"Waffentechnik": Geheimniskrämerei um "feuchte Generalprobe" der NASA-Rakete SLS

Weil Gegner aus dem genauen Ablauf Informationen über ballistische Raketen ziehen könnten, gibt es von der NASA zum anstehenden SLS-Test weniger Informationen.

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Die SLS auf der Startrampe

(Bild: NASA/Ben Smegelsky)

Lesezeit: 4 Min.

Zwei Wochen nachdem die Riesenrakete SLS erstmals auf die Startrampe gefahren wurde, sollen am Wochenende alle für einen Start nötigen Prozeduren durchlaufen werden. Erst weniger als 10 Sekunden vor der Zündung der Triebwerke soll der Countdown angehalten werden, teilte die NASA mit. Die Öffentlichkeit werde dabei aber nur eingeschränkt informiert, um US-Regeln zum Waffenhandel (ITAR) einzuhalten, ergänzte sie. Deshalb soll es zwar einen offiziellen Livestream der Prozedur geben, der werde aber nicht wie üblich kommentiert. Zuschauer und Zuschauerinnen werden also nicht wissen, was jeweils gerade geschieht. Als Begründung heißt es, dass die eingesetzte Technik der von ballistischen Raketen gleiche, an der andere Staaten großes Interesse hätten. Experten sind nicht überzeugt.

Der jetzt anstehende Testlauf heißt bei der NASA "feuchte Generalprobe" ("Wet dress rehearsal"), weil die Rakete dabei unter anderem auch mit Flüssigtreibstoff betankt wird. Möglichst originalgetreu werden dabei das gesamte Prozedere durchgespielt, das für einen richtigen Start nötig ist – erst kurz vor dem unumkehrbaren Zünden der Triebwerke wird abgebrochen. Die letzten 10 Minuten vor dem Start werden dabei sogar zweimal durchlaufen, erklärte die NSA nun. Weil aus dem zeitlichen Ablauf etwa der verschiedenen Tankvorgänge wertvolle Informationen über derartige Raketen gewonnen werden könnten, würden sie aber weitgehend geheim gehalten. Experten wie der US-Astronom Jonathan McDowell haben aber bereits darauf hingewiesen, dass die NASA bei vergleichbaren Starts und Tests früher deutlich mitteilsamer war – sogar im Kalten Krieg.

Zuvor hatte Tom Whitmeyer von der NASA die Geheimniskrämerei mit den "Verhältnissen, in denen wir uns aktuell befinden" begründet, zitiert Gizmodo. Damit bezog er sich offensichtlich auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und einen neuerlichen Raketentest Nordkoreas vor wenigen Tagen. McDowell habe dazu gemeint, dass solche Sicherheitsvorkehrungen typischerweise nicht von Personen durchgesetzt würden, die das nötige technische Verständnis hätten, um wirklich zu wissen, was anderen helfen würde und was nicht. Stattdessen werde es so "über-enthusiastisch" durchgesetzt, dass es die freie Kommunikation viel stärker einschränkt, als dass es irgendwelche Risiken verringert. Andere weisen darauf hin, dass ballistische Raketen typischerweise überhaupt nicht mit Flüssigkeitstreibstoff angetrieben werden, weil die Tankprozedur viel zu langwierig sei.

Zum genauen Ablauf der "feuchten Generalprobe" gibt es deshalb von der NASA nur wenige Informationen. Geplant ist die demnach für das kommende Wochenende, beginnen soll sie am Freitag, dem 1. April. Während der Übung soll der Countdown demnach zuerst bis zu einer Minute und 30 Sekunden herunterlaufen. Dann gebe es eine Pause, nach der der Countdown bis zu -33 Sekunden herunterlaufen soll. Dann werde der Countdown zurück auf -10 Minuten gestellt, der dann bis etwa 9,3 Sekunden vor 0 ablaufen soll. Danach soll der Treibstoff wieder entfernt werden, um auch einen Abbruch zu testen. Die während des Tests gesammelten Daten sollen dann überprüft werden, damit ein Startdatum festgelegt werden kann. Den unkommentierten Livestream soll es auf dem Youtube-Kanal des Kennedy Space Center geben.

"Feuchte Generalprobe" der SLS (27 Bilder)

Die Riesenrakete im Montagegebäude
(Bild: NASA)

Das Space Launch System wird seit Jahren entwickelt und gebaut, die Riesenrakete soll die Rückkehr der Menschheit zum Mond ermöglichen. Lange war davon ausgegangen worden, dass sie dann die stärkste Rakete der Geschichte sein würde. Der Platz könnte ihr aber jetzt von einer anderen Riesenrakete streitig gemacht werden, die SpaceX erst seit wenigen Jahren entwickelt und die genau wie die SLS in diesem Jahr zum ersten Mal ins All fliegen soll. SpaceX macht dabei auch bezüglich der Kosten Druck auf die NASA, denn der dort inzwischen erreichte Preis von 4,1 Milliarden US-Dollar pro SLS-Start gilt als "unhaltbar". Bei ihrem ersten Start soll die SLS diesen Sommer die unbemannte Orion zum Mond schießen, den die Raumkapsel dann mehrere Tage umkreisen soll. Die Artemis-1 genannte Mission ist eine Vorbereitung für die geplante Rückkehr zum Mond.

(mho)