FinFisher: Die Firma des Staatstrojaners "FinSpy" gibt es nicht mehr

Die FinFisher GmbH und zwei weitere Firmen der Unternehmensgruppe haben nach einer Strafanzeige und anschließenden Kontopfändung Insolvenz angemeldet.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 19 Kommentare lesen

(Bild: Gorodenkoff/Shutterstock.com)

Update
Lesezeit: 3 Min.

Die Finfisher GmbH und zwei Partnerfirmen der Münchner Finfisher Holding GmbH – FinFisher Labs GmbH und raedarius m8 GmbH – haben Insolvenz angemeldet und den Geschäftsbetrieb eingestellt. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens aufgrund illegaler Exporte des Staatstrojaners Finspy hat die Staatsanwaltschaft die Finfisher-Konten gepfändet. Vorangegangen war eine Strafanzeige der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF), Reporter ohne Grenzen (RSF), des European Centers for Constutional and Human Rights (ECCHR) und Netzpolitik.org.

"Die Finfisher GmbH ist aufgelöst. Ihr Geschäft mit illegalen Exporten von Überwachungssoftware an repressive Regime ist gescheitert. Das ist ein direkter Erfolg unserer Strafanzeige", betonte Sarah Lincoln, Juristin und Verfahrenskoordinatorin der GFF.

Dem Global Spyware Index von 2021 zufolge ist Finfisher Spyware-Marktführer und wird in 33 Ländern eingesetzt – dicht gefolgt von der ebenfalls stark kritisierten NSO Group. Lediglich 6 Prozent der Länder, in denen die Finfisher -Spyware eingesetzt wurde, seien echte Demokratien, geht aus dem Global Spyware Market Index hervor.

Mit der Spyware von Finfisher und den Partnerfirmen des Unternehmens haben Polizei und Geheimdienste weltweit Menschen ausfindig machen können, die ihre Telefongespräche und Chats mitschneiden und sämtliche Handy- und Computerdaten auslesen können. "Der Einsatz von Überwachungssoftware ist ein massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, der insbesondere in Ländern mit repressiven Regimen dramatische Folgen haben kann – für Journalisten und ihre Quellen, ebenso wie für Aktivistinnen und Oppositionelle", sagte Lisa Dittmer, Referentin für Internetfreiheit bei RSF.

Seit 2015 hat die Bundesregierung laut GFF keine Exportgenehmigungen mehr für Überwachungssoftware erteilt. Der Export derartiger Software für Länder außerhalb der EU ist genehmigungspflichtig und Verstöße strafbar. Dennoch würden immer wieder aktuelle Finspy-Trojaner in Ländern wie der Türkei auftauchen. 2021 forderten ungefähr 100 Organisationen und Vereine in einem offenen Brief ein Moratorium für Spyware, bis ein Rechtsrahmen verabschiedet und durchgesetzt wird, der die Durchführung einer menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung durchsetzt.

"Bislang konnten Firmen wie Finfisher trotz europäischer Exportregulierung fast ungehindert weltweit exportieren. Die strafrechtlichen Ermittlungen waren längst überfällig und führen hoffentlich schnell zur Anklage und Verurteilung der verantwortlichen Geschäftsführer", sagte Miriam Saage-Maaß, Legal Director beim ECCHR.

Bereits 2019 hatte die Münchner Staatsanwaltschaft aufgrund mutmaßlichem Export des Staatstrojaners ermittelt. Damals hieß es, türkische Oppositionelle seien mit der Überwachungstechnik von Finfisher ausgespäht worden. Das Unternehmen warb dennoch mit dem "Kampf gegen Kriminalität".

Auch wird gegen Finfisher selbst ermittelt, und zwar weil Finspy "ohne die erforderliche Ausfuhrgenehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ausgeführt worden sein könnte", wie die Staatsanwaltschaft gegenüber Netzpolitik.org äußerte. Inzwischen sei unter dem Firmennamen keiner mehr zu erreichen, die Briefkästen seien zugeklebt. An der Überwachungsmesse ISS World in Dubai Anfang März hatte Finfisher einer Messe-Sprecherin zufolge "nicht teilgenommen, nicht bezahlt und nicht abgesagt".

Update 28.03.2022, 18:00 Uhr: Die Finfisher Holding GmbH wird zwar seit 2019 als Vilicius Holding GmbH weitergeführt, allerdings hat die Holding nichts mehr mit der Finfisher GmbH zu tun. Laut Insolvenzverwalter sind alle Mitarbeiter entlassen.

(mack)