Ukraine-Krieg: "IT-Armee" aus Freiwilligen weckt Befürchtungen vor Eskalation

Seit Tagen wehrt die Ukraine einen russischen Angriffskrieg ab. Helfen soll auch eine "IT-Armee" aus Freiwilligen. Hunderttausende bekunden Interesse.

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(Bild: zefart/Shutterstock.com)

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Nachdem die Ukraine zur Abwehr des russischen Angriffskriegs am Wochenende eine "IT-Armee" ins Leben gerufen hat, hat der Telegram-Kanal dazu bereits mehr als 200.000 Abonnentinnen und Abonnenten. Während dort bislang offenbar primär DDoS-Angriffe auf russische und belarussische Internetseiten organisiert werden, gibt es Befürchtungen, dass das Vorgehen zu einer weiteren Eskalation des Krieges führen könnte. So warnt der IT-Experte Michael Daniel gegenüber dem Magazin Wired davor, dass auch unabsichtlich kritische Infrastruktur in Russland getroffen werden könnte. Wenn Russland dies auf Aktionen der ukrainischen Regierung zurückführt, könnten sie ihrerseits zu drastischeren Maßnahmen greifen.

Ins Leben gerufen hatte die IT-Armee der ukrainische Vizepremier und Minister für digitale Transformation, Mychajlo Fedorow. Auf Twitter hatte er einen Telegram-Kanal verlinkt und erklärt, man brauche Talente für den Kampf an der "Cyberfront". Wer dem Link folgt, landet – wegen eines Schreibfehlers – aber zuerst im falschen Raum, erst dort führt ein weiterer Link zur richtigen Gruppe. Die Organisatoren veröffentlichen dort im Minutentakt Websites, die angegriffen werden sollen. Tim Stevens vom King’s College London warnt gegenüber Wired davor, dass es in Bezug auf Cyberangriffe viele Unbekannte gebe. Er zeigt sich besorgt, dass die "IT-Armee" den Krieg internationalisiere. Beide Seiten könnten das als Ausweitung des Konflikts über die Grenzen der Ukraine hinaus verstehen.

Unabhängig von der Einrichtung der "IT-Armee" hat im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine längst ein Cyberkrieg begonnen. Das Hacking-Kollektiv Anonymous hat der russischen Regierung den ("Cyber-")Krieg erklärt und mehrere Sammlungen von Dokumenten gehackt sowie veröffentlicht. Im Gegenzug hatte die russische Cybercrime-Gruppe Conti erklärt, Cyberattacken gegen Russland mit gleicher Münze zurückzahlen zu wollen. Die Eskalationsspirale ist also längst im Gange. Der ehemalige NSA-Hacker Jake Williams erinnert in Bezug auf die Gründung der "IT-Armee" gegenüber Wired noch daran, dass der Angriff auf die Ukraine für das Land eine existenzielle Bedrohung sei, es sei nachvollziehbar, dass das Land nichts unversucht lassen könne.

Dass die Ukraine bei der Einrichtung der Cyberarmee auf Telegram setzt, dürfte der Funktionsvielfalt und der Verbreitung des Messengers geschuldet sein. Der Dienst ist nicht vollständig verschlüsselt, die dort stattfindende Kommunikation also gegebenenfalls für Behörden beziehungsweise in dem Fall sogar den Kriegsgegner einsehbar. Dessen Gründer Pawel Durow hatte nach Beginn des Angriffskriegs sogar damit gedroht, im Falle einer weiteren Eskalation des Konflikts russische und ukrainische Kanäle gegebenenfalls zu sperren. Nach harscher Kritik an den Äußerungen aus der Nutzerschaft hatte er davon Abstand genommen, alle Nutzer und Nutzerinnen aber aufgefordert, dort verbreitete Informationen doppelt zu prüfen, um nicht zur Verbreitung von Fake News beizutragen.

(mho)