Zahlen, bitte! 2,5 Meter Höhe am laufenden Band: Die Erfindung der Rolltreppe

Vor 130 Jahren wurde das Patent auf die erste Rolltreppe erteilt, die Menschen und Stockwerke verbindet. Ein Blick auf ein unterschätztes Massentransportmittel.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Als Jesse W.Reno nach zahlreichen Experimenten am 15. März 1892 ein Patent auf die von ihm ersonnene Rolltreppe oder genauer gesagt Fahrtreppe erhielt, schwebten dem US-amerikanischen Ingenieur zahlreiche Anwendungen vor. Die Personenförderbänder sollten den öffentlichen Nahverkehr revolutionieren, ja ganze Städte verbinden. Sein erstes realisiertes Projekt war jedoch eine Rolltreppe im Vergnügungspark Coney Island. Sie überwand eine Höhendifferenz von 2,50 Meter. Später verfeinerte Reno sein Konzept und konnte es mit allen Patenten an die Otis Corporation verkaufen.

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Jesse W. Reno war mit seiner Rolltreppe ein erfolgreicher Erfinder, weil es ihm gelang, mit seinem Patent ein beachtliches Vermögen zu erzielen. Die erste Rolltreppe installierte er im Vergnügungspark Coney Island um ein elektrisch angetriebenes Laufband mit sattelartigen Sitzgelegenheiten, auf dem die Männer reiten konnten, die Frauen im Damensattel hochgehoben wurden.

Ein früher "Escalator" im Luna Park-Vergnügungspark auf Coney Island, aufgenommen im Jahr 1909. Rechts im Bild lassen sich die Besucher von der Rolltreppe per Sitzgelegenheit hochfahren.

Reno war damit die Umsetzung seines Patentes gelungen, was dem US-Amerikaner Nathan Ames versagt blieb: Er erhielt schon am 9. August 1859 ein Patent auf seine rotierenden Treppen, doch wurde die von ihm konstruierte Anlage niemals gebaut. Reno wiederum übernahm einige Ideen von Ames und verfeinerte sie zu einer Glieder-Treppe, auf der man stehen und sich an den mitlaufenden "Handhilfen" festhalten konnte, wenn es nach oben ging.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

War die erste Treppe auf dem Jahrmarkt mehr ein Fahrgeschäft als ein Transportmittel, so änderte sich das rasch. In den Kaufhäusern, den Konsumtempeln der Jahrhundertwende sorgte die Rolltreppe dafür, dass die Konsumenten in weitere Abteilungen gespült wurden. In keiner Geschichte der Rolltreppe fehlt der Hinweis, dass im britischen Kaufhaus Harrods am Ende einer Rolltreppe ein Bediensteter Riechsalz für Damen und Brandy für Herren reichte, wenn das Abenteuer überstanden war. Die Rolltreppen im Knightsbridge-Kaufhaus von Harrods wurden 1898 von der französischen Firma Piat geliefert und waren aus edlem Holz so gefertigt, dass sie an Luxusjachten erinnerten, die in den Himmel schweben.

Ein Brite war es denn auch, der die Rolltreppe in seinem 1899 erschienen Science-Fiction-Roman When the Sleeper Awakes flugs in die Zukunft transportierte: in H.G. Wells Zukunftsroman gibt es keinen Nahverkehr, sondern ein System von "Roadways", auf denen man an Bänken und Tischen beim Durchqueren der Stadt sitzen konnte. In diesem Zusammenhang muss ein weiterer Science-Fiction-Autor erwähnt werden. In der Novelle The Roads Must Roll von Robert A. Heinlein wird Amerika von keinen Highways durchzogen, sondern von "people movers", die Spitzengeschwindigkeiten von 160 km/h erreichen.

Davon sind die Laufbänder und Fahrsteige heutiger Tage weit entfernt. Die derzeit erreichte Spitzengeschwindigkeit erzielte im Jahr 2002 das von Thyssen-Krupp an der Metro-Station Paris Montparnasse gebaute "troittoir roulant rapide" mit einer Geschwindigkeit von 32,5 km/h. Im Normalbetrieb läuft es mit 9 Stundenkilometern.

Brooklyn-Bridge-Escalator in New York im Jahr 1896.

Doch zurück zu dem Patent von Jesse W. Reno. Er baute mit seiner Firma eine ganze Reihe von Rolltreppen. Die bekanntesten war wohl die an der Brooklyn Bridge in New York und die in der Bostoner Metro. Die letzte dieser Treppen wurde erst 1991 außer Betrieb gestellt. Reno verkaufte sein Know-how gewinnbringend an den Investor Charles Seeberger, der 1899 die Firma Otis mitgründete. Seeberger erfand angeblich aus dem Lateinischen das Wort Escalator für die Rolltreppe im Gegensatz zum Elevator für den Aufzug. Seeburger ließ den Begriff als Wortmarke eintragen.

Der Otis Escalator war einer der Stars der Pariser Weltausstellung von 1900 und gewann seinerzeit den ersten Preis. Dort gab es auch eine "Straße der Zukunft". Diese Straße war 3,5 km lang und konnte an neun Stationen betreten oder verlassen werden. Konkurrenten von Otis mussten ihre Produkte bis zum Erlöschen der Wortmarke anders nennen, etwa Motostair, Electric Stairways, People Mover, Moving Sidewalk oder Travelator.

Rolltreppen moderner Bauart, wie man sie unter anderem von Einkaufszentren, Flughäfen oder Bahnhöfen kennt. Hier in einer U-Bahn-Station der Kopenhagener Metro.

(Bild: CC BY-SA 2.0, Stig Nygaard)

In Deutschland bürgerten sich die Begriffe Fahrtreppe und Fahrsteige ein; diese sind mittlerweile mit allem Drum und Dran europaweit von der Norm EN 115 definiert. Auch die Geschwindigkeit ist europaweit normiert: je nach Neigung dürfen die Systeme mit 0,5 bis 0,75 Metern pro Sekunde laufen, der Handlauf darf maximal zwei Prozent schneller sein. Absolut keiner Norm entsprach die "Stufenbahn", die auf der Berliner Gewerbeausstellung von 1896 präsentiert wurde. Auf einer großen Fahrschleife verliefen zwei Bahnen, eine Innenbahn, auf der man auf Bänken sitzen konnte und eine Außenbahn, auf der man stehen oder laufen konnte.

Damit sind wir bei der Treppen- und Fahrsteig-Debatte schlechthin angelangt: Rechts stehen, links gehen, das soll angeblich die Norm-Etikette sein. Sie wird in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA befolgt. Doch die Regel gilt längst nicht überall: in Australien und Neuseeland ist es umgekehrt. Noch komplizierter ist es in Japan, wo es von Stadt zu Stadt unterschiedliche Regeln gibt. In Osaka steht man rechts, in Tokio steht man links. In allen U-Bahnhöfen Tokios findet sich jedoch der Hinweis, dass man links wie rechts stehen sollte, weil diese die Gesamt-Kapazität der Anlagen besser auslastet. Ähnliche Hinweise finden sich in der Prager Metro.

Nein, hier geht es noch nicht in den Himmel, zumindest nicht komplett: Die Rolltreppe des Umeda Sky Buildings, ein 1993 errichtetes Hochhaus in der Präfektur Osaka, auf der japanischen Insel Honshū.

(Bild: CC BY-SA 4.0, Martin Falbisoner)

Was wäre ein Zahlen, bitte ohne die Superlative? Die längste Rolltreppe wird immer noch im russischen Sankt Petersburg betrieben und ist 137 Meter lang. Bewunderung erwecken auch die Helixcatoren nach einem Patent des Deutschen Karl Heinz Pahl, wie sie zum Beispiel die marktführende Firma Mitsubishi realisiert hat.

Doch nichts geht über die von Kone gebaute Wunder-Rolltreppe in der Hamburger Elbphilharmonie, die 82 Meter lang ist und 37 Meter in die Höhe fährt. Sie brachte einen ortsansässigen Journalisten zum Schwärmen, als er das Fahrerlebnis beschrieb:
"Auf ihr schwebt man empor, wie auf einer Himmelsleiter, Zeit und Raum vergessend, dem schmalen Schlitz entgegen, an dem die Tube endet – um dann plötzlich vor einem Panoramafenster zu stehen, das einen atemberaubend weiten Blick über den Hafen öffnet. Ein Erlebnis, fast wie eine Geburt."

Die Geschwindigkeit dieser wundersamen Rolltreppe lässt sich regulieren, um etwa Zuhörer nach einem Konzert schneller abtransportieren zu können. Moderne Rolltreppen fahren lastabhängig und können die überschüssige Energie aus voll besetzten Abwärtsfahrten wieder dem Motor zuführen. Die letzte große Rolltreppendebatte fand zur Ölkrise statt, als Georg Kohlmaier und Barna von Sartory in Westberlin für die Post-Oil-City die "rollenden Gehsteige" vorstellten, die in gläsernen Rohren über den Straßen gebaut und den motorisierten Individualverkehr ersetzen sollten.

Alle 350 Meter sollte der Einstieg wie der Ausstieg möglich sein. Gut möglich, dass dieses energiesparendes Verbundsystem in der aktuellen Debatte um die Zukunft von Verkehr wieder Auftrieb bekommt.

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(mawi)