgung kommen. Der Astrophysiker Eugene Newman Parker hatte den Sonnenwind 1959 erstmals theoretisch erklärt. Heute verfolgt der mittlerweile 94-jährige die nach ihm benannte Mission. Über die ersten Entdeckungen äußerte er sich Ende 2019 mit den Worten: "Wow! Aber ich bin nicht erstaunt, wie überraschend die Daten sind. So ist es, wenn man bis dorthin fliegt und Messungen macht."

Raumfahrttechnisch verläuft die Mission auf Flugbahnen mit einzigartigen Manövern – ganz anders als bei Sonden wie Voyager oder New Horizons, die von der Sonne weg in das äußere Sonnensystem geschickt wurden. Gestartet war die 685 Kilogramm schwere Parker Solar Probe am 12. August 2018 auf einer der gegenwärtig stärksten Trägerraketen Delta IV Heavy. Eine zusätzliche Kickstufe beschleunigte die Sonde so stark, dass sie dem Schwerefeld der Erde entkam. Dann baute die Parker Solar Probe Geschwindigkeit ab und flog im Oktober an der Venus vorbei. Der innere Nachbarplanet der Erde verlangsamte den Flug durch sein Schwerfeld weiter und Parker konnte durch das Schwerefeld der Sonne angezogen werden. Sie kam der Sonne näher und wurde dadurch wieder schneller. Am 7. November 2018 erfolgte die erste nahe Sonnenpassage: mit 343.000 Kilometern pro Stunde in 24 Millionen Kilometern Entfernung. Der Rekord der Helios-Sonnensonden aus dem Jahr 1976 war damit gebrochen.

Bis heute flog die Sonde weitere Male an der Sonne vorbei. Und die Rekorde purzelten. Ende Januar 2020 war sie weniger als 19 Millionen Kilometer nahe, die Geschwindigkeit stieg auf 392.000 Kilometer pro Stunde. Ende April 2021 dann nur mehr 11 Millionen Kilometer und fast 532.000 Kilometer pro Stunde. Die 8,5 Millionen Kilometer von diesem Wochenende und rund 586.000 Kilometer pro Stunde bilden den vorläufigen Höhepunkt. Doch bis Ende 2024 wollen die Ingenieure die Parker Solar Probe noch ein Stück näher an die Sonne heran bringen. Bis auf sechs Millionen Kilometer, wobei die Sonde dann fast 700.000 Kilometer pro Stunde schnell wäre – Hamburg-Berlin in 1,5 Sekunden.

Auch an der Venus ist Parker Solar Probe mittlerweile mehrfach vorbeigeflogen. Die Passagen an unserem inneren Nachbarplaneten helfen, die Flugbahnen immer näher an die Sonne heranzurücken. Doch dabei kann die NASA-Sonde auch forschen: Einmal flog sie an der Venus in nur 800 Kilometern Entfernung vorbei und durchquerte die Ionosphäre. Dabei gelangen Messungen, die mit jenen der Sonde Pioneer Venus Orbiter aus dem Jahr 1992 verglichen wurden und Aufschluss geben über die langjährigen periodischen Veränderungen in der Venusionosphäre, die mit der Sonnenaktivität zusammenhängen.

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Die Spezialkamera WISPR, die für die Sonnenpassage mit besonders strahlungsresistentem Objektivglas und Fotodetektoren ausgestattet ist, konnte außerdem eindrucksvolle Bilder der Venusatmosphäre machen. Auf ihnen sind sogar Oberflächenstrukturen unter der dicken Wolkenhülle erkennbar, sowie Nachtlicht am äußeren Rand der Planetenscheibe, das von Sauerstoffatomen in der oberen Atmosphäre erzeugt wird. Und auch ein Komet flog der Raumsonde vor die Linse: NEOWISE war erst im März 2020 von der Erde aus entdeckt worden. Und als der Komet Anfang Juli der Sonne besonders nahe war und einen hellen Zwillingsschweif ausstieß, schoss Parker Solar Probe ein spektakuläres Foto. Zwei Wochen später passierte der Komet die Erde und wurde von Profi- und Amateurastronomen begeistert beobachtet.

Die Wissenschaftler aus dem Parker Solar Probe-Team sind, während sie regelmäßig neue Daten empfangen und aufbereiten, gespannt auf das, was man in den nächsten Jahren herausfinden wird. Und manche Forschungsergebnisse könnten weit über unser Sonnensystem hinausgehen. "Ein umfassenderes Verständnis unserer Sonne kann uns helfen, andere Sterne besser zu verstehen und die Bedingungen, die herrschen müssen, damit auf ihren Exoplaneten Leben entstehen kann", so Arik Posner.

Update, 25.11.2021, 12 Uhr: Inzwischen hat Posner nach der erfolgten Sonnenpassage ein "grünes" Signal der Parker Solar Probe bestätigt. "Alles ist ok – auch nach diesem Rekord-Vorbeiflug", antwortete er in einer E-Mail an MIT Technology Review.

(jle)