Open-Source-Adventskalender: Der Mediaplayer VLC

Von 1. bis zum 24. Dezember 2021 hat heise online jeweils ein "Kalendertürchen" mit dem Porträt eines Open-Source-Projekts geöffnet.

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(Bild: Semisatch/KOALA STOCK/Shutterstock.com/heise online)

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Von
  • Stefan Mey
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VLC hat gigantische Nutzungszahlen. Das ehemalige Studentenprojekt ist seinem ehrenamtlichen „Hippie-Stil“ treu geblieben und hat unmoralische Angebote stets ausgeschlagen.

Der Open-Source-Adventskalender

VLC ist ein Media Player zum Abspielen von Filmen, Serien und Musik, egal ob als Datei, DVD, CD oder Blu-Ray. Weitere praktische Funktionen sind: Man kann Dateien in andere Formate umwandeln, Screencasts des eigenen Bildschirms aufnehmen und über ein Netzwerkstream-Feature Videos von Youtube und sonstigen Quellen streamen. (Der Zugriff auf Youtube funktioniert allerdings nicht immer).

Mit etwa 200 Erweiterungen lassen sich zusätzliche Funktionen hinzufügen und andere Layouts auswählen. VLC ist ein PC-Programm und auch als iOS- und Android-App verfügbar (für Android auch im Open-Source-Store F-Droid). Die Software steht unter einer GNU GPL v2-Lizenz.

Jean-Baptiste Kempf, Präsident der VideoLAN-Organisation, schätzt, dass monatlich 300 bis 400 Millionen Menschen VLC auf dem PC nutzen sowie 50 bis 100 Millionen die Apps. Die Android-App rangiert im Play-Store von Google in der Kategorie 100.000.000+ Installationen.

Im Februar 2021 feierte der Media Player sein 20-jähriges Open-Source-Jubiläum. Die Geschichte begann allerdings noch einmal fünf Jahre vorher, VLC startete 1995 als Studierendenprojekt an der französischen Ingenieurschule École Centrale Paris. 1998 wurde der Code komplett überarbeitet. 2001 erlaubte die Leitung der Ingenieurschule, dass die Software freigegeben wird. Das Projekt öffnete sich für die externe IT-Community, seit 2009 ist es nicht mehr Teil der École Centrale Paris.

Die Entwicklung übernahm die Organisation VideoLAN. Deren Rechtsform ist mit dem deutschen gemeinnützigen Verein vergleichbar, erklärt Jean-Baptiste Kempf gegenüber heise online. Kempf sitzt einem vierköpfigen Vorstand vor. Zurzeit arbeitet VideoLAN auch an einem zweiten Programm für End-User: die Videoschnitt-Software VideoLAN Movie Creator, die bisher nur als Quellcode-Version vorliegt. Zum Portfolio gehören außerdem verschiedene Video-Profi-Anwendungen sowie Softwarelösungen für Entwickler:innen, etwa das Cross-Plattform Multimedia Framework namens libVLC.

VideoLAN hat keine Angestellten und nur in Ausnahmefällen bezahlte Freelancer, sagt Kempf. Die Arbeit leiste fast ausschließlich die ehrenamtliche Community: Bei der Code-Entwicklung gibt es einen harten Kern von acht bis zehn Leuten, die sehr viel beitragen, und weitere 15 bis 20 Personen, die regelmäßig etwas beisteuern. Die Größe der gesamten VideoLAN-Community schätzt er auf 150. Dazu zählen Leute, die einzelne Code-Elemente einbringen, an Übersetzungen oder am Design arbeiten oder im VLC-Forum moderieren.

Wie bei vielen Open-Source-Projekten ist auch bei VideoLAN Google ein indirekter Sponsor: über dessen „Summer of Code“-Programm, bei dem von Google bezahlte Studierende für drei Monate in der Open-Source-Community mitarbeiten. VideoLAN finanziert sich, laut Kempf ausschließlich über Spenden. 2020 sind etwa 70.000 Euro zusammengekommen, meist aus den USA, Deutschland und Österreich. Mit dem Geld werden die Serverkosten und die nötige Hardware des VideoLAN-Projekts bezahlt sowie die Teilnahme an Veranstaltungen wie der Freie-Software-Konferenz FOSDEM. Förderungen aus staatlichen Programmen oder von Organisationen der Zivilgesellschaft erhalte VideoLAN nicht.

Der VideoLAN-Präsident Jean-Baptiste Kempf wurde für sein Engagement bei VideoLAN 2018 mit dem französischen Verdienstorden ausgezeichnet. Er selbst finanziert sich sowie einige Mitglieder der Community über ein klassisches Open-Source-Geschäftsmodell: Sein 2012 gegründete Unternehmen VideoLABS verkauft Supportdienstleistungen zu VLC und bietet Zusatzprodukte an, etwa ein VLC-Plugin für Videogames.

Wie Kempf in einem Video erzählt, habe das Projekt immer wieder unmoralische Angebote erhalten. Beispielsweise für einen Deal, den VLC-Download mit der Installation einer Toolbar oder der Installation von Google Chrome zu verknüpfen. Dabei seien „irrsinning hohe Summen“ geboten worden, bei denen man denkt: „Wie zum Teufel kann ich dazu Nein sagen?“ Doch man habe stets abgelehnt. Deswegen wird VLC, so Kempf, noch heute im „Hippie-Stil“ von einer ehrenamtlichen Community betrieben.

Die Arbeit an der Artikelreihe basiert in Teilen auf einem "Neustart Kultur"-Stipendium der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, vergeben durch die VG Wort.

Siehe auch:

(mho)