US-Ärzte setzen erstmals Schweineherz in einen Menschen ein

Das Transplantieren genmanipulierter Schweineherzen könnte künftig die Wartelisten für Organe verkürzen – aber noch ist das Verfahren sehr experimentell.

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US-Medizinier transplantieren ein genverändertes Schweineherz in einen menschlichen Patienten.

(Bild: University of Maryland)

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Zum ersten Mal haben US-Mediziner ein Schweineherz in einen Menschen transplantiert. Dem unheilbar herzkranken Patienten David Bennett wurde am Freitag, dem 7. Januar, in einer achtstündigen Operation am University of Maryland Medical Center ein genetisch verändertes Schweineherz transplantiert. Die Operation war ein letzter verzweifelter Versuch, den 57-jährigen Bennett zu retten, der für eine herkömmliche Herztransplantation nicht in Frage kam, wie das Zentrum mitteilte. Vor dem Eingriff war er mehr als sechs Wochen lang mit lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen im Krankenhaus gewesen. "Es hieß entweder sterben oder diese Transplantation durchführen", sagte er in der Presseerklärung. "Ich will leben. Ich weiß, dass es ein Schuss ins Blaue ist, aber es ist meine letzte Wahl".

Im Vorfeld der Transplantation wurden zehn Gene im Spenderschwein verändert. Drei dieser Gene sind für die Abstoßung von Schweineorganen beim Menschen verantwortlich, so dass diese Gene "ausgeschaltet" wurden. Sechs Gene wurden eingefügt, um die Immunakzeptanz des Schweineherzens zu kontrollieren, und ein weiteres Gen wurde ausgeschaltet, um ein übermäßiges Wachstum des Schweineherzgewebes zu verhindern.

Das Team in Maryland setzte außerdem ein neues, bisher nicht weitgehend erprobtes Medikament der Firma Kiniksa Pharmaceuticals ein, um das Immunsystem zu unterdrücken und Abstoßungsreaktionen zu verhindern. Außerdem kam eine neue Maschine zum Einsatz, die Flüssigkeit durch das Gewebe presste, um sicherzustellen, dass das Schweineherz bis zum Eingriff lebensfähig blieb. Wie die New York Times berichtet, gab die FDA am Silvesterabend grünes Licht für den Eingriff.

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"Es handelt sich um einen Riesenfortschritt in der Transplantationsmedizin vergleichbar mit der ersten Allotransplantation (Transplantation zwischen genetisch verschiedenen Individuen derselben Spezies; Anm. d. Red.) durch Christian Barnard 1967", bewertet Dr. Joachim Denner, Leiter der Arbeitsgruppe Virussicherheit der Xenotransplantation am Institut für Virologie an der Freien Universität Berlin, den Eingriff und verweist auf die zahlreichen Patienten und Patientinnen, die auf Wartelisten für ein Spenderorgan stehen.

Bei der Entnahme des Schweineherzens aus dem Schwein.

(Bild: University of Maryland)

Nach Angaben der Health Resources and Services Administration, einer Bundesbehörde, stehen in den USA fast 107.000 Menschen auf der Warteliste für Transplantationen, von denen jeden Tag 17 sterben. In Deutschland stehen laut der Stiftung Eurotransplant 9.192 Patienten (Stand: 1. Januar 2021) auf der Warteliste für ein Spenderorgan. 2.880 Organtransplantationen von verstorbenen Spendern erfolgten 2020, 587 davon waren Spenderherzen.

So appelliert die Biologin Anne Meinert, Fachreferentin für den Bereich Tierversuche bei PETA, an die Politik, sich dafür einzusetzen, dass die Bereitschaft für Organspenden zunimmt. Sie kritisiert den Eingriff und kommentiert: "Transplantationen von Tieren auf den Menschen sind ethisch nicht zu rechtfertigen und gefährlich. Außerdem werden wichtige Ressourcen verschwendet, die stattdessen in Forschung investiert werden könnten, die dem Menschen tatsächlich hilft."

"Bei ethischen Bedenken gegen diese Versuche sollte klar darauf verwiesen werden, dass es das Ziel der Xenotransplantation ist, das Leben von Menschen zu verlängern. Bei allen Weltreligionen steht dies klar über dem Leben eines Tieres, weshalb die Xenotransplantation hier auch einheitlich unterstützt wird", erläutert dazu Dr. Konrad Fischer, Leiter der Sektion Xenotransplantation an der Technischen Universität München.

Chirurg Bartley P. Griffith (links) und der Patient David Bennett.

(Bild: University of Maryland)

Unterdessen sieht es vielversprechend für Bennett aus. Es geht ihm gut. Zu einer hyperakuten Abstoßungsreaktion, die bei derartigen Transplantationen bereits nach wenigen Stunden eintreten kann, kam es nicht. Daher soll er heute (11. Januar) von der Herz-Lungen-Bypass-Maschine, die ihn am Leben erhalten hat, getrennt werden.

Mit diesem Verfahren wird der Weg der sogenannten Xenotransplantation, also die Verpflanzung von tierischen Organen oder Geweben in den Menschen, weiter beschritten. Nach vielen erfolglosen Einsätzen scheinen neue Gen-Editing-Technologien das Verfahren immer praktikabler zu machen. Das gentechnisch veränderte Schwein in der Operation wurde von Revivicor geliefert, einem von mehreren Biotech-Unternehmen, die daran arbeiten, Schweineorgane für die Transplantation in Menschen zu entwickeln.

Revivicor stand auch hinter der erfolgreichen Transplantation einer Schweineniere in einen menschlichen Patienten im vergangenen Oktober. Auch das war ein wichtiger Meilenstein für den Nachweis der Lebensfähigkeit der Techniken der Firma war. Neben Revivicor ist der Harvard-Wissenschaftler George Church Mitbegründer des Unternehmens eGenesis, das daran arbeitet, mit Hilfe der CRISPR-Gentechnik tierische Organe für die Transplantation beim Menschen nutzbar zu machen.

(jle)