Das Netz des Internet-Carriers KPNQwest läuft -- noch

Befürchtungen, dass die insolvente KPNQwest schon am heutigen Abend den Glasfaserring abschalten könnte, bestätigen sich bislang nicht. Ein Betrieb des wichtigen Internet-Segments ist aber auch kurzfristig nicht mehr garantiert.

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Von
  • Holger Bleich

Die gute Nachricht zuerst: Das paneuropäische Glasfasernetz des seit heute offiziell insolventen Carriers KPNQwest ist noch in Betrieb. Wie lange noch, vermag aber momentan niemand vorauszusagen. Medienberichten zufolge stand zu befürchten, dass die Brüsseler Netzwerkzentrale von KPNQwest heute um 18.30 Uhr (MESZ) das IP-Netz abschalten würde. Diese Meldung hatte bei vielen Kunden des Kabelbetreibers für Entsetzen gesorgt, stellte sich aber als Ente heraus.

Dennoch herrschen bisweilen chaotische Verhältnisse. Kunden, die sich ausschließlich auf die Dienstleistungen von KPNQwest verlassen haben, müssen sich in Windeseile einen neuen Hoster oder Carrier suchen. Nachdem Verhandlungen mit den Gläubigerbanken gescheitert sind, kann KPNQwest kaum noch den Betrieb aufrecht erhalten. Die Kreditgeber seien nicht mehr länger gewillt, täglich ungefähr eine Million US-Dollar zuzuschießen, um den laufenden Betrieb des KPNQwest-Eurorings zu finanzieren, will das Wall Street Journal erfahren haben.

Es wird also immer wahrscheinlicher, dass KPNQwest demnächst, eventuell noch im Laufe des Wochenendes, das IP-Netz abgschalten muss. Genaue Zahlen darüber, wieviel Prozent des europäischen IP-Traffic tatsächlich über den sehr leistungsfähigen Ring laufen, gibt es nicht. KPNQwest selbst behauptet, es seien etwa 40 Prozent, andere Quellen sprechen von ungefähr einem Viertel des gesamten europäischen IP-Aufkommens. Auf jeden Fall würden andere Carrier, wie etwa UUnet, Cable & Wireless, Mediaways oder auch die Deutsche Telekom eine Sperrung dieser Datenautobahn auf ihren Leitungen zu spüren bekommen.

Mittlerweile beeilen sich viele der direkt betroffenen KPNQwest-Kunden zu versichern, dass sie einen Ausfall der Anbindung zum Carrier verkraften könnten. Das Karlsruher Portal Web.de etwa verfüge über Anbindungen zu "fünf bis sechs verschiedenen Providern", versicherte die Firmensprecherin Eva Vennemann. Ein Ausfall der KPNQwest-Leitung würde nicht zu Performance-Einbußen bei den Web.de-Internet-Diensten führen.

Der Mitbewerber Lycos, ebenfalls Großkunde von KPNQwest, habe sich schon seit Beginn der Krise nach Alternativen umgesehen, versicherte Vizepräsident Sebastian Reschke im Gespräch mit heise online. "Von unseren elf Rechenzentren sind nur drei an KPNQwest angebunden, nämlich die in Gütersloh, Stockholm und Paris. Für alle drei haben wir ein Fallback-Szenario vorbereitet."

Teles, die Konzernmutter des Berliner Webhosters Strato, berichtete heute, ihre "angekündigten Sicherungsmaßnahmen werden gegenwärtig unter Berücksichtigung aller Eventualitäten umgesetzt". Um welche Sicherungsmaßnahmen es sich dabei handeln könnte, wollte Firmensprecher Christian Kuhse nicht preisgeben. Auch, ob die Teles AG das Karlsruher Rechenzentrum von KPNQwest übernimmt und darüber hinaus für eine neue breitbandige Anbindung sorgen kann, bleibt weiter unklar.

Der Mobilfunk-Anbieter E-Plus, eine Tochter der niederländischen KPN, sei von den Problemen von KPNQwest nicht betroffen, sagte Firmensprecherin Catrin Glücksmann. "Wir nutzen zwar Backbone-Kapazitäten von KPNQwest, haben aber rechtzeitig Vorsorge getroffen." Es werde weder Einschränkungen bei der Sprachtelefonie noch bei den Datendiensten wie i-mode geben, falls der Euroring abgeschaltet würde, versicherte Glücksmann.

Zur Situation bei KPNQwest siehe:

There's an English article about KPNQwest's bankruptcy available with some background information from prior German articles: KPNQwest Files For Bankruptcy. (hob)