Himmelsatlas Gaia: Satellitengalaxien der Milchstraße sind gar keine Satelliten

Dutzende Zwerggalaxien in der Nachbarschaft der Milchstraße umkreisen die gar nicht. Das hat Auswirkungen auf Annahmen zur Dunklen Materie.

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Zwerggalaxien bei der Milchstraße

(Bild: ESA/Gaia/DPAC, CC BY-SA 3.0 IGO)

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Dutzende Zwerggalaxien, die als Satelliten unserer Milchstraße galten, begleiten diese gar nicht seit Milliarden Jahren, sondern sind regelrechte Neuankömmlinge. Das legt der jüngste Datensatz des gigantischen Himmelsatlas nahe, den das ESA-Weltraumteleskop Gaia seit Jahren mit immer größerer Präzision erstellt. Wie die Europäische Weltraumagentur erläutert, hat eine Gruppe um François Hammer vom Observatorium Paris die Bewegungen von 40 Zwerggalaxien ausgewertet, die als Satelliten der Milchstraße galten. Dafür bewegen die sich aber viel zu schnell, erläutert das Team nun. Für die Mehrzahl von ihnen folge daraus, dass sie sich nicht in einer Umlaufbahn um die Milchstraße befinden. Das ändere unser gesamtes Bild der Nachbarschaft unserer Heimatgalaxie.

Zwar sei man bisher davon ausgegangen, dass die untersuchten Zwerggalaxien die Milchstraße umkreisen, dafür müssten sie aber massereicher sein, als es den Anschein hat. Denn die Milchstraße ist so groß und massereich, dass sich nähernde Zwerggalaxien zumeist schon nach ein zwei Umläufen zerreißen müsste. Um ihren scheinbaren Orbit zu erklären, sei bislang angenommen worden, dass die Zwerggalaxien von Dunkler Materie dominiert wird, die sie massereicher macht. Wenn sie aber gar nicht von der Milchstraße eingefangen wurden, sondern mit viel zu hoher Geschwindigkeit unterwegs sind, könnte zur Erklärung ihrer Bahn überhaupt keine Dunkle Materie nötig sein, meint das Forschungsteam. Sie stellen ihre Arbeit im Astrophysical Journal vor.

Welches Schicksal den so erforschten Zwerggalaxien einmal droht, können die Forscher und Forscherinnen nicht im Detail vorhersagen. Dazu müssten wir unter anderem die Masse der Milchstraße deutlich genauer wissen, als das bislang der Fall ist. Unsere Heimatgalaxie hatte vor acht bis zehn Milliarden Jahren bereits eine Zwerggalaxie namens Gaia-Enceladus verschluckt, deren Sterne können in Gaia-Daten identifiziert werden. Die Zwerggalaxie Sagittarus wurde erst vor vier bis fünf Milliarden Jahren eingefangen und würde gerade assimiliert, schreiben Forscher und Forscherinnen noch. Einigen der nun erforschten Zwerggalaxien werde es ähnlich ergehen, andere würden zu Satelliten und wieder andere einfach an der Milchstraße vorbeigleiten.

Mit der Enthüllung, dass die Milchstraße deutlich weniger Satelliten hat als angenommen, stellt das bahnbrechende Weltraumteleskop Gaia einmal mehr seine Leistungsfähigkeit unter Beweis. Grundlage der Entdeckung ist der vor einem Jahr veröffentlichte Gaia Early Data Release 3 (EDR3), der mit Abstand präziseste Atlas der Milchstraße und darüber hinaus. Er enthält Messwerte zu mehr als 1,8 Milliarden Himmelskörpern. Gaia war 2013 gestartet und lichtet mit einer Gigapixelkamera kontinuierlich den Sternenhimmel ab. Mittels der Parallaxenmessung kann es auf seinem Weg um die Sonne die Position unzähliger Sterne und im Lauf der Zeit auch deren relative Bewegung genau bestimmen. Dabei gilt, je länger die Mission andauert, desto genauer die Daten.

(mho)