"Ziele gänzlich verfehlt": Bundesrechnungshof rügt De-Mail-Fiasko

Das Bundesinnenministerium ist laut Bundesrechnungshof gescheitert, De-Mail als elektronisches Pendant zur Briefpost in der Bundesverwaltung zu etablieren.

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(Bild: Michael Traitov/Shutterstock.com)

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Der Bundesrechnungshof geht mit dem Bundesinnenministerium (BMI) wegen des Fiaskos bei der De-Mail scharf zu Gericht. Das Ressort sei gescheitert, den Kommunikationsdienst "als elektronisches Pendant zur Briefpost in der Bundesverwaltung zu etablieren", moniert das Prüfungsamt des Bundes in ihren am Dienstag veröffentlichten Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes für das Jahr 2021. Behörden, Bürger sowie Unternehmen nutzten De-Mail fast gar nicht zum digitalen Nachrichtenaustausch.

Der von Anfang an umstrittene Online-Dienst soll eine rechtssichere elektronische Kommunikation mit der Verwaltung und dabei etwa auch digitale Einschreiben ermöglichen. Bereits 2011 hatte der Gesetzgeber dazu die rechtliche Grundlage geschaffen. Für die Bundesverwaltung setzte sich die Bundesregierung das Ziel, die verschlüsselte De-Mail als Standardverfahren einzuführen. Das BMI koordinierte diesen Prozess seit 2012, Anfang 2015 ging das entsprechende IT-Verfahren in Betrieb.

Seit März 2016 müssen die Behörden des Bundes einen De-Mail-Zugang eröffnet haben. Hierzu verpflichtete sie der Bundestag mit dem E-Government-Gesetz. Bürger sollten darüber etwa Kindergeld beantragen, Unternehmen auf einen Bescheid hin Widerspruch einlegen können. Laut dem Rechnungshof gab das BMI zwischen 2011 und 2020 für De-Mail mindestens 6,5 Millionen Euro aus. Es erwartete, dass allein die Ämter innerhalb der ersten vier Jahre nach der Einführung bis zu 6 Millionen De-Mails versenden würden. Gegenüber der Briefpost sollte der Dienst zwischen 2016 und 2019 bis zu 3,5 Millionen Euro einsparen.

Im April 2017 berichtete die Bundesregierung über den Stand der Initiative. Sie stellte dabei selbst fest, dass weder Bürger noch Firmen De-Mail verbreitet nutzten. Die Behörden des Bundes hatten innerhalb eines Jahres weniger als 250 De-Mails empfangen und weniger als 90 De-Mails versandt. Eine Evaluierung des E-Government-Gesetzes 2019 erbrachte kein anderes Ergebnis. Damals hatten von den insgesamt 121 Ämtern mit De-Mail-Zugang nur neun den Service in ihre elektronischen Arbeitsabläufe eingebunden. Der Austausch mit den Bürgern fand weiter hauptsächlich über die normale E-Mail, Web-Formulare oder fachliche Anwendungen statt.

Tatsächlich versandten die entsprechenden Behörden von 2016 bis 2019 nur 6000 De-Mails, wissen die Prüfer. Dies entsprach 0,1 Prozent des angenommenen Aufkommens. Die Einsparungen hätten 3500 Euro betragen. Trotz einschlägiger Ermahnungen habe das BMI keine Erfolgskontrolle durchgeführt, kritisiert der Rechnungshof. "Damit bleibt offen, ob De-Mail in der Bundesverwaltung wirtschaftlich ist."

Das Innenressort hätte "fortlaufend beobachten müssen", ob und wie stark der teure Dienst überhaupt verwendet werde, unterstreichen die Kontrolleure. Insgesamt habe das BMI "seine Ziele gänzlich verfehlt". Um den geringen Nutzungszahlen entgegenzuwirken, hätte es gemeinsam mit den Behörden des Bundes die Ursachen hierfür ermitteln müssen.

2017 trat mit dem Onlinezugangsgesetz ein weiteres Vorhaben zur Verwaltungsdigitalisierung in Kraft. Es eröffnet Bürgern sowie Unternehmen neben De-Mail weitere Möglichkeiten, elektronisch mit der Verwaltung zu kommunizieren. Auch wenn damit die rechtssichere elektronische Kommunikation via De-Mail bisher nicht ersetzt werden kann, stellt der Rechnungshof auch vor diesem Hintergrund die Wirtschaftlichkeit des Dienstes infrage. Das BMI müsse nun entscheiden, ob De-Mail noch sinnvoll in der Verwaltung genutzt werden könne oder aufgegeben werden sollte.

Die Deutsche Telekom hatte im Sommer erklärt, 2022 den Service nicht länger vorhalten zu wollen. Er galt bei dem Konzern schon seit Längerem als "toter Gaul". Der Provider 1&1, der De-Mail für seine Web.de- und GMX-Kunden im Angebot hat, will dieses zunächst weiter betreiben.

Auch in vielen anderen Bereich beklagen die Prüfer Fehlverhalten und Steuergeldverschwendung. Dem Bundesverteidigungsministerium etwa werfen sie vor, die die Ziele der Bundesregierung zum Ausbau der Elektromobilität deutlich zu verfehlen. Laut deren Nachhaltigkeitsstrategie müssten derzeit 20 und künftig sogar 38,5 Prozent der neu beschafften Dienstwagen emissionsarm sein. Bei den entsprechenden zivilen Autos der Bundeswehr sei dies aber nur bei 1 Prozent der Fall. Dem Bundesverkehrsministerium kreidet der Rechnungshof an, 124 Millionen Euro für Straßen und Flughäfen – statt für die Schiene – zweckfremdet und so den Klimaschutz unterwandert zu haben.

(olb)