Schweizer AKW-Betreiber für massiven Ausbau der Photovoltaik

Der Schweiz könnte in Zukunft ein Strommangel drohen. Atomkraft sieht der Chef des Energiekonzerns Axpo nicht als Lösung an.

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Das Atomkraftwerk Beznau wird von der Axpo AG betrieben. Es läuft seit 1969 im kommerziellen Betrieb.

(Bild: Axpo)

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Christoph Brand, Chef des Schweizer Energiekonzerns und Atomkraftwerk-Betreibers Axpo Holding, ist dafür, eher auf erneuerbare Energien und Gaskraftwerke zu setzen als auf Atomkraft, um künftig den Strombedarf der Schweiz zu decken. In einem Zeitungsinterview argumentiert er gegen Forderungen, die Atomkraft in der Schweiz wiederzubeleben und den Bau neuer AKW zu erlauben.

Auf die Frage, was benötigt würde, damit sich die Investitionen in neue Atomkraftwerke lohnten, sagte Brand der Neuen Zürcher Zeitung: "Mindestens eine ganz neue Generation von Kernenergie-Reaktoren. Die kann man heute aber nicht kaufen." Ein neuartiger kleiner modularer Reaktor (SMR) werde frühestens in zehn Jahren zu haben sein, das wäre aber zunächst die erste Serie und es fraglich, ob die sogleich in der Schweiz eingesetzt werden sollte, auch wenn sie überragend sicher und wirtschaftlich sei.

Was der Bau eines neuen Atomkraftwerks in der Schweiz kosten würde, habe die Axpo Holding noch nicht ausgerechnet, sagte Brand. "Uns reicht ein Blick auf Hinkley Point, Olkiluoto und Flamanville. Bei all diesen Neubauprojekten gibt es gigantische Kostenüberschreitungen und enorme Verspätungen." Die Kosten von neuen AKW der heutigen Technik lägen laut einer Schätzung der Investmentbank Lazard bei 131 bis 204 Dollar pro MWh. Solar-Großanlagen kämen auf 30 bis 41, Windturbinen auf 26 bis 83 Dollar.

Im Jahr 2025 könnten neue EU-Regeln die Importfähigkeit der Schweiz massiv reduzieren. Wenn zusätzlich Sonne und Wind keinen Strom liefern oder ein Atomkraftwerk ausfällt, könnte es zu einer schwierigen Situation kommen, erläuterte Brand. Die bestehenden Schweizer Atomkraftwerke länger laufen zu lassen, wie es die Regierung überlege, könne da mittelfristig sehr helfen. "Doch langfristig fehlt der Schweiz massiv Strom, wenn wir die Atomkraftwerke abstellen und gleichzeitig die Nachfrage so stark steigt, wie es unsere Klimaziele nahelegen."

Vor diesem Hintergrund müsse sichergestellt werden, dass die Wasserkraft nicht immer weniger liefert. Umweltschutzvorgaben und höhere Restwassermengen sorgten dafür, dass ein Zehntel der heutigen Schweizer Stromproduktion verloren gehen könnte. Außerdem müsse die Photovoltaik auf Dächer, aber auch auf Freiflächen massiv ausgebaut werden. Alpine Solaranlagen produzierten im Winter so viel Strom wie im Sommer.

Neben Stromimporten werde die Schweiz wohl auch nicht ohne Gaskraftwerke auskommen. Da diese als Reservekraftwerke dienen würden, die nur sporadisch im Winter laufen, solle es nicht viele dezentrale Wärme-Kraft-Koppelungsanlagen geben, sondern einige wenige große, sagte Brand.

Die Axpo Holding betreibt in der Schweiz das AKW Beznau und ist auch an den beiden anderen AKW in Gösgen und Leibstadt beteiligt. In der Schweiz wird überlegt, die Laufzeiten der dortigen Atomkraftwerke auf 60 Jahre zu verlängern. Hintergrund ist der zwischen der EU und der Schweiz gescheiterte Rahmenvertrag; dadurch könnten auch auf dem Feld der Stromlieferungen keine Abkommen geschlossen werden und es könnte zu Engpässen kommen. 2017 stimmte das Schweizer Volk dafür, keine neuen AKW mehr zu bauen.

Einen Ansatz, die Photovoltaik in der Schweiz voranzutreiben, prüft jetzt das dortige Bundesamt für Straßen. Es geht um die Machbarkeit, die Autobahnen des Landes mit Solardächern zu versehen. In Deutschland soll ein Pilotprojekt dazu noch in diesem Jahr beginnen, bestätigte das Bundesverkehrsministerium gegenüber heise online.

(anw)