Insolvente Firma FairAd gibt 760.000 Kundendatensätze weiter (Update)

Der Erlös aus E-Mail-Aktionen des neuen "Marketing-Partners" promio.net soll "teilweise" den FairAd-Kunden zugute kommen.

vorlesen Druckansicht 135 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Mit der Münchener Firma FairAd musste in dieser Woche wieder ein Anbieter eines so genannten "Paid-For-Surf"-Angebots ins Gras beißen. Die Firma stand insbesondere aufgrund der Werbeflaute schon einmal am Rande des Abgrunds. Über eine spezielle Software pushten die Server des Unternehmens Werbebannner auf den Windows-Desktop des Kunden, der als Gegenleistung in bestimmten Abständen je nach Werbekonsum-Bereitschaft Geld auf sein Konto überwiesen bekam.

Nebenbei beobachtete die Software das Surfverhalten des Nutzers und meldete die so gewonnenen Profile fleißig an FairAd zurück. Der Anbieter betonte stets, diese Profile absolut anonym vorzuhalten und garantierte dies auch in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Solcherlei Versprechen gelten offenbar nicht mehr, wenn ein Maximum aus der Konkursmasse, die als wesentlichen Bestandteil die Kundendaten umfasst, herausholt werden soll.

Die Pleite-Firma ist kurz nach der Insolvenz-Anmeldung eine "Marketing-Partnerschaft" mit promio.net, einem Bonner Direktmarketing-Unternehmen, eingegangen. promio.net brüstet sich in einer Mitteilung, jetzt Zugriff auf 360.000 Nutzerprofile von FairAd zu haben. Außerdem würden Gespräche laufen, "weitere 400.000 FairAd-Nutzer in die Vermarktung aufzunehmen", verkündete promio.net heute.

In den letztgültigen AGB von FairAd, die die Firma mittlerweile nicht mehr zur Einsicht auf ihrer Website anbietet, findet sich kein Hinweis darauf, dass die Nutzer-Adressen für E-Mail-Marketing-Kampagnen genutzt werden dürfen. Im Gegenteil: Punkt 3 der zum Vertrag zwischen Kunde und FairAd gehörigen Bedingungen ist eindeutig: "Die Teilnehmer-Personalien werden lediglich für die Überweisung benötigt. FairAd gibt diese Daten nicht an Dritte weiter."

Im Gespräch mit heise online versicherte promio-net-Geschäftsführer Sebrus Schumacher, im Einklang mit allen relevanten Datenschutzgesetzen gehandelt zu haben. Seine Firma sei "quasi Subunternehmer" der in Liquidierung befindlichen FairAd AG, also treffe der Begriff "Dritte" aus den AGB nicht auf promio.net zu. Die Nutzerdaten wolle man jetzt für Mailing-Aktionen nutzen, deren Erlöse teilweise in Form von noch ausstehenden Auszahlungen an FairAd-Nutzer zurückfließe.

Eine pikante Randnote: promio.net lässt sich -- sicherlich nicht im Sinne von FairAd -- darüber aus, dass "ungefähr 130.000 der Datensätze eine umfangreiche Profilierung besitzen und daher für intelligentes Zielgruppenmarketing eingesetzt werden können". Mit dem Versprechen, das FairAd in seinen AGB mehrfach beschwor, ist es demzufolge nicht weit her.

"Wenn die Kunden von FairAd in den AGB E-Mail-Marketing-Aktionen nicht zugestimmt haben, ist die Weitergabe der Daten wohl nicht zulässig, da der eigentliche Zweck des Vertrags ja war, dem Kunden zu ermöglichen, mit dem Surfen Geld zu verdienen", kommentierte Online-Rechtsexperte Tobias Strömer gegenüber heise online. Sie wäre laut Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) nur dann rechtens, wenn promio.net gleichsam als Erfüllungsgehilfe die Ausübung des Vertragszwecks unterstütze, erklärte er. Die Kunden können zwar der Weitergabe ihrer Daten widersprechen, aber die Praxis zeige, dass solche Widersprüche meist nicht effektiv seien. "Sollte hier widerrechtlich vorgegangen worden sein, könnten die Verbraucherzentralen oder der Wettbewerb dagegen vorgehen", so Strömer.

FairAd verschickte bisher monatlich einen "Newsletter" mit Hinweisen und Links zu Shops, wo der Kunde bei Einkäufen Guthaben fürs FairAd-Konto gutgeschrieben bekam. Im Disclaimer befand sich stets ein URL, unter der man den Newsletter abbestellen konnte. Dieser URL funktioniert seit der Insolvenz nicht mehr, ein Opt-Out ist also auf diese Weise nicht mehr möglich.

FairAd-Vorstand Norbert Neef versicherte im Gespräch mit heise online, dass promio.net die Kundendaten lediglich für E-Mail-Aktionen von FairAd verwenden dürfe. "promio.net ist in diesem Sinne unser ausführender Dienstleister. Die Newsletter werden weiterhin von uns kommen." Der Partner springe lediglich als Vertrieb für die Werbung ein. Die zurzeit fehlenden AGB seien auf der Website bald wieder einzusehen, und in den nächsten Newslettern werde eine funktionierende URL angegeben, bei der man sich per Opt-Out austragen könne.

Neef betonte, dass es sich bei den von promio.net genannten 130.000 Profil-Datensätzen lediglich um bei der Anmeldung zum FairAd-Dienst angegebene soziodemografische Daten der Kunden handle. Dynamische Nutzerprofile habe man stets anonymisiert erhoben. "Wir handeln doch im Sinne der Nutzer, wenn wir versuchen Geld reinzubekommen, um die ausstehenden Auszahlungen zu finanzieren", beschwichtigte Neef. (hob)