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Mit "Neuen Richtungen der Datenverarbeitung in den Geisteswissenschaften" beschäftigt sich eine Konferenz der Association for Literary and Linguistig Computing und der Association for Computers and the Humanities.

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Von
  • Monika Ermert

Mit "Neuen Richtungen der Datenverarbeitung in den Geisteswissenschaften" beschäftigt sich seit gestern eine viertägige Konferenz der Association for Literary and Linguistig Computing (ALLC) und der Association for Computers and the Humanities (ACH) an der Universität Tübingen.

Vor 40 Jahren hatte der Eröffnungsredner auf der diesjährigen Konferenz, Roy Wisbey Genesis vom Kings College London, die Genesis und das Rolandslied noch in Lochkarten gestanzt, in einem Kellerlabor der Mathematiker in Cambridge. Inzwischen macht die Kompilation von Handschrift und Drucktext etwa von James Joyce' Ulysses eine Wort-für-Wort-Überprüfung am Schirm möglich -- bei dem Streit gerade um Editionsarbeiten wie den Ulysses ein interessantes Tool für Literaturwissenschaftler. Einer der ältesten Werkzeugkästen für die Textedition, Vergleich und Glossierung der Texte, TUSTEP (TUebingen System of Text Processing Programs), wurde seit den 60er Jahren an der Universität Tübingen entwickelt. Es diente etwa als Tool für die Ulysses-Edition oder bei der Redigitalisierung des Grimmschen Wörterbuchs.

Vor allem drei neue Richtungen in der Arbeit der Computerphilologen konstatiert Susan Hockey, langjährige Präsidentin der ALLC: "Die Arbeit der Bibliotheken und die aus dem Bereich des Humanity Computing wächst zusammen, die Forscher haben heute eine Vielzahl von Werkzeugen an ihrem Arbeitsplatz zur Verfügung, und das Internet hat die Arbeit enorm verändert." Nach Hockeys Ansicht fehlt es derzeit vor allem an Tools für die Aufbereitung von Archivmaterialien. Eine der Sitzungen der kommenden vier Tage beschäftigt sich mit diesem Thema. Daneben werden zahlreiche Editions- und Annotierungprojekte und Standardisierungsbemühungen wie die Text Encoding Initiative (TEI) oder der Metadata Encoding Transmission Standard (METS) vorgestellt. Vor allem für Töne und Bewegtbilder fehlt es noch an Metadaten-Konzepten.

Sich einen besseren Überblick über die Vielzahl der laufenden Projekte zu verschaffen, die Schaffung eines virtuellen "Institute of Humanities Computing" und die Wiederverwertbarkeit der Projektmaterialien haben sich die beiden Organisationen jetzt zum Ziel gesetzt. Daneben machen den Wissenschaftlern vor allem zwei Dinge Sorgen: Archivierung und Erhalt der elektronischen Arbeiten und Quellen und das Copyright-Problem. "Kosten für die ständige Erneuerung digitaler Bibliotheken sind bis heute noch nicht vollständig erfasst", warnte Hans-Werner Ludwig, ehemaliger Rektor der Uni Tübingen.

Unbehaglich ist den Wissenschaftlern auch bei der Debatte um das Copyright. Für Wilhelm Ott, einen der TUSTEP-Väter, ist die Vorstellung beängstigend, dass man inzwischen eher Jurist, denn Entwickler sein sollte. "Die Wissenschaft ist behindert dadurch, dass keine Klarheit über die Rechte herrscht," sagte Wisbey gegenüber heise online, am liebsten wolle er die heiße Kartoffel nicht anfassen. Micropayment und Lizenzierungsfragen sind eines der Themen im Abschlusspodium am Samstag. In neueren Projekten wie dem jetzt angelaufenden HyperNietsche sind die Juristen gleich mit von der Partie. (Monika Ermert) / (jk)