FAQ LoRaWAN: Intelligente Sensor-Vernetzung über kleine und große Funkstrecken

Funksensoren für Industrieanlagen müssen keine großen Datenmengen verschicken. Wichtiger sind robuste Übertragung und große Reichweiten – beides bietet LoRaWAN.

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(Bild: Anterovium/Shutterstock.com)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Jan Mahn
  • Andrijan Möcker
Inhaltsverzeichnis

Funksensoren für Industrieanlagen und vernetzte Städte müssen keine großen Datenmengen verschicken. Wichtiger sind robuste Datenübertragung und große Reichweiten – beides hat LoRaWAN zu bieten. Doch was ist das überhaupt?

Was ist LoRaWAN überhaupt, was hat es mit Lo Ra, also großer Reichweite auf sich?

LoRaWAN ist die Abkürzung für "Long Range Wide Area Network" (wird alternativ auch mit "Low Radiation" übersetzt) und sie besteht aus zwei Teilen: Grundlage ist das leitungslose Übertragungsverfahren LoRa, mit dem man kleine Datenpakete (bis zu 256 Byte) über große Entfernungen transportieren kann. Der funktechnische Trick für große Reichweiten: LoRa als physische Schicht besteht aus einem schmalbandigen Träger, der in einem vergleichsweise breiten Kanal auf- oder abbewegt wird. Diese "Chirps" genannten Übertragungen sind gut im allgemeinen Rauschen erkennbar und somit sehr robust gegenüber Störungen. Der Zweck von LoRa ist also, schmalbandig mit geringer Datenrate, aber hoher Reichweite zu senden statt breitbandig und schnell, wie etwa bei WLAN. LoRa ist damit ideal, um Nutzlasten von wenigen Byte zu übertragen; etwa Stromzählerdaten, Temperaturmesswerte oder GPS-Koordinaten von Trackern.

LoRa spezifiziert jedoch nur die Modulation und deren Parameter. Netzstruktur, Adressierung, Verschlüsselung und Kanalvorgaben kommen mit LoRaWAN dazu: Die Spezifikation legt fest, wie Empfänger (sogenannte Gateways) die eingesammelten Datenpakete an zentrale Server weitergeben, die sie auswerten. Die Gateways sind dafür über IP-Netzwerke (meist das Internet) verbunden. Mehr zu den Grundlagen von LoRa und LoRaWAN haben wir für SIe zusammengefasst.

Was haben LoRa und LoRaWAN mit Smart Cities zu tun?

Für vernetzte Städte, Smart Cities, kann man LoRaWAN-Sensoren gut einsetzen. Das prototypische Beispiel: Eine Stadtverwaltung installiert auf allen öffentlichen Parkplätzen Sensoren, die erkennen, ob darauf Autos stehen. Die Geräte funken an ein LoRaWAN, die Informationen landen auf einem Server, der die Daten sammelt. Für parkwillige Bürger und Besucher gibt es eine App, die freie Stellplätze anzeigt – so sparen sie sich das Umherkurven.

Eine andere Idee, falls Sie in einer Stadtverwaltung arbeiten und demnächst ein Smart-Cities-Förderprogramm abrufen wollen: öffentliche Mülleimer mit Füllstandssensor, die per LoRaWAN gezielte Leerungen in Auftrag geben. Die Kunst solcher Projekte ist weniger das Funken der Daten, sondern vielmehr die Auswertung.


Warum sollte ich LoRaWAN verwenden, wenn ich auch einfach günstige IoT-SIM-Karten kaufen oder WLAN verwenden kann?

Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten: Ob sich LoRaWAN für Sie rechnet, hängt stark von der Anwendung, der Anzahl der Geräte, der benötigten Reichweite und den Standorten ab, die Sie für Gateways nutzen können.

Unabhängig vom Preis kann LoRaWAN selbst für private Smart-Home-Bastler interessant sein: LoRaWAN-Geräte besitzen in der Regel eine ausführliche Dokumentation der Nutzlast und wegen offener Schnittstellen (wie MQTT und HTTP-API) an LoRaWAN-Servern fällt es leicht, Daten in beliebigen offenen Smart-Home-Zentralen zu nutzen – ganz herstellerunabhängig. Indoor-Basisstationen gibt es ab rund 100 Euro; stellt man eine am Fenster im Obergeschoss auf, sind erfahrungsgemäß einige Hundert Meter Nachbarschaft abgedeckt.

Zu Buche schlagen nur die Anschaffungs- und Betriebskosten, aber keine monatlichen Verträge wie bei einem Mobilfunkanbieter. Brauchen Sie mehr Reichweite oder müssen Sie größere Bereiche abdecken – etwa um den Regensensor im fünf Kilometer entfernten Kleingarten zu erreichen –, benötigen Sie wahrscheinlich einen hohen Standort und ein teureres Outdoor-Gateway. Mit anderen IoT-Interessierten ist das schnell vollbracht, ähnlich wie beim WLAN-Vernetzungsprojekt Freifunk. Wer die Zeit für das Organisieren nicht hat, ist mit einem kommerziellen Mobilfunkanbieter (LTE(-M), NB-IoT, GSM) besser bedient.

Ähnliches gilt für die professionelle Nutzung: Wer in einem geografisch begrenzten Bereich viele Geräte mit seinem Netzwerk verbinden muss und gleichzeitig gute Antennenstandorte hat, für den kann sich ein eigenes LoRaWAN rechnen.

Ein Bewegungsmelder als typischer Anwendungsfall für LoRaWAN: Das Gerät muss nur sehr wenig Daten versenden, soll aber möglichst lange mit einer Batterieladung auskommen. Breitbandige Funkstandards wie 802.11 (WLAN) sind dafür wenig geeignet.

Was ist der Unterschied zwischen Sigfox und LoRaWAN?

Sigfox und LoRaWAN nutzen den selben Frequenzbereich (868 MHz) und haben eine ähnliche Aufgabenstellung: kleine Datenpakete (meist von Sensoren) über große Distanzen verschicken. Sigfox ist gleichzeitig ein Funkstandard und ein kommerzieller Netzbetreiber, der aktuell daran arbeitet, allerhand Länder mit Basisstationen auszustatten. Meist positioniert er diese auf Masten neben denen von Mobilfunkanbietern. Die Nutzlast bei der Signalübermittlung darf maximal 12 Byte groß sein, dafür ist der Dienst preislich sehr attraktiv: Zwei Pakete pro Tag kosten 9 Euro im Jahr, 50 rund 11 Euro, 140 etwa 16 Euro. Einige Transportfirmen nutzen Sigfox bereits, um Ware durch ganz Europa zu tracken.

Anders läufts bei LoRaWAN. Da gibt es nicht den einen Netzbetreiber, wohl aber einen Profiteur: Das Unternehmen Semtech hat sich LoRa ausgedacht und fertigt alle HF-Chips. Entweder betreiben Sie Ihr eigenes Netzwerk mit eigenen Servern für das Backend (die Software ist Open Source), wählen einen regionalen Anbieter oder Sie nutzen das The Things Network.


In Foren und c’t-Artikeln wird immer wieder "The Things Network" (TTN) erwähnt. Warum sollte ich da mitmachen, wenn ich einfach meinen eigenen LoRaWAN-Server aufsetzen kann?

Das TTN ist ein LoRaWAN, betrieben als nichtkommerzielles Gemeinschaftsprojekt, das aus den Niederlanden stammt und mittlerweile weltweit aktiv ist. Die Idee: Jeder LoRaWAN-Interessierte, der Daten seiner Sensoren bequem über Web-Protokolle über das Internet bekommen möchte, muss nur ein TTN-Gateway in Reichweite haben. Gibt es keines, kann man eins kaufen (ab 100 Euro), betreiben und die Daten der TTN-Server eintragen. Die restliche Infrastruktur, wie die LoRaWAN-Server, betreibt das Unternehmen "The Things Industries" und die Nutzung ist kostenlos. Zur Anmeldung genügt eine E-Mail-Adresse.

Geld verdienen die Niederländer mit Beratung und privaten LoRaWANs für Unternehmen. Auf der "The Things Conference", die von Jahr zu Jahr mehr Teilnehmer hat, lässt sich erahnen, dass das Geschäftsmodell aufgeht. Für Bastler, aber auch für Kommunen und sogar Unternehmen ist das kostenlose TTN ein guter Einstieg in IoT-Projekte.

Wie Sie das The Things Network nutzen und LoRaWAN-Geräte in die Entwicklungsumgebung Node Red einbinden, lesen Sie in unserer Zusammenfassung.

Eine Forderung, die zum Beispiel Makerspaces an Kommunen richten, die gerade mit einem Smart-City- und LoRaWAN-Projekt anfangen: Bitte verbindet die Gateways auch mit dem kostenfreien TTN, weil dadurch neue Ideen befördert werden. Aber kann man ein Gateway wirklich gefahrlos mit anderen teilen?

Technisch ist es bei den meisten Gateways möglich, sie mit mehreren LoRaWAN-Servern zu verbinden. Ein Sicherheitsproblem ist das nicht, denn im LoRaWAN erfüllt das Gateway nur eine Weiterleitungsfunktion: Jedes gültige LoRaWAN-Paket wird an die jeweils eingetragenen Server weitergeleitet. Das Gateway hat nichts mit der Authentifizierung der Geräte oder Entschlüsselung der Pakete zu tun – das passiert serverseitig. Pakete, mit denen das Netz nichts anfangen kann, werden dort verworfen.

Da LoRaWAN anwendungsbezogene Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nutzt – jedes Gerät und jede Anwendung haben also eigene Schlüssel –, können Sie gefahrlos mehrere Server in ein Gateway eintragen und damit etwa das The Things Network erweitern, aber auch Ihren privaten Server betreiben.

Ein LoRaWAN-Gateway auf einem Berg, wie hier das Lorix One auf dem Steinberg in Goslar, kostet rund 400 Euro (Gateway plus Material) und kann durchaus eine kleinere Stadt komplett abdecken. Dank Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auf Geräteebene könnten mehrere Firmen, Behörden und Privatleute das Gateway ohne Sicherheitsrisiko gemeinsam nutzen.


Ich lese immer komplizierte Begriffe: Was hat es mit etwa mit Tastgrad und Sendeleistung auf sich? Was passiert, wenn ich mehr senden würde?

Der Tastgrad beschreibt, wie lange ein Sender pro Zeiteinheit senden darf. Für den 868-MHz-Bereich etwa gelten auf den meisten Kanälen ein Prozent pro Stunde, also 36 Sekunden pro Stunde. Das soll verhindern, dass Nutzer dauerhaft Daten senden und so das Band für andere Nutzer ewig belegt erscheint.

Den gleichen Zweck erfüllt die Beschränkung der Sendeleistung, also die Energie, mit der die elektromagnetischen Wellen von der Antenne abgestrahlt werden. Ist sie sehr hoch, blockiert das sendende Gerät den Kanal über eine vermutlich unnötig große geografische Fläche. Fertige LoRaWAN-Geräte halten die Vorgaben in der Regel selbstständig ein. Wenn Sie selber basteln – beispielsweise mit einem LoRa-Arduino –, müssen Sie indes darauf achten, dass Ihr Programmcode oder die verwendete LoRa-Bibliothek die Regularien erfüllt.

Abgesehen von den technischen Problemen: Erwischt Sie die Bundesnetzagentur (DE), KommAustria (AT) oder das BAKOM (CH) beim nicht konformen Funken, drohen Bußgelder und Beschlagnahmung des verwendeten Gerätes.

Muss ich für LoRaWAN eine Funklizenz oder Ähnliches besitzen?

Nein. Der verwendete Frequenzbereich um 868 MHz ist in der EU und allen anderen europäischen Ländern lizenzfrei nutzbar. Es gibt allerdings einige Einschränkungen hinsichtlich Sendeleistung und Tastgrad, die eingehalten werden müssen, damit das Band für alle brauchbar bleibt.

Welche Reichweite können LoRaWAN-Geräte in der Praxis erzielen? Bei welcher typischen Datenrate?

Welche Reichweite eine Funktechnik erreicht, hängt von vielen Faktoren ab: Sendeleistung, Antenne, Auslastung des Frequenzbands, Topografie, Wetter und dergleichen. Eine LoRaWAN-Basisstation auf einem Berg kann 50 Kilometer und mehr Freifeldreichweite erzielen. Andererseits kommt ein Stromzähler im Stahlbetonkeller möglicherweise nicht einmal 200 Meter weit. Die tatsächliche Abdeckung muss in der Praxis erprobt werden. Die Datenrate schwankt zwischen 250 und 5400 Bit pro Sekunde.

Es gibt Verfahren, mit denen Sie die Netzabdeckung überprüfen können. Für das The Things Network gibt es beispielsweise den TTN Mapper, der die GPS-Koordinaten von LoRaWAN-Geräten entgegennimmt und zusammen mit der vom Gateway gemessenen Empfangssignalstärke abspeichert, sodass eine Punktewolke mit Abdeckungsinformationen entsteht. Wie das geht, lesen Sie in unserer Zusammenfassung.

Indoor-Gateways, wie das LPS8 von Dragino oder das "The Things Indoor Gateway", kosten rund 100 Euro und sind somit ideal für erste LoRaWAN-Versuche und die Abdeckung von einigen Hundert Metern um den Standort.

Kann ich auch eine TCP/IP-Internetverbindung per LoRaWAN herstellen, sodass es als "WLAN mit hoher Reichweite" fungiert?

Nein. Es wäre technisch machbar, aber sinnlos. Denn Datenrate und Nutzlastgröße sind bei LoRaWAN so gering, dass aufgrund der nötigen IP-Fragmentierung (Aufteilung) extrem viele Pakete verschickt werden müssten und die Nutzdatenrate auf IP-Ebene verschwindend gering wäre. Außerdem würden ständige TCP-Handshakes und Kontrollnachrichten schnell zur Überschreitung des Tastgrads und somit zu Zeitüberschreitungen mit Verbindungsabbrüchen führen.

Selbst wenn Sie blankes LoRa ohne die Protokollerweiterung verwenden und illegalerweise die Tastgradeinschränkung ignorieren, werden Sie selbst unter Idealbedingungen nur einige Hundert bis Tausend Bit pro Sekunde erreichen und mit hohen Latenzen leben müssen.


Ich habe einen Hersteller gefunden, der behauptet, dass seine LoRaWAN-Sensoren zehn Jahre mit einer Batterie halten. Kann das stimmen?

Jein. Bei genauerem Studieren des Datenblatts entdeckt man meist, dass Hersteller für diese Batterielaufzeiten sehr rosige Szenarien angeben: hohe Datenrate (und damit kurze Sendezeiten), niedrige Sendeleistung und nur ein Datenpaket pro Tag oder gar pro Woche.

Selbst wenn Sie diese Bedingungen erfüllen, steht in den Sternen, ob die verwendete Batterie ihre geringe Selbstentladung tatsächlich durchhält. Manche Batterietypen sind nicht einmal so lange auf dem Markt, wie sie halten sollen – Prognosen beruhen oft auf beschleunigten Tests und Hochrechnungen. Was aber stimmt: LoRa-Sender können sehr energiesparend konstruiert sein. Sie verbringen mehr als 99,99 Prozent ihrer Betriebszeit im Tiefschlaf und wachen nur selten und kurz zum Messen und Senden auf, beispielsweise zehn Sekunden pro Tag.

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(amo)