Scoring: Mobilfunkbetreiber geben weiter Handy-Daten ungefragt an Schufa & Co.

Obwohl Datenschützer die Praxis als rechtswidrig einstufen, wollen Vodafone, Telefónica & Co. Auskunfteien weiter ohne Einwilligung beliefern.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 207 Kommentare lesen

(Bild: nitpicker/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Deutsche Mobilfunkbetreiber übermitteln offenbar weiterhin im großen Stil Vertragsdaten von Handy-Kunden ohne deren Einwilligung an Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa, damit diese sie auswerten können. Dies berichten der NDR und die Süddeutsche Zeitung (SZ). Damit stellen sich Vodafone, Telefónica & Co. gegen einen Beschluss der Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern (DSK) vom September. Nach Angaben des Branchenverbands VATM prüfen die Mobilfunkbetreiber sogar eine Klage gegen die Entscheidung der DSK.

Gleichzeitig plant dem Bericht des NDR zufolge aber auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), wegen der umkämpften Klauseln zur Datenweitergabe vor Gericht zu ziehen. Ferner bereiteten einzelne Verbraucherzentralen der Länder Unterlassungsklagen gegen Mobilfunkanbieter vor. Der Streit könnte so deutlich an Schärfe zunehmen.

Die DSK hatte im Herbst bekräftigt, dass Auskunfteien sogenannte Positivdaten, die nicht zur Erfassung etwa von Kreditverzügen notwendig sind, nicht unter Verweis auf die in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vorgesehenen Ausnahmen speichern dürfen. Vielmehr verlangen die Aufsichtsbehörden, dass es "einer wirksamen Einwilligung der betroffenen Person unter Beachtung der hohen Anforderungen an die Freiwilligkeit bedarf". Betroffen seien "große Datenmengen über übliche Alltagsvorgänge im Wirtschaftsleben", die ohne Anlass "erhoben und verarbeitet würden".

Die Daten, um die es in der Auseinandersetzung geht, sind nicht Informationen über geführte Telefonate, sondern Angaben etwa zum Abschluss, zur Dauer oder eines Wechsels eines Vertrags. Deren Auswertung diene hauptsächlich der Betrugsprävention, hatten die Unternehmen in der Vergangenheit immer wieder betont.

Man teile die "Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörden" nicht, erklärte der VATM. Die Datenschützer gäben fälschlicherweise den Interessen der Kunden Vorrang vor denen der Unternehmen. Der Verband lotet daher derzeit nach eigenen Angaben zusammen mit der Schufa, anderen Scoring-Anbietern und dem Zusammenschluss "Die Wirtschaftsauskunfteien" Möglichkeiten aus, den DSK-Beschluss "rechtlich überprüfen zu lassen".

Die Deutsche Telekom, die nicht Mitglied des VATM ist, teilt die Sicht der Datenschützer laut NDR und SZ zwar ebenfalls nicht. Trotzdem wolle sie gegen die Ansage der DSK aber nicht klagen. Der Bonner Konzern arbeite vielmehr aktuell an einer alternativen Lösung auf Basis einer Einwilligung.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber betonte, der DSK-Beschluss sei eindeutig: Es gebe für die Speicherung und Weitergabe der Vertragsdaten keine gesetzliche Grundlage. Er wolle dennoch zunächst das Gespräch mit den Mobilfunkanbietern suchen.

Die Auskunfteien nutzen die übermittelten Informationen bislang fürs Scoring. Dabei wird aus verschiedenen Daten ein Wert berechnet, der Rückschlüsse auf die Bonität von Verbrauchern zulassen soll. Die dafür verwendeten Algorithmen halten die Firmen geheim. Verbraucherschützern ist dieses Verfahren seit Langem ein Dorn im Auge. Der EU-Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski forderte unlängst, genau festzulegen, welche Datenkategorien zur Bewertung der Kreditwürdigkeit verwendet werden dürfen.

(olb)