Mobiler Quanten-Sensor spürt unterirdische Tunnel auf

Präzise Messungen der lokal wirkenden Schwerkraft mit einem Atom-Gradiometer offenbaren die Lage von Tunneln und anderen im Untergrund verborgenen Strukturen.

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Das entwickelte Atom-Gradiometer im Einsatz in einer Straßenschlucht in Birmingham. Der 1,87 Meter hohen Sensorkopf (blauer Zylinder) ist mit einem Koffersystem verbunden, das Laser und das Steuerungssystem enthält.

(Bild: Ben Stray et al.)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Jan Oliver Löfken

Je schwerer ein Objekt ist, desto stärker zieht es andere Objekte über die Schwerkraft an. So können wir alle – gehalten von der Schwerkraft der Erde – sicher auf unserem Planeten wandeln. Geophysiker können über winzige Abweichungen des Schwerefelds – so genannte Schwereanomalien – auch auf Erdöl- oder Erzlagerstätten im Untergrund schließen. Doch nun entwickelten britische Forscher von der University of Birmingham einen sensiblen und mobilen Schwerkraftsensor, mit dem sich etwa im Untergrund verborgene Tunnel aufspüren und vermessen lassen.

Als Sensor diente Ben Stray und seinem Team ein Atom-Gradiometer, das deutlich schneller als bisherige Messmethoden selbst kleinste Schwereanomalien detektieren konnte. Dank einer Technologie, die sonst nur in den Laboren von Quantenphysikern genutzt wird, konnte der Einfluss von Störfaktoren wie etwa kleinen Bodenerschütterungen stark reduziert werden. Erstes Einsatzgebiet des Atom-Gradiometers war eine Straßenschlucht in Birmingham. Dort konnte der mobile Sensor die von einem Tunnel und seinen Wänden erzeugten Abweichungen der Gravitation mit einer hohen Genauigkeit von bis zu 1,4 Nano-g messen. Ein g ist die gemittelte Erdanziehung von 9,81 Metern pro Sekundequadrat.

Für ihre Versuche setzten Stray und Kollegen eine Vakuumkammer auf einen rollbaren Untersatz. Die Quanten-Technologie bezieht sich auf die zwei Wolken aus ultrakalten Rubidiumatomen, die sich in der Kammer befanden – eine exakt ein Meter über der anderen. Diese zuvor fixierten Atomwolken ließen sie fallen und konnten mit der Methode der Laser-Interferometrie die jeweiligen Fallgeschwindigkeiten der Atome messen.

Daraus ergaben sich die Unterschiede in den Gravitationswirkungen auf die beiden Wolken. Nach jeder Datenaufnahme rollten die Forscher ihr Atom-Gradiometer ein Stück weiter und wiederholten die Messungen mehrmals. So ergab sich ein Muster über die Abweichungen der Schwerkraft in Abhängigkeit von verborgenen Strukturen im Untergrund. Konkret konnten sie die Lage der in achteinhalb Meter liegenden Tunnelwände mit einer Genauigkeit von knapp einem fünftel Meter bestimmen.

Dieser Pilotversuch zeigte, dass sich genaue Schweremessungen vier- bis zehnmal schneller und weniger störanfällig durchführen lassen als mit herkömmlichen Gravitationssensoren. Mit einem Atom-Gradiometer kann also der Untergrund selbst in dicht bebauten und stark von Störsignalen belasteten Gebieten gut vermessen werden. Solche Vorerkundungen sind vor allem für neue Bauvorhaben oder bei Reparaturen im Untergrund sinnvoll – gerade dann, wenn keine verlässlichen Karten etwa von alten Rohrleitungen mehr verfügbar sind.

(jle)