COVID-19: Immunologischer Booster in der Muttermilch?

In Milch steckt ein Stoff, der vor einer SARS-CoV-2-Infektion schützen könnte: Lactoferrin stärkt das Immunsystem des Nachwuchses.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 33 Kommentare lesen

(Bild: USDA / PD)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der Nachwuchs von Säugetieren kommt mit einem rudimentären Immunschutz auf die Welt. Nur das angeborene Immunsystem wehrt Krankheitserreger ab – die Armee an Antikörpern, Gedächtniszellen und anderen Abwehrmechanismen des adaptiven Immunsystems bildet es erst im Laufe der Zeit durch Kontakt mit Erregern. Es muss erst lernen, sich gegen Krankheitserreger zu wehren.

Deshalb ist ein Neugeborenes auf einen Immunbooster durch seine Mutter angewiesen und einen Teil davon erhält es durch die Muttermilch. Ein wichtiges Schutz-Molekül in der Milch von Säugern ist Lactoferrin. Es wirkt antibakteriell, antiviral, antioxidativ und verbessert die Funktion diverser Immunzellen. Dabei ist Lactoferrin ein einfaches Glycoprotein und aus gerade einmal 692 Aminosäuren aufgebaut. Seine zentrale Funktion ist, ungebundenes Eisen in Körperflüssigkeiten zu binden. Damit entzieht es beispielsweise Mikroorganismen, die in Körperzellen eindringen, das für ihre Vermehrung wichtige Metall – ein Effekt, der schon lange bekannt ist.

Aber das ist nicht die einzige Funktion dieses Milchproteins. Es scheint auch zu verhindern, dass Viren sich an ihre Wirtszellen heften und in die Zellen eindringen können. In Laborversuchen hat es die Infektion von Zellen mit Erregern wie Hepatitis-C, HIV, Influenza und anderen aggressiven Viren unterbunden. Und auch das erste SARS-Co-Virus, das 2002 zum ersten Auftreten des Schweren Akuten Respiratorischen Syndroms führte, konnte Lactoferrin erfolgreich aus den Wirtszellen aussperren.

Das Milchprotein wirkt auf drei Arten gegen den Eintritt der Viren in die Zellen: Es bindet sich direkt an das Virus; es blockiert das Molekül auf der Wirtszelle, über die sich das Virus an die Zelle heftet, um den eigentlichen Aufnahmeprozess einzuleiten. Und ist das Virus doch in die Zelle eingedrungen, hemmt Lactoferrin die Vermehrung der Viren innerhalb der Zelle. Dazu kommt noch, dass das Protein die Funktion zweier Sorten weißer Blutkörperchen unterstützt.

MINT-Jobtag am 5. April 2022 in München

Die bewährte Jobmesse speziell für den MINT-Bereich geht im Jahr 2022 in eine neue Runde. Das Event bringt Fachrkäfte, Berufseinsteiger und Firmen in München zusammen. Das Tagesprogramm bietet die Unternehmensausstellung, kostenlose Bewerbungsmappen-Checks sowie professionelle Bewerbungsfotos und ein Vorträge von Experten rund um Karriere im MINT-Bereich.

All diese Effekte bringen Lactoferrin als Schutz vor einer Covid-19-Infektion und als Unterstützung bei beginnenden und milden Infektionen ins Gespräch: Forschende der University of Michigan und der Glanbia PLC Research and Development haben die antivirale Wirkung des Milchproteins gegen verschiedene Varianten von SARS-CoV-2 in Zellkulturen untersucht.

Das Protein ist ein frei verkäufliches Nahrungsergänzungsmittel, das vor allem aus Kuhmilch gewonnen wird. Es ist ein wichtiger Bestandteil von Säuglingsnahrung. Erwachsene nehmen es vor allem ein, wenn sie unter Eisenmangel leiden aber die hochdosierten Eisenpräparate nicht vertragen.

Lactoferrin mildert die Symptome, indem es das Eisen abpuffert. Von dem Protein selbst sind keine besonderen Nebenwirkungen bekannt und auch die amerikanische Zulassungsbehörde FDA stuft es als sicher ein.

Allerdings hat es eine sehr kurze Halbwertzeit: Schon ungefähr zehn Minuten nach dem Schlucken haben es die Verdauungssäfte des Magen-Darm-Traktes zerlegt. Das Hauptabbauprodukt Lactoferricin B wirkt jedoch in Zellkulturen ebenfalls stark antimikrobiell – und es wirkt gegen SARS-CoV-2 in unterschiedlichen Varianten.

Da die Forschenden davon ausgehen, dass das Milchprotein auch gegen künftig auftretende Varianten wirken wird, planen sie derzeit eine klinische Studie, bei der sie Lactoferrin als Lutschpastillen zur Prophylaxe und auch als Therapie testen wollen. Denkbar wäre ebenfalls, es mit magensaftresistenten Kapseln zu verabreichen, damit mehr intaktes Lactoferrin im Darm ankommt – oder es gleich dort hinzubringen, wo die Infektion stattfindet: in die Nase.

Bestätigen sich die im Labor entstandenen Hoffnungen der Forschenden, könnte das Lactoferrin sofort seinen ganzen Charme als Virus-Blocker entfalten. Gereinigtes Rinder-Lactoferrin ist keine Mangelware: etwa 350 Millionen Tonnen hat die Lebensmittelindustrie im Jahr 2020 produziert und ist in Apotheken frei erhältlich.

(jsc)