Frisch aus der Werkstatt - Ein Selbstbau-Synthesizer von Moog

In der letzten Episode stand der Korg NTS-1 im Fokus. Das ist aber nicht der einzige verfĂĽgbare Synthesizer zum Zusammenbauen.

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(Bild: Moog Music)

Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Dr. Michael Stal
Inhaltsverzeichnis

Vom Urvater aller Synthesizer Robert Moog gibt es einen relativ preisgĂĽnstigen Bausatz namens Werkstatt-01. Um diesen "Mini-Moog" soll es im vorliegenden Beitrag gehen.

Der analoge, einstimmige Moog-Synthesizer Werkstatt-01 kam zum ersten Mal im Jahre 2015 als DiY-Baukasten auf den Markt. Das Produkt umfasst einen kleinen Analogsynthesizer, der Technik von größeren Moog-Synthesizern wie Little Phatty, Sub 37 oder Mini Voyager enthält.

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Das Kit ist das Ergebnis des jährlich stattfindenden Moogfests, bei dem Kunden, Künstler und Mitarbeiter die Moog-Produktfamilie zelebrieren. Dazu gehören unter anderem Vorträge und musikalische Sessions. Im Jahr 2014 konnten Interessenten unter Hilfestellung von Moog-Mitarbeitern den kleinen Synthesizer Werkstatt-01 zusammenbauen, sich daran auch nach der Konferenz erfreuen, und außerdem überall und jedermann von diesem Miniatursynthesizer erzählen, was schließlich in der Moog-Community zu einer Euphorie für den Werkstatt-01 führte. Überrascht von dieser positiven Resonanz, beschloss Moog, den DiY-Synthesizer 2015 als Baukasten für alle Interessierten herauszubringen.

Zu Beginn mussten Synthesizer- oder Elektronikfreaks noch über 300 Euro für das Kit hinblättern plus weitere 49 Euro für den optionalen CV-Expander.

2020 hat Moog den Synthesizer neu aufgelegt. Seitdem ist der Bausatz inklusive CV-Expander bereits für rund 215 Euro im Fachhandel erhältlich.

Das Zusammenschrauben beziehungsweise Stecken der Komponenten dauert nicht mehr als zehn Minuten. Alles, was Maker dafür benötigen, ist ein handelsüblicher Philips-Schraubenzieher. Die folgende Bilderstrecke illustriert, welche Schritte dabei nötig sind.

Unboxing: Der Synthesizer kommt gut verpackt an.

Sichtung aller gelieferten Teile.

Zunächst montiert der Maker die Gummifüße ans Gehäuse.

Die PCB-Platine kommt per Schrauben aufs Gehäuse

Ein gutes Zeichen: die rote LED brennt.

Vor dem Aufstecken des Frontpanels sollten angehende Moog-Anwender den Werkstatt-01 über das mitgelieferte Netzteil an den Strom anschließen. Leuchtet die rote LED bei LFO kontinuierlich oder blinkt sie je nach Einstellung des RATE-Drehknopfes, dann funktioniert das Gerät einwandfrei.

Wer auch den CV-Expander am Gerät befestigen möchte, verwendet auf der rechten Gehäuseseite die zwei beigelegten spitzen Schrauben statt der zwei schwarzen Gehäuseschrauben.

Nun wird noch auf der rechten Gehäuseseite der CV-Expander montiert.

Im letzten Beitrag kamen bereits die grundsätzlichen Elemente eines (analogen) Synthesizers zur Sprache. Trotzdem erfolgt an dieser Stelle nochmals ein Überblick, um auch die Terminologie von Moog kennenzulernen.

Grobarchitektur des Werkstatt-01. Die durchgehenden Pfeile repräsentieren Audiosignale, die gestrichelten Pfeile Kontrollsignale.

(Bild: (c) Moog Music)

Die erste und zentrale Komponente jedes Synthesizers ist ein Oszillator, der Wellen mit bis zu 16 kHz erzeugt. Dieser firmiert unter dem Begriff VCO (Voltage-Controlled Oscillator) und erlaubt beim Werkstatt-01 (Bedienbereich WAVE) entweder Sägezahnwellen (SAW) oder Rechteckswellen (PULSE). Deren Frequenz lässt sich mit dem FREQ-Poti und deren Intensität mit dem PWM-Poti vom Anwender beeinflussen. PWM steht dabei für Pulse-Width-Modulation und bestimmt, wie lange das Signal anliegen (Busy-Phase) und wie lange es nicht anliegen soll (Idle-Phase). Dadurch lässt sich die Intensität des Signals variieren.

Ein Envelope Generator (ENVELOPE beziehungsweise EG) bietet Einstellmöglichkeiten für jeden erzeugten Ton: A = Attack beschreibt die Zeit, bis zu der ein Ton seine maximale Amplitude (Lautstärke) erreicht, S = SUSTAIN regelt die Höhe des Tons (SUSTAIN = ON), und D = DECAY ist dafür verantwortlich, wie lange es am Schluss dauert, bis der Ton wieder die 0 erreicht.

Links unten auf dem Bedienpanel gibt es als weiteren Oszillator den LFO (Low-Frequency Generator), der im Gegensatz zum VCO einen niedrigfrequenten Oszillator darstellt. Als Wellenformen sind Rechteckswellen und Dreieckswellen möglich. Der Schaltpoti RATE stellt die Frequenz des LFO ein. Dessen Wellen sind für das menschliche Ohr nicht hörbar. Aber wozu braucht es dann überhaupt einen LFO?

Oberfächliches Schaltungsdiagramm für den Werkstatt-1

Dazu betrachten wir zwischen VCO und LFO den VCO MOD, einen Modulator, der vorgegebene Wellen moduliert. Dessen Quelle (SOURCE) kann dabei entweder der LFO oder der Hüllkurvengenerator (EG) sein. Die Modulation arbeitet dabei als Ziel (DEST) entweder auf der Pulsweitenmodulation (PWM) oder der Frequenz (FREQ) des VCO. Die Intensität beziehungsweise Stärke der Modulation hängt von der Einstellung von AMOUNT ab. Obwohl also die vom LFO erzeugten Wellen für uns nicht hörbar sind, verändern sie angewandt auf den VCO den Sound hörbar. Der LFO spielt also eine wichtige Rolle bei dem Anpassen der Wellenform.

Im Abschnitt rechts neben dem VCO residiert der VCF (Voltage-Controlled Filter), eine Komponente, die aus der im VCO erzeugten Welle Frequenzen herausschneidet oder Resonanz hinzufügt. Mit dem Poti CUTOFF legt der Musiker fest, welche Frequenzen der Synthesizer herausfiltern soll. Damit wird auch der Moog-typische Ladder-Filter mit 24db Flankenanstieg realisiert, der Moog-Synthesizern ihren charakteristischen, "fetten" Ton verschafft. Bei der Resonanz füttert der Synthesizer die Ausgabe des Filters nochmals an den Eingang zurück, was zu einer harmonischen Verstärkung des Tons führt.

Rechts daneben befindet sich der VCA (Voltage-Controlled Amplifier), der entweder auf Basis der HĂĽllkurve dynamisch arbeitet (EG) oder statisch einen andauernden Ton erzeugt (ON).

Der Modulator namens VCF MOD nutzt als Quelle (SOURCE) entweder den Hüllkurvengenerator (EG) oder den LFO, moduliert dabei mit einer einstellbaren Stärke (AMOUNT) den Filter VCF und kann dabei auch die Polarität umkehren (POLARITY), was erlaubt, die CUTOFF-Frequenz weiter zu senken und damit einen "dunkleren" Sound zu erzeugen. Wenn etwa der VCF MOD den LFO als Quelle nutzt, verschiebt sich dynamisch und regelmäßig die CUTOFF-Frequenz des Filters VCF gemäß dem dazumodulierten LFOs, sodass als Ergebnis ein alarmartiger Klang entsteht.

Der Drehknopf GLIDE dient dazu, den Übergang zwischen zwei aufeinanderfolgenden Tastenanschlägen festzulegen, beantwortet also die Frage, ob sich Töne stakkatoartig, also abrupt abwechseln, oder stattdessen legatoartig sanft ineinander gleiten.

Rechts neben dem GLIDE-Knopf befinden sich übrigens die Tasten, um einzelne Noten einer Oktave zu spielen. Dieser Kompromiss ist der Größe des Synthesizers geschuldet, weil der kleine Synthesizer natürlich keinen Platz für eine echte Klaviatur besitzt. Die unteren acht Eingabeknöpfe entsprechen den weißen Tasten eines Klaviers im Umfang einer Oktave, die fünf oberen Knöpfe den schwarzen Klaviertasten.

In der Spielpraxis empfiehlt sich deshalb eine andere, bequemere Eingabemöglichkeit etwa ein Midi-Keyboard.

Wer sich noch weiter in die Materie Synthesizer einarbeiten möchte, findet grundlegende Infos über Synthesizer auch auf der Webseite von How-Stuff-Works.

Wie man mit einem Synthesizer Sounds erstellt, findet sich auf der Webseite bonedo.de.

Als Buch empfiehlt sich "Synthesizer. So funktioniert elektronische Klangerzeugung" von Florian Anwander.

Im Großen und Ganzen legt das Gerät also fest, wie seine verschiedenen Sektionen verschaltet sind. Hier ist oft vom Signalpfad die Rede. Durch Wechselschalter lassen sich zumindest alternative Signalpfade definieren, etwa bei der schalterbasierten Wahl zwischen unterschiedlichen Quellen und Zielen beim VCO MOD.

Der am Werkstatt-01 anmontierte CV-Expander – CV steht für Control Voltage – verändert diese Situation, in dem er mittels Patchkabel erlaubt, eigene Signalpfade zu definieren. Dadurch lässt sich der Werkstatt-01 vereinfacht als semimodularer Synthesizer betrachten. Nebenbei bemerkt: Ohne Integration des CV-Expanders lassen sich diese Verbindungen mittels eingesteckter Dupontkabel vorgeben.

Am CV-Expander lassen sich neue Signalpfade per Patch-Kabel schalten, die zu interessanten Sounds fĂĽhren.

Grundsätzlich gibt es folgende Ausgänge: VCO OUT, VCF OUT, LFO OUT, EG OUT, TRIG OUT, GATE OUT, KB CV OUT, CV OUT.

Und als Eingänge: VCF OUT IN, GATE IN, LFO IN, VCO EXP IN, VCO LIN IN, VCA IN, CV IN.

Wer also einen Eingang mit einem Ausgang verbindet, kann völlig neue Konfigurationen definieren. Der Synthesizer bietet für jeden Ausgang zwei Ports, für jeden Eingang einen Port. Damit lassen sich von jedem Ausgang per Kabel bis zu zwei Eingänge ansteuern.

Mögliche Beispielskonfiguration: Musiker verbinden per Dupontkabel oder Patchkabel den Ausgang des Envelope Generators mit dem Eingang des LFO. Dadurch beeinflusst das vom Envelope Generator ausgehende Spannungssignal die Frequenz des LFOs, was zu einem speziellen oszillierenden Ton mit sich vergrößernden Dämpfung führt.

Zunächst lohnt es sich, mit dem Synthesizer zu experimentieren. Einfach einen Kopfhörer in die 6,3 mm-Buchse anschließen und schon kann es losgehen.

Das Werkstatt-01 Exploration Patchbook ist ein guter Ausgangspunkt, um zu lernen, wie sich verschiedene Soundeffekte mittels Patchkabel am CV-Expander erzielen lassen.

Einbringen von Verzerrung mittels zweier Patchkabel.

“Pick up the Phone” ist ein weiterer Patch-Vorschlag.

Auf der SoundCloud finden sich unter der Suchzeichenkette “moog werkstatt” allerlei Beispiele für im Werkstatt-01 produzierte Sounds.

Den Anschluss externer Hardware, zum Beispiel des Midi-Keyboards Arturia KeyStep Pro an den Werkstatt-01 über den CV-Expander, zeigt exemplarisch ein Video des amerikanischen Händlers Sweetwater ().

Beim Anschließen externer Hardware kann es freilich passieren, dass die Oktave auf dem Moog nicht mehr richtig kalibriert ist, was zum Beispiel zu einer Abweichung von einem Halbton führen kann, weil etwa aus dem oberen C ein C# wird. In diesem Fall muss der Anwender den Synthesizer kalibrieren. Dazu gibt es sowohl Anleitungen auf YouTube als auch ein Manual. Normalerweise deckt 1 V auf dem Synthesizer eine Oktave ab, aber durch Anschluss eines externen Geräts ist es möglich, dass sich hier etwas verschiebt, was sich durch den Trimpoti VCO EXP TRIM kalibrieren lässt. Der sitzt direkt auf dem eingebauten PCB-Board. Zum Kalbrieren reicht also das VCO-EXP-TRIM-Poti plus ein Instrumententuner, den es als Hardware oder als Smartphone-App gibt.

Den Synthesizer von Moog betrachtet der Artikel vor allem wegen seiner Ausbaufähigkeiten. So können Anwender unter anderem den LFO zu einem zweiten VCO umbauen, per Arduino oder einem anderen Microcontroller einen Arpeggiator konstruieren oder einen wabbelnden Klang erzeugen, eine Pitchbend-Möglichkeit oder einen Noise-Generator hinzufügen, und vieles mehr.

Dazu gibt es von Moog und anderen wertvolle Anregungen. Ein ganzes Tutorial fĂĽr Synthesizer Mods findet sich zum Beispiel hier.

Für die Mods sind im wesentlichen einfache Bausteine wie Breadboards, Dupontkabel, Widerstände, Potis und Kondensatoren notwendig. Bei ausgefeilteren Mods kommen auch schon einmal Arduino Boards oder 555-ICs zum Einsatz. Jeder Mod benötigt den GND des Werkstatt-01. Dazu öffnet der Maker das Gehäuse, und verbindet das abisolierte Ende eines schwarzen Dupontkabels mit einer der inneren Schrauben, die das Synthesizerboard am metallenen Gehäuserahmen befestigen. Führt man das andere Ende dieses Kabels nach außen, lässt es sich mit der Schaltung des Mods als Common Ground verbinden.

Auf Sparkfun gibt es weitere Anregungen.

Die Schaltpläne des Werkstatt-01 hat Moog ebenfalls bereitgestellt -> Schematics.

Eine etwas komplexere Modifikation betrifft die Nutzung des VCO-Signals als Oszillator eines weiteren Synthesizers.

Der Besitzer des Werkstatt-01 offeriert also eine ganze Palette an Möglichkeiten zum Erweitern.

Sowohl der Moog Werkstatt-01 als auch der Korg NTS-1 kamen in diesem Blog zur Sprache, weil sie ermöglichen, Themen wie Elektronik und Musik, Mikrocontroller, Embedded Software zu adressieren. Die beiden vorgestellten Kits sind nicht mehr die jüngsten, stammen dafür von bekannten, innovativen Unternehmen, haben eine große Community, und lassen sich modifizieren beziehungsweise erweitern.

Wer einen ausgefeilten DiY-Synthesizer zu einem günstigen Preis sucht, sollte die Webseite von Zynthian besuchen. Bei Zynthian handelt es sich um eine Open Synth Software und gleichzeitig um eine Linux-Distribution für den Raspberry Pi (3 oder 4). Wer die Community unterstützen möchte, ordert das zugehörige Kit (aktuelle Version). Ein Zynthian-Gerät lässt sich aber auch mit einfachen Mitteln selbst entwerfen und zusammenbauen. Von Floyd Steinberg gibt es dazu ein passendes YouTube-Video, in dem aus einem Raspberry Pi Board, einem kleinen Touch-Display und einem Midi-USB-Kabel ein Zynthian-Synthesizer entsteht.

Die Axoloi Community hat ein Board erstellt (Axoloti Core), mit dem sich unter Zuhilfenahme einer außergewöhnlichen Software, dem Axoloti Patcher, coole Sachen machen lassen. Es könnte aber unter Umständen schwierig sein, ein solches Board zu erwerben. Zumindest hatte der Autor damit Probleme.

Weitere Kits stellt die britische Webseite TheVinylFactory in einem Artikel vor.

Für Synthesizer-Interessierte mit mehr Bezug zum Musikmachen als zu Elektronik und Embedded Systemen, gibt es schon für wenige Hundert Euro sehr leistungsfähige Geräte. So eignen sich für den Einstieg zum Beispiel der Korg Minilogue XD oder der Wave-basierte ASM HydraSynth-Explorer, der Roland JD-Xi, der Arturia MicroFreak, der Behringer DeepMind 6, oder der Yamaha MX49 V2.

In dieser und der vorherigen Folge kamen die Synthesizer Korg NTS-1 und Moog Werkstatt-01 zur Sprache. Beide Kits stammen von renommierten Unternehmen, verfügen wegen ihres Alters über große Communitys, und erweisen sich als gut erweiterbar mittels eigener Software und Elektronik. Sie vermitteln Grundkenntnisse in puncto Synthesizer, und lassen sich durch die große Zahl von Informationsquellen leicht durchdringen. Während der Werkstatt-01 das Patchen über Kabel erlaubt, trumpft der NTS-1 mit mehr Schnittstellen auf. Das Experimentieren mit ihnen macht Spaß, weil man sie gut in die eigene Sound-Konfiguration integrieren kann. Beim ein oder anderen wird dadurch vielleicht der Funken entzündet, es auch mal mit ausgewachsenen Geräten zu versuchen.

Der Pragmatische Architekt – Michael Stal
Michael Stal

Prof. Dr. Michael Stal arbeitet seit 1991 bei Siemens Technology. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Softwarearchitekturen für große komplexe Systeme (Verteilte Systeme, Cloud Computing, IIoT), Eingebettte Systeme und Künstliche Intelligenz. Er berät Geschäftsbereiche in Softwarearchitekturfragen und ist für die Architekturausbildung der Senior-Software-Architekten bei Siemens verantwortlich.

(rme)