Vim-Versteher und Kommandozeilenerklärer: Sven Guckes ist tot

Sven Guckes ist tot. Ein Nachruf auf den in der Linux-Community sehr beliebten Entwickler, Community-Manager und Konferenz-Dauergast.

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Sven Guckes bei den Kieler Linuxtagen 2015 im Rahmen eines Vortrags über ein Spiel für die Kommandozeile.

(Bild: YouTube / Kieler Linux Initiative)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Gerhard Loschwitz

Wer schon mal ein Linux-System vor der Nase hatte, weiß: Praktisch jede moderne Desktop-Umgebung enthält, so bunt sie auch sein mag, auch heute noch einen Terminalemulator. Viele Systemadministratoren schwören bis heute auf die Vorzüge der Shell, mit der sich manche Dinge in der Tat deutlich effizienter als mit einer grafischen Oberfläche erledigen lassen. Die Krux bei der Sache: Wer keinen Unix-Hintergrund hat und auch ansonsten keinen Bezug zur Kommandozeile, muss sich an die Arbeit ohne Maus oder Touchpad erst gewöhnen. Obendrein ist es mühsam und schwierig, sich die Namen der verschiedenen CLI-Werkzeuge und ihre Nutzung einzuprägen.

Viele sehen darin freilich eher Ansporn als Hindernis – und wenige Menschen in der deutschen Linux-Szene galten weithin als so große Fürsprecher der Kommandozeile wie Sven Guckes. Im Gegensatz zu manchem Kommandozeilenjockey verstand Guckes sein Können im Umgang mit der Shell dabei nie als eine besondere Fähigkeit, die elitäres Gehabe gerechtfertigt hätte. Mitleidige Blicke in Richtung jener, die die Kommandozeile nicht nutzten oder nutzen konnten, waren ihm wesensfremd. Stattdessen hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, anderen die Konsole näherzubringen und ihnen den Einstieg in das Thema so leicht wie möglich zu machen.

Der Kommandozeileneditor Vim dient dafür als hervorragendes Beispiel. Im Netz kursieren zahllose Memes über die kaum intuitive Tastenfolge, die den Editor beendet. Wer in den Anfangsjahren seiner Linux-Karriere – womöglich noch mit ungewohntem US-Layout – Vim verzweifelt schließen wollte, kann ein Lied davon singen. Wer mit Sven Guckes über Vim sprach oder einem seiner zahllosen Vorträge zum Thema lauschte, sah in Vim allerdings schnell nicht mehr den sperrigen Editor, sondern ein hocheffizientes Werkzeug, das nicht nur Textdateien editieren konnte.

Als äußerst beliebter Konferenzdauergast über mehrere Jahrzehnte war Guckes essenzieller Bestandteil der deutschen Linux-Community. Über die Jahre erarbeitete er sich – ohne jeden missionarischen Eifer – den Ruf eines Kommandozeilenerklärbärs, der auch Anfängerfragen zu beantworten nicht müde wurde. Wer ihm zufällig im Zug auf dem Rückweg von einer Konferenz begegnete und ihm eine Frage zu Vim stellte, fuhr nicht selten mit einer neuen ~/.vimrc-Datei nach Hause, die Guckes mal eben aus dem Kopf zusammenzimmerte – und die sein Gegenüber oft sprachlos zurückließen. Guckes vermochte es, durch sein immenses Fachwissen in Kombination mit seiner freundlichen Art selbst erfahrenen Linux-Nutzern immer wieder neue Horizonte zu eröffnen.

In der jüngeren Vergangenheit lag ihm auch der Terminal-Multiplexer tmux am Herzen, den Guckes als Ersatz für das in die Jahre gekommene screen in Vorträgen und Workshops einer großen Menge von Menschen näher brachte. Andere CLI-Themen wie der Konsolen-Mail-Client Mutt und dessen Nachfolger zeugen eindrucksvoll von Guckes großem Wissensschatz, der als Fundament für seine umfassende Vortragstätigkeit diente.

Durchaus missionarischen Eifer legte Guckes an den Tag, wenn er die Prinzipien freier Software bewarb und Menschen die Community hinter freier Software erklärte, zu deren Mitgliedern er sich selbstverständlich zählte. Nicht nur fungierte Guckes für diverse F/LOSS-Komponenten als Community-Manager. Er hatte das F/LOSS-Prinzip auch verinnerlicht und war der festen Überzeugung, dass Open Source und Copyleft das einzige funktionale Verteilmodell für Software überhaupt sei. Auch dabei agierte er aber nie abschätzig von oben herab – stets standen bei ihm die Argumente im Vordergrund, die er bisweilen und falls nötig mit Engelsgeduld etliche Male wiederholte und erläuterte. Und selbst wenn in einer angeregten Fachdiskussion einmal keine gemeinsame Meinung zu erzielen war, fühlte man sich von Sven Guckes nie belehrt, aber fast immer bereichert.

Guckes' Reisetätigkeit gilt innerhalb der Community mittlerweile als legendär. Kein Wunder: Konferenzen waren für ihn ein zentrales Element, um eine funktionierende Open-Source-Gemeinschaft zu gewährleisten. Es ist insofern nur konsequent, dass Guckes zwischenzeitlich auch noch zum Mini-Reisebüro wurde: Für die Chemnitzer Linux-Tage, die mittlerweile die größte Community-Veranstaltung im deutschsprachigen Raum sind (und als eine von wenigen noch immer existiert), organisierte er mehrmals den TuxBus, der Menschen die Anreise nach Chemnitz ermöglichte. Wer zu einer Konferenz anreiste, konnte an ihrem Vorabend zudem nicht selten an einem vom Guckes organisierten Community-Treffen teilnehmen. Fast so legendär wie Guckes selbst sind die Fotos von Restaurants, in denen etliche Tische per Schild auf Guckes' Namen für eben solch ein Event reserviert sind.

Sven Guckes verstarb am 20. Februar in Berlin nach einer schweren Krankheit. Er wird fehlen.

(fo)