Europäische Verleger legen Beschwerde gegen Google ein

Die EU-Kommission soll die Effekte der Geschäftspraxis Googles der vergangenen 14 Jahre im Online-Werbemarkt revidieren, fordern Verleger.

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(Bild: mentatdgt/Shutterstock.com)

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Von
  • Torsten Kleinz
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Mit einer offiziellen Beschwerde versuchen europäische Verleger im European Publishers Council (EPC) ein Wettbewerbsverfahren der EU-Kommission gegen Google in Gang zu bringen. Der Vorwurf: Google verlange – gestützt durch seine Marktmacht im Online-Werbemarkt – zu hohe Gebühren und habe gleichzeitig die Werbeerlöse der Verleger in den Keller getrieben.

Der EPC-Vorsitzender Christian Van Thillo verlangt einschneidende Maßnahmen: "Es ist höchste Zeit, dass die Europäische Kommission Maßnahmen ergreift, die Googles Verhalten nicht nur abstraft, sondern tatsächlich ändert", heißt es in einem Statement des Verlegerverbandes. Die EU-Kommission hatte eine entsprechende Untersuchung bereits im Juni 2021 offiziell eröffnet.

Den Regulierern bieten die Verlage nun neues Material an. Nach Schilderung des Verbandes soll Google über gezielte Übernahmen und das gezielte Ausbooten von Konkurrenten eine Marktmacht erreicht haben, die der Konzern zu Lasten der kleineren Verlage ausnutzte. Dieses Verhalten habe bereits mit der von den Wettbewerbsbehörden genehmigten Übernahme von Doubleclick durch Google im Jahr 2008 begonnen.

Die Effekte seien im heutigen Werbegeschäft enorm. Alte Konkurrenten seien so gut wie verschwunden, Google habe sich auf jeder Ebene der Wertschöpfungskette breit gemacht und halte dort teilweise Marktanteile von über 90 Prozent. Alleine bei AdX berechnet Google 20 Prozent höhere Provisionen als in einem funktionierenden Markt möglich seien. Bei über11 Milliarden Transaktionen an jedem Tag kämen so erhebliche Geldsummen zusammen.

Die Aktivitäten Googles hätten zudem dazu geführt, dass die Werbeumsätze der Verlage gefallen seien. Hierbei stützt sich die Beschwerde der Verleger unter anderem auf die Klagen, die mehrere US-Bundesstaaten gegen Google eingereicht hatten. Laut den Klageschriften hatte sich zum Beispiel ein Google-Angestellter kritisch zu dem Marktanteil des Konzerns sowohl auf Anbieter- als auch auf Nachfrageseite geäußert und mit einer Situation verglichen, in denen eine Investmentbank gleichzeitig die New Yorker Börse betreibe. Als Verleger im Jahr 2016 mit dem Header Bidding eine Methode gefunden hätten, Googles Marktmacht zu umgehen, seien die so erzielten Werbeerlöse um 80 Prozent über den bei Google erzielten Durchschnitt gestiegen. In der Folge habe Google durch zahlreiche Initiativen die Erträge der Verlage wieder nach unten getrieben.

Die Vorwürfe decken sich etwa mit den Befunden der britischen Wettbewerbsaufsicht CMA aus dem Jahr 2019. Tatsächlich passiert ist seitdem aber wenig. Erste Vorschläge zur Lösung der Situation drehten sich etwa um die Idee, dass Google und Facebook verpflichtet werden sollten, ihre Nutzerdaten der Branche insgesamt zur Verfügung zu stellen. Solche Ansinnen erwiesen sich aber als unvereinbar mit der Datenschutz-Grundverordnung.

Wie konkret die EU-Kommission die Situation bereinigen sollte, lässt der Verlegerverband offen. Sie verlangen gleichzeitig eine umfassende Reform des Online-Werbemarktes auf den Stand von 2008, wehren sich aber gleichzeitig gegen jede Bestrebung der Konzerne, solche Reformen durchzuführen, die die Privatsphäre der Nutzer verbessern könnten. Die britische Marktaufsicht CMA hat unterdessen angekündigt, Google weiter bei der Abschaffung der Third-Party-Cookies begleiten zu wollen. In einer aktualisierten Verpflichtung hat sich Google bereiterklärt, die Abschaffung der Tracking-Techniken erst dann zu vollziehen, wenn die Wettbewerbsfragen geklärt seien. In Kürze soll ein Trustee eingesetzt werden, der die weitere Entwicklung der Privacy Sandbox begleitet.

Update 11.02.2022, 13:20 Uhr: Auf Anfrage von heise online hat Google die Vorwürfe zurückgewiesen. "Wenn Verleger sich dazu entscheiden, unsere Plattform zu benutzen, behalten sie die Mehrheit der Erträge". Dabei verweist der Konzern auf eine Studie von 2020, wonach Verleger 95 Prozent der Erträge behalten, wenn sie den Google Ad Manager einsetzen. Allerdings handelt es sich hierbei nur um eines der Produkte in Googles Werbe-Portfolio. Jedes Jahr zahle der Konzern mehrere Milliarden US-Dollar an die Betreiber der Websites im Google-Netzwerk, heißt es in einem ersten Statement.

(mack)