Wahlkampf im weltweiten Netz

machenmachenmachen, wahlfakten, nichtregierungsfähig -- die Titel der Wahlkampfsites sprechen für sich. Die Parteien schöpfen aber nicht alle Möglichkeiten des Netzes aus.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Verena Wolff
  • dpa

Zu den 299 deutschen Wahlkreisen zwischen Flensburg und Friedrichshafen kommt in diesem Bundestagswahlkampf ein virtueller Wahlkreis hinzu. Wahlkreis300.de heißt ein Angebot der CDU, das einen typischen deutschen Wahlkreis widerspiegelt und als Rollenspiel für junge Politikinteressierte gedacht ist. "Solche Aktionsseiten der Parteien sind ein Trend, den wir für den kommenden Wahlkampf festgestellt haben", sagt der Geschäftsführer des Politikportals politik-digital.de, Christoph Dowe.

Die SPD, für die das Internet nach Angaben des Sprechers Kajo Wasserhoevel "einen sehr hohen Stellenwert" besitzt, hält von solchen Angeboten allerdings nichts. "Die CDU hat eindeutig die Netiquette verletzt, denn der Urheber einer solchen Site sollte keine Partei sein, die so durch die Hintertür für sich wirbt." Die SPD habe sich schon früh entschieden, nicht alles zu machen, was technisch möglich sei. Mit einem Vergleich vor Gericht hat die Partei nun erreicht, dass die CDU ihre Urheberschaft für diese Seite ausweist.

Gemeinsam sind beiden Parteien aber zweierlei Vorgehensweisen: In einem Bereich der jeweiligen Sites, der den Parteimitgliedern vorbehalten ist, können gezielt Informationen über Parteiprogramm und Parlamentarier abgerufen werden. Dies ist ein weiterer Trend dieses Wahlkampfes, den auch der Politologe Dowe ausgemacht hat und als Chance für die Wähler sieht. "Die Bürger können besser informiert sein, sie können zum Beispiel die Wahlprogramme vergleichen." Das sei ein Gewinn für die Meinungsbildung und "die bessere Information könnte zum Zünglein an der Waage werden", sagt Dowe voraus. Auch Wasserhoevel kennt die Macht des Netzes. "Das Internet ist keine Spielwiese mehr, sondern ein Massenmedium."

Außerdem haben beide Parteien Aktionsseiten mit Inhalt gefüllt, die so bezeichnende Namen tragen wie nichtregierungsfaehig.de (SPD) oder wahlfakten.de (CDU). Sie haben laut Dowe den Vorteil, nicht über die Internet-Redaktionen der offiziellen Parteiseiten eingepflegt werden zu müssen. Daher könne viel schneller reagiert werden, betont auch der stellvertretende CDU-Sprecher Franz Josef Gemein. Auf der Seite wahlfakten.de wird mit einem so genannten Rapid-Response-System auf Reden von SPD-Parlamentariern reagiert. "Wir präsentieren die Fakten zu den Reden, die gehalten werden und zeigen damit inhaltliche Unterschiede auf", sagt Gemein. Das System solle aber keine parteipolitische Einfärbung haben, betont der CDU-Sprecher.

Mit einem ähnlichen "Service" wartet auch die Regierungspartei auf ihrer Seite nichtregierungsfaehig.de auf. Wasserhoevel sieht die Nutzung des weltweiten Netzes für diese deutsche Form des angelsächsischen "negative campaigning", also der Wahlkampf durch gezielte Angriffe auf die gegnerische Partei, als legitim. "Herr Stoiber muss sich damit auseinander setzen, dass er außerhalb von Bayern attackiert wird -- also auch im Internet."

Die FDP beschäftigt sich auf ihrer Aktionsseite machenmachenmachen.de hingegen nicht mit Aktionen der gegnerischen Parteien, sondern mit eigenen Inhalten. "Aber wir müssen auch klar sagen: Politik im Internet ist nicht der Bringer", räumt der Leiter der Online-Redaktion bei der Universum Verlagsanstalt, Uwe Ewers, ein. Dennoch sei das Internet ein wichtiges Mobilisierungsinstrument, besonders für die kleinen Parteien.

Auch die PDS hat eine Extra-Seite für den kommenden Wahlkampf geschaltet, auf der nach Angaben des verantwortlichen Redakteurs Martin Icke "Standard-Inhalte wie Kandidaten und Positionen, außerdem Dokumentationen über Presseartikel, Bilder und Audiofiles" zu finden sind. Die Grünen haben pünktlich zum anstehenden Wahlkampf ihren Seiten mit einem Relaunch ein eigenes Ansehen gegeben.

Dowe hält die Möglichkeiten des Internet noch nicht für ausgeschöpft: "Die Parteien geben sich mehr Mühe, und doch stecken sie weniger Energie in das Internet als gewünscht." Besonders die Mitglieder müssten verstärkt in die Arbeit eingebunden werden. Dies habe politische Gründe, "wir haben halt keine Kultur von Volksabstimmungen und Bürgerpartizipation in diesem Land". (Verena Wolff, dpa) / (jk)