EU-Rat macht neuen Vorstoß zur Softwarepatent-Richtlinie [Update]

Das "Vermittlungspapier" zum Vorschlag für eine Softwarepatent-Richtlinie der Brüsseler Kommission sehen Kritiker als Verschlimmbesserung an.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 167 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Der Europäische Rat hat unter seiner derzeitigen dänischen Präsidentschaft einen Vermittlungsvorstoß zum umstrittenen Vorschlag der Brüsseler Kommission für die Einführung von Softwarepatenten gestartet. In einem jetzt vorliegenden "Kompromisspapier" versuchen die Mitgliedsstaaten zum einen, strengere Bedingungen an das von der EU-Kommission ins Spiel gebrachte Entscheidungskriterium der "Technizität" von Computerprogrammen als Voraussetzung für eine Patentierbarkeit zu knüpfen. Andererseits könnten Verletzungen des staatlich gewährten Patentschutzes durch neu eingebrachte Definitionen schärfer und unmittelbarer geahndet werden. Denn Patentansprüche auf Computerprogramme sollen laut Kritikern auch dann erhoben werden dürfen, wenn diese beispielsweise nur in nicht direkt ausführbarer Textform in einem Netzwerk bereitgehalten werden.

Begrüßt wurde bei ersten Ratsgesprächen Mitte der Woche von Vertretern der EU-Mitgliedsstaaten Frankreich, Großbritannien und auch Deutschland vor allem die geplante Neufassung des Artikels 4 des Kommissionspapiers. Der dänische Vorschlag will ausschließen, dass einer "computer-implementierten Erfindung" schon allein deswegen ein "technischer Beitrag" und damit eine Patentierbarkeit zugeschrieben wird, nur weil diese "den Gebrauch eines Computers, Netzwerks oder anderen programmierbaren Geräts" einschließt. Gleichzeitig sollen Computerprogramme, die Businesspraktiken oder mathematische Methoden ohne technischen Charakter implementieren und "keine technischen Effekte jenseits der normalen physikalischen Interaktion" mit einem Rechner oder Netz produzieren, nun ebenfalls ausdrücklich nicht patentierbar sein.

Nach wie vor fehlt in den gesamten EU-Planungen allerdings eine klare Definition, was als "technischer Effekt" gelten soll. Das Erzeugen etwa von Leuchtpunkten auf einem Bildschirm dürfte durch die neue Klausel nicht mehr darunter fallen. Viele begriffliche Unklarheiten bleiben aber trotzdem erhalten. Gegenüber heise online zeigte sich Hartmut Pilch, einer der entschiedensten Gegner des Softwarepatentvorhabens der EU vom Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII), außerdem besonders besorgt über neue Anspruchrechte der Patenthalter bei der Verfolgung von potenziellen Verletzungen. Eingefügt wurde in das Ratspapier nämlich der Artikel 5.2, der vorsieht, dass Ansprüche auf ein Computerprogramm möglich sein sollen, wenn dieses "in einen Computer" oder "ein programmiertes Computernetzwerk geladen ist" und eigentlich patentrechtlich geschützt ist. Pilch befürchtet, dass damit Patentverletzungen genauso wie Urheberrechtsverletzungen angesehen werden sollen: "Wenn etwa ein Anbieter ein als Text gefasstes Programm auf einem Server bereithält, könnten Patentanwälte sofort Abmahnbriefe an den Netzprovider schicken." Die rechtssystematischen und symbolischen Auswirkungen einer solchen Stärkung von Patentansprüchen würden dem FFII zufolge gravierend sein.

Vor allem die Open-Source-Gemeinde sieht seit langem in der Einführung von Softwarepatenten in Europa gemäß amerikanischer Strickmuster eine Gefahr für die Branche. Mit dem "Kompromisspapier" hat Jürgen Siepmann, Justiziar des Linux-Verbands, nun die Erwartungen an die EU an eine vernünftige Lösung endgültig zurückgeschraubt. Seine Hoffnung richtet sich auf die rot-grüne Koalition sowie das Europaparlament. In Brüssel wird vor dem Rechtsausschuss am 7. November eine Anhörung zu der strittigen Thematik stattfinden, zu der neben Vertretern der Patentlobby auch der FFII geladen wurde. Der Förderverein hat ferner einen Appell ins Web gestellt, in dem er die Bundesregierung auffordert, "ihre Position zum rechtlichen Status von Logikpatenten" endlich klar zu stellen, und einen Gegenvorschlag vorstellt. Zugleich weist der FFII darauf hin, dass auf staatlichen Webseiten hierzulande anscheinend zahlreiche patentierte Organisations- und Rechenregeln verletzt werden, und fragt sich, ob dafür Lizenzen vorliegen.

Kritik an dem neuen Vorstoß kommt auch vom Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK): Er warnte in einer Erklärung davor, Computerprogrammen das für technische Produkte vorbehaltene Patentrecht überzustülpen. Das Patent sei ein geprüftes Recht und schütze bei technischen Erfindungen gegen Nachahmungen. Der DIHK fordert, die Patentierbarkeit im EU-Recht wesentlich konkreter abzufassen und auch das Merkmal der Erfindungshöhe stärker zu beachten.(Stefan Krempl) / (jk)