E-Health: Totgesagte leben länger

Im Januar 2013 veröffentlichte c’t den bislang letzten Test eines DVD-Brenners, die Geräte waren tot. Heute müssen tausende Apotheker sie wieder ausgraben.

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Im Januar 2013 veröffentlichte c’t den bislang letzten Test eines DVD-Brenners. Heute verstauben die ganzen Laufwerke und Rohlinge in Kellern und auf Dachböden. Die ganzen Laufwerke? Nein, womöglich Tausende Apotheker haben zwischen den Feiertagen alte Umzugskartons durchwühlt und den Staub von ausgemusterter PC-Hardware geblasen.

Denn sie mussten ein wichtiges Update für ihre Warenwirtschaft einspielen, das ihnen die Compugroup Medical (CGM), immerhin der größte deutsche IT-Anbieter im Gesundheitssystem, per Post auf DVD-Silberlingen zugeschickt hatte. Dazu ein eiliges Fax mit der dringenden Bitte, das Update unbedingt zum Jahreswechsel vorzunehmen.

Normalerweise funktionieren solche Updates bequem per Mausklick online. Doch kurz vor Weihnachten hatten Hacker das Firmennetz von CGM mit einem Erpressungstrojaner infiziert und weitgehend lahmgelegt. Acht Tage später teilte CGM mit, dass Telefon und E-Mail wenn auch noch nicht gut, so doch immerhin wieder "besser" funktionierten.

CGM ist leider kein Einzelfall. Erst Anfang November wurde Medatixx, die deutsche Nummer zwei auf dem E-Health-Markt, von einem ähnlichen Angriff heimgesucht. Noch zwei Monate nach der Attacke hieß es Anfang Januar auf der Hersteller-Webseite: "Täglich steigt die Zahl der medatixx-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, die die internen Systeme der medatixx wieder nutzen können."

In Zeiten wie diesen sollte man meinen, dass bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems "Safety First" gilt. Doch leider ist das nicht der Fall: Beim E-Rezept sahen die Verantwortlichen erst zehn Tage vor der gesetzlich geplanten verpflichtenden Einführung ein, dass ihr Zeitplan wohl überambitioniert war – und bliesen den Wechsel kurzerhand ab. Und auch die neue elektronische Patientenakte kämpft noch mit Kinderkrankheiten.

Rezepte und Befunde auf Papier mögen zwar unpraktischer erscheinen, aber sie funktionieren selbst dann, wenn neben einer biologischen Virenpandemie auch noch eine digitale tobt und das Internet lahmlegt. Schmeißen Sie Ihre alten Nadeldrucker, DVD-Brenner und Fax-Geräte also nicht gleich aus dem Fenster, nur weil deren Job jetzt eine neue App übernimmt. Denn die muss ihre Zuverlässigkeit und Sicherheit erst noch beweisen.

Hartmut Gieselmann

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(hag)