Mehr Wettbewerb in der Telekommunikation
Das Telekommunikationsgesetz von 1996, einst Startpunkt fĂĽr die Ăśberwindung des Telefonmonopols in der Bundesrepublik, soll nachgebessert werden.
Zumindest die Zahlen sind unbestritten: In den Ortszugangsnetzen haben die Konkurrenten der Deutschen Telekom AG es seit der Öffnung der Märkte lediglich auf einen Marktanteil von drei, in wenigen Regionen auf 15 Prozent gebracht. "Glasfaserleitungen entlang Europas Magistralen wollte jeder verlegen", zog Matthias Kurth, Chef der Regulierungsbehörde in Berlin auf einer Konferenz des Münchner Kreises Bilanz; "dort haben wir jetzt Überkapazitäten -- in die letzte Meile wollte keiner investieren."
Der Münchner Kreis ist eine außerhalb der Fachwelt kaum bekannte Vereinigung für Kommunikationsforschung, die durch regelmäßige Konferenzen zu zentralen Themen und Problemen der Telekommunikation maßgeblich zur Meinungsbildung unter den Mitspielern auf diesem Markt beiträgt. Hintergrund der gestrigen Veranstaltung war die bevorstehende Novellierung des TKG, mit der die Bundesrepublik bis Mitte kommenden Jahres Richtlinien-Vorgaben der EU nachkommen und für mehr Wettbewerb in der Telekommunikation sorgen muss.
Über das Wie prallten die Meinungen der Regulierungsbefürworter und -gegner heftig aufeinander. "Ein stabiler, sich selbst tragender Wettbewerb bleibt aus, wenn die Infrastruktur der Deutschen Telekom regulierungsbedingt jederzeit zu Niedrigstpreisen zur Verfügung steht und andere Marktteilnehmer nicht in die eigene Infrastruktur investieren", ging Hans-Willi Hefekäuser von der Deutschen Telekom AG in die Offensive. Als Leiter des Zentralbereichs Ordnungs- und Wettbewerbspolitik ist Hefekäuser die rechte Hand von Telekom-Chef Ron Sommer. "Wettbewerber-Angebote, die keine eigene Wertschöpfung schaffen", hielt er der Konkurrenz vor, "können nur bei ewiger Fortführung der Regulierung überleben", die aber hätte "ihren Zenit überschritten" und passe nicht mehr in die Landschaft. "Welche Krankheit will die Regulierung eigentlich heilen?", fragte er. Konkurrierende Angebote, die der Markt nicht allein hervorbringe, könne die RegTP nicht erzwingen und für ihn sei auch "nicht ersichtlich, warum ausgerechnet eine Behörde überlegenes Marktwissen haben sollte".
Hefekäusers Auftritt war kein Heimspiel unter Gleichgesinnten. Sein Unternehmen musste von allen Seiten Kritik einstecken, insbesondere an der Art, wie es die DSL-Anschlüsse mit ISDN als Dreingabe zu Preisen in den Markt gedrückt hatte, mit denen kein Wettbewerber hatte mithalten können. So warf Gerd Eickers, Chef der QSC AG in Köln, der Telekom vor, mit Verzögerungstaktiken, Dumpingstrategien, Produktbündelung und Ausnutzen der Teilnehmeranschlussleitung den Wettbewerb "nachhaltig zu stören". Das neue TKG sollte solche Praktiken unterbinden, forderte er. Insbesondere müsste es die Verstöße des Quasi-Monopolisten wirksam sanktionieren. Auch debitel-Chef Peter Wagner plädierte für eine harte Linie. "Besonders wenn einer auf der Zeitachse spielt", meinte er, "sollten Sanktionsmöglichkeiten her, die auch wirklich wehtun."
Auf der gestrigen Konferenz stellte Staatssekretär Alfred Tacke vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) den Zeitplan zur Novellierung vor. Das BMWi hat jetzt Eckpunkte zur Telekommunikation als Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Gutachten im Internet veröffentlicht, die Interessierte bis zum 24. Mai kommentieren können. Noch in diesem Jahr sollen die Vorschläge in einen Referentenentwurf münden, sodass die TKG-Novelle Mitte 2003 in Kraft treten kann, wie es die EU-Richtlinien vorschreiben. "Wir stehen ", beschreibt der Arcor-Vorstandsvorsitzende Harald Stöber die Lage, "an einer Wende, ob der Wettbewerb gestärkt wird oder ob wir zu einer Re-Monopolisierung kommen". (Richard Sietmann) / (jk)