Sanktionen gegen russische Raumfahrt: Roskosmos-Chef warnt vor ISS-Absturz

Wenige Minuten nach der Ankündigung neuer US-Sanktionen gegen Russland hat Dmitri Rogosin mit drastischen Worten vor möglichen Konsequenzen gewarnt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 554 Kommentare lesen

Die ISS

(Bild: NASA/Roscosmos)

Update
Lesezeit: 3 Min.

Der Chef der russischen Weltraumagentur hat auf die Ankündigung weiterer scharfer US-Sanktionen gegen sein Land mit wüsten Drohungen reagiert. Auf Twitter fragte Dmitri Rogosin, ob die USA die Kooperation beim Betrieb der Internationalen Raumstation ISS beenden wollten. Vielleicht wisse der US-Präsident nicht, dass für größere Korrekturen der Umlaufbahn die russischen Triebwerke nötig seien, schreibt er und fragt, wer denn im Fall der Fälle einen Absturz verhindern solle. Die ISS fliege nicht über Russland, aber sie könne auf die Vereinigten Staaten stürzen – oder Europa. Auch Indien oder China könne das 500 Tonnen schwere Gebilde treffen, meint er.

Die USA sollten also aufpassen, dass ihnen die Sanktionen nicht auf den Kopf fallen – nicht nur im übertragenen Sinne. Biden hatte kurz zuvor gesagt, die Sanktionen würden auch Russlands Weltraumprogramm "beeinträchtigen". Wer die geplant habe, sollte auf Alzheimer untersucht werden, meint Rogosin. Sie sollten zurückgenommen werden.

Mit der Twitter-Tirade über die "Alzheimer-Sanktionen" macht Rogosin deutlich, wie stark die USA und Russland in Bezug auf die ISS aufeinander angewiesen sind. Gleichzeitig ist der Verweis auf die russischen Triebwerke der einzige wirkliche Hebel, der Russland verbleibt, seit die anderen ISS-Partner mit SpaceX wieder einen eigenen Anbieter haben, der Menschen zur ISS fliegen und von dort abholen kann. Erst vor wenigen Tagen hatte Pete Harding von NASASpaceflight.com ebenfalls auf Twitter aufgeschlüsselt, welche Folgen ein Ende der ISS-Kooperation zwischen den USA und Russlands für die Raumstation haben könnte. Zwar kann tatsächlich nur vom russischen Segment ein Absturz oder Kollisionen mit Weltraumschrott verhindert werden. Aber abgesehen davon hätten auch die USA Trümpfe.

So ist das russische Segment der ISS auf Elektrizität von dem US-Pendant angewiesen. Außerdem seien die russischen Lebenserhaltungssysteme alt und unzuverlässig, sollten die Schotten tatsächlich geschlossen werden, könnte das für den russischen Teil zum Problem werden. Jeder dieser Punkte habe aber immer Folgen für die gesamte Station, alle Teile sind ja fest miteinander verbunden. Sollte der russische Teil keine Korrekturmanöver mehr ausführen, würde er selbst mit abstürzen. Sollten die USA den Strom kappen, könnten ebenfalls keine solchen Manöver mehr ausgeführt werden. Das russische und allererste Modul Sarja gehört demnach technisch gesehen sogar den USA, die haben die klamme russische Weltraumbehörde damals dafür bezahlt.

Wie es für die Raumfahrtprogramme nach der blutigen Eskalation in der Ukraine weitergeht, ist jedenfalls noch nicht absehbar, aber beide Seiten bleiben aufeinander angewiesen. Aber nicht nur bei der ISS arbeitet Russland eng mit den USA und Europa zusammen. Am 6. April etwa soll von Französisch-Guayana eine russische Sojus-Rakete zwei europäische Galileo-Satelliten ins All bringen. Die europäische ESA und Roskosmos bereiten außerdem den Start ihrer gemeinsamen Mars-Mission ExoMars vor. Für die soll es im September losgehen. Auf Fragen des Tagesspiegels, wie es damit weitergehen soll, gab es von der ESA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) "keinen Kommentar".

Update 25.2.22, 9.05 Uhr: Die NASA werde trotz der von den USA verhängten Sanktionen mit Roskosmos zusammenarbeiten, versicherte die US-Raumfahrtagentur gegenüber Space.com, der Betrieb der ISS werde wie geplant weitergehen.

(mho)