Grünes Label für Atomkraft: EU-Parlamentarier fordern öffentliche Befragung

Zwei Vorsitzende von EU-Parlamentsausschüssen wollen, dass auch beteiligte Parteien darüber mitreden sollen, ob Atom und Erdgas als nachhaltig gelten sollen.

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Belgisches Atomkraftwerk Doel.

(Bild: Engie Electrabel)

Lesezeit: 3 Min.

Aus dem EU-Parlament wird Kritik an dem Verfahren laut, das die EU-Kommission für ihren Vorschlag für eine Taxonomie-Verordnung vorgesehen hat, die Atomkraft und Erdgas als nachhaltig einstuft. Die Vorsitzenden des Wirtschafts- und des Umweltausschusses des Europaparlaments appellieren in einem Brief an den EU-Kommissar für Finanzen, Mairead McGuinness, eine Konsultation, also eine öffentliche Befragung zu veranstalten.

Irene Tinagli, Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, und Pascal Canfin, Vorsitzender des Ausschusses für Umweltfragen, schreiben in einem von der Journalistin Kira Taylor auf Twitter dokumentierten Brief, angesichts der Kontroversen rund um das Thema bräuchten das Parlament und der EU-Rat ausreichend Zeit, um sich über den Vorschlag der EU-Kommission auszutauschen. "Den Entwurf des Delegierten Rechtsakts spät am Silvesterabend für eine zwölftägige Konsultationsfrist mit der ausdrücklichen Bitte um Stellungnahme zu übermitteln, kann nicht als bewährte Praxis angesehen werden", schreiben Tinagli und Canfin.

Die Kommission hat zwar mittlerweile die Frist um ein paar Tage verlängert, die Kommission müsse aber auch dafür sorgen, dass auch Betroffene ausreichend Zeit zu reagieren haben. Hier führen Tinagli und Cafin als Beispiel die Konsultation zum Klimaschutz an, die vom 20. November bis 18. Dezember 2020 dauerte. Eine nicht näher benannte Mehrheit in den Ausschüssen fordere, dass die Kommission den Entwurf des ergänzenden delegierten Rechtsakts für eine Taxonomie-Verordnung für eine öffentliche Konsultation öffnet.

Außerdem sei Kritik aus den Ausschüssen laut geworden, dass der Vorschlag der Kommission keine angemessene Folgenabschätzung enthalte. Zu den wirtschaftlichen Aktivitäten im Bereich der Atomenergie seien gar keine Folgen abgeschätzt worden, die Abschätzung zum Erdgas basiere auf ganz anderen Kriterien als jene, die im Entwurf enthalten waren.

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Tinagli ist Mitglied der sozialdemokratischen S&D-Fraktion im EU-Parlament, aus der bereits Kritik an der Taxonomie laut wurde. Canfin gilt in dem Parlament als "Mann Emmanuel Macrons" und gehört der liberalen Fraktion Renew Europe an. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte Canfin, er verstehe die Aufregung um den Vorschlag der Kommission nicht, er sei ein guter Kompromiss zwischen deutschen und französischen Wünschen. "Deutschland wollte Erdgas und Frankreich die Atomkraft als nachhaltig einstufen. Eine andere Kompromisslinie sehe ich schlicht nicht." Die Taxonomie werde nicht entwertet, denn es werde darin klar zwischen Atomkraft und Erneuerbaren unterschieden. Atomkraft werde nur als nützliche Übergangstechnik, aber nicht als "grün" eingestuft.

Die EU-Kommission hatte Ende 2021 vorgeschlagen, dass Investitionen in neue Atomkraftwerke als nachhaltig klassifiziert werden können, wenn sie neuesten Standards entsprechen und ein konkreter Plan für die Lagerung radioaktiver Abfälle bis 2050 vorliegt. Auch Investitionen in neue Gaskraftwerke sollen übergangsweise unter Auflagen als grün eingestuft werden können.

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(anw)