EU-Taxonomie: Hürden für Wind- und Solarparks bremsen die Energiewende

Banken dürfen laut den geplanten EU-Finanzregeln zur nachhaltigen Wirtschaft Kredite nur an größere, kapitalmarktorientierte Unternehmen als grün deklarieren.

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Windrad in der Hemelinger Marsch.

(Bild: heise online / anw)

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Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Reform der Taxonomie-Verordnung zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen ist vor allem umstritten, weil damit Atomkraft und Erdgas als "grün" eingestuft werden sollen. Doch ein bislang wenig beachteter Entwurf der Brüsseler Regierungsinstitution zur Interpretation von Artikel 8 des bestehenden Taxonomie-Gesetzes hat es ebenfalls in sich: Er könnte die Energiewende noch weiter ins Stocken bringen.

Eigentlich soll die bereits bestehende Verordnung Umweltziele wie den Klimaschutz vorantreiben. Förderfähig sind Projekte, die eine Anpassung an den Klimawandel erleichtern und Umweltverschmutzung vermeiden. Die Wind- und Sonnenkraft gelten dafür als Beispiele par excellence. Bundesfinanzminister Christian Lindner feierte die erneuerbaren Energien jüngst sogar als "Freiheitsenergien", da sie Europa aus Abhängigkeiten von Gas und Öl aus Russland lösten.

Die vorgesehenen neuen Hinweise zu Artikel 8 könnten aber kleine und mittlere Unternehmen benachteiligen, die hierzulande bislang im Bereich der Erneuerbaren kräftig mitmischen. Banken dürften demnach die Finanzierung einschlägiger Projekte nur noch dann als nachhaltig ausweisen, wenn der Träger über 500 Mitarbeiter hat und kapitalmarktorientiert ist. Die entsprechende Firma muss also etwa selbst Aktien oder zumindest Anleihen ausgeben.

Vor allem viele Windparkinitiativen würden aber nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) durch dieses Raster fallen. Wer Windräder bauen wolle, gründet demnach meist eine Projektgesellschaft mit fünf oder sechs Mitarbeitern und setzt sonst auf externe Kräfte. Auch kapitalmarktorientiert sind die Firmen oft nicht. Vielmehr holen sie sich insbesondere bei traditionellen Finanzhäusern das benötigte Geld.

Der Rechercheverbund verweist auf eine "interne" Präsentation der Deutschen Kreditbank (DKB). Darin habe diese mehrere bereits finanzierte Projekte gelistet mit mehreren hundert Windanlagen und Solarparks. Daneben sei häufig ein rotes X zu sehen. Es stehe dafür, dass die DKB solche Finanzierungen künftig aufgrund der überarbeiteten Kriterien nicht mehr als nachhaltig in ihre Bilanz schreiben dürfte.

Ohne das umkämpfte grüne Label in der Bilanz entfallen für Banken Anreize, Windräder oder Photovoltaikanlagen günstiger zu finanzieren. Einen Nachhaltigkeitsbonus für bestimmte Projekte gibt es dann nicht mehr. Die Folge: Kredite für Wind- oder Solarparks sind weniger attraktiv.

Dazu kommt dem Bericht zufolge eine zweite Regelung, die Anfang des Jahres in Kraft getreten ist. Sie solle Banken dazu bringen, mehr nachhaltige Kredite auszugeben und so ihre grüne Finanzierungsquote zu erhöhen. Die entsprechende "Green Asset Ratio" sei eine Kennzahl, die Finanzhäuser künftig ausweisen müssten. Sie solle zeigen, wie klimafreundlich und nachhaltig die Kredite einer Bank sind.

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"Jeder würde sagen, dass ein Windpark grün ist", kritisiert Andreas Gruber, Chef der Nachhaltigkeitsabteilung der DKB, die neue Handhabe gegenüber der SZ. "Dass wir das nicht ausweisen können, ist für uns das Gegenteil von Transparenz – und am Ende auch ein Wettbewerbsnachteil." Banken erhielten so insgesamt anhand der Taxonomie keinen zusätzlichen Anreiz, "in erneuerbare Energien zu investieren".

Ähnlich sieht es die GLS, die sich als erste Ökobank der Welt bezeichnet. Andere Finanzhäuser dürften ihr zufolge versuchen, mit hohen grünen Quoten zu werben. Banken, die jetzt den Mittelstand finanzierten, gerieten so ins Hintertreffen. Auch die Stadtwerke München, die viel in die Erneuerbaren investieren wollen, sehen ein Problem: Sie haben zwar über 500 Mitarbeiter, gehören aber der Kommune. An der Kapitalmarktorientierung würden sie so scheitern. Die EU-Kommission verteidigt ihr Vorhaben derweil damit, die Bürokratie für den Mittelstand möglichst gering halten zu wollen.

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(tiw)