Die Datenautobahn wird beim E-Government zur Einbahnstraße

"Das virtuelle Rathaus wird die Zukunft sein, aber es wird das reale Rathaus niemals ersetzen", bremst der Gemeindetag Baden-Württemberg die Internet-Euphorie.

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  • dpa

Auf der Datenautobahn können Baden-Württemberger ohne Schlangestehen in ihre Behörden gelangen. Doch obwohl sich ein großer Teil der Formulare vom Computer herunterladen lässt, bleibt der Weg zur Amtsstube nicht immer erspart: Denn viele Blätter lassen sich nicht auf dem elektronischen Behördengang unterschreiben, wie eine dpa-Umfrage ergeben hat. "Das virtuelle Rathaus wird die Zukunft sein, aber es wird das reale Rathaus niemals ersetzen", bremst auch der Gemeindetag Baden-Württemberg die Internet-Euphorie.

Bereits jetzt ist im Südwesten jede zweite Kommune online, bundesweit ist es jede vierte. Über Stuttgarts Computernetz können zum Beispiel erste Verwaltungsvorgänge online erledigt und rund 70 Formulare von der Abmeldung bis zum Zuschussantrag für Sportanlagen heruntergeladen werden. "Außerdem wird der Gang zur Verwaltung durch Vorabinformationen wie Ansprechpartner, Gebühren und Öffnungszeiten erleichtert", argumentieren die Beamten. Abrufbar sind auch die Ausschreibungen der Stadtverwaltung, der Apothekennotdienst, der Abfall- und der Baustellenkalender sowie Mitfahrgelegenheiten von und nach Stuttgart.

Jeweils rund 2,5 Seitenzugriffe von jährlich etwa 300.000 Besuchern zählt die virtuelle Stadt. "Allein die Wunschkennzifferreservierung wird pro Monat mehr als 2.300 Mal angeklickt", erzählt Egon Möhler, der für die Stuttgarter Seiten verantwortlich ist. Der Vorteil: "Die Arbeitsabläufe verbessern sich deutlich, vor allem, weil weder die Beamten noch die Bürger bei ihrer Arbeit an Besuchszeiten gebunden sind." Außerdem gebe es wegen der Prüfmechanismen des Internet keine unvollständigen oder schlecht lesbaren Anfragen mehr.

Bei einigen Anliegen fällt auch in Blaubeuren, Konstanz oder Karlsruhe der Weg zum Rathaus komplett weg: "Wer die Stadthalle für ein Fest mieten oder einen Antrag auf Vereinsförderung stellen will, kann die entsprechenden Formulare online ausfüllen, ausdrucken und unterschreiben und dann ins Rathaus faxen", heißt es bei der Verwaltung. In Tübingen wird vor allem der Service mit etwa 20 Formularen des Baurechtsamtes gerne genutzt. Im Angebot sind auch An- und Abmeldeformulare sowie Wahlscheine, die dann aber noch per Post ans Rathaus geschickt werden müssen. Kommunale Stellenausschreibungen werden online veröffentlicht, der Buchbestand der Stadtbücherei kann ebenfalls auf dem Bildschirm durchgesehen werden.

Von Mannheim bis zum Bodensee gilt aber dieselbe Einschränkung: Wer zum Beispiel einen neuen Personalausweis beantragen will, kann sich das Antragsformular zwar von der Homepage kopieren und online ausfüllen. "Allerdings muss man mit dem Ausdruck ins Rathaus kommen, um hier ihre Unterschrift zu leisten", erklärt Kai Friedrich von der Stadtverwaltung Blaubeuren. Dasselbe gilt für den Eintrag ins Einwohnermeldeamt. Und auch beim Antrag auf ein polizeiliches Führungszeugnis wird nur ein Weg gespart: Die Gebühren müssen direkt im Rathaus bezahlt werden.

"Eine Abbuchung von der Kreditkarte ist nicht möglich", meint Friedrich. Auch Stuttgarts zuständige Behörde winkt ab: "Für eine flächendeckende Einführung der notwendigen digitalen Unterschrift stehen Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis." Durch die digitale Unterschrift am Computer ist die Signatur rechtsverbindlich wie der persönliche Namenszug auf dem Papier. Die entsprechenden Lesegeräte kosten allerdings rund 50 Euro. "Für durchschnittlich zwei Formulare im Jahr legt sich aber niemand eine Karte zu ", kritisiert ein Sprecher des Gemeindetages Baden-Württemberg. Wie viele andere Gemeinden auch will Konstanz die Erfahrungen mit einem Modellprojekt abwarten, das zurzeit in Offenburg (Ortenaukreis) läuft. Auch Dieter Behnle vom Karlsruher Amt für Bürgerservice betont: "Wenn die digitale Signatur kommt, sind wir sofort dabei."

Das Symbol der kommunalen Selbstverwaltung werde daher die persönliche Erreichbarkeit bleiben, betont Christian Steger, Hauptgeschäftsführer des Gemeindetags. "Und wenn eines Tages vor allem in den ländlichen Bereichen die Tür im Rathaus die einzige öffentliche Tür sein sollte, durch die man noch körperlich gehen kann, wird sich hinter dieser Tür vieles finden, was ansonsten nur noch virtuell erreichbar wäre." Als Beispiel nannte Steger Finanzdienste ebenso wie Post und Reisen. (dpa) / (jk)