Massenspeicher: Unzufriedene Quartiermeister
Konzepte wie "Storage Virtualization" und "Storage Resource Management" gerieten auf einer "Storage"-Konferenz von Fujitsu-Siemens in die Kritik; Experten beklagten mangelnde Recovery-Konzepte nach dem 11. September.
Übersetzt man Speicherstadt, das alte Lagerhausgebiet im Zentrum Hamburgs, ins Englische, so könnte man auf Storage Town kommen. Grund genug für Fujitsu-Siemens, in einem der Hamburger Speicher eine zweitägige Konferenz zum Thema "Storage" abzuhalten. Eingeladen waren Analysten und die IT-Leiter von Großkunden aus ganz Europa, die Angebote rund um SAN, NAS, Online- und Nearline-Storage sowie Storage-Management-Software zu diskutieren. Da Fujitsu-Siemens als Storage-Anbieter (Nr. 3 in Deutschland, Nr. 6 in Europa) nicht nur hauseigene Lösungen wie das Centricstor Virtual Tape Appliance verkauft, sondern zusammen mit EMC, Network Appliance oder Legato bei den Kunden auftritt, sollte die Konferenz vor allem den Markennamen fördern. Nach Auskunft von Helmut Beck, Vice President Storage, möchte Fujitsu-Siemens mit einem jährlichen Wachstum von 67 Prozent im Storage-Bereich in den nächsten Jahren die Nummer 3 in Europa werden.
In dem duftenden Gewürzspeicher setzten Spezialisten in Workshops und Vorträgen ihre eigenen Noten. Auffällig war die Kritik, die an aktuellen Konzepten wie "Storage Virtualization" und "Storage Resource Management" geübt wurde, bei denen die Systemoperatoren nur noch auf der logischen Ebene des Speichermanagements arbeiten, ohne die Details kennen zu müssen. Sie wurden in Hamburg gleich in mehreren Vorträgen als Hype bespöttelt oder milder als unausgereifte Lösungen deklariert. Claus Egge, Storage-Analyst beim Marktforscher IDC, bezeichnete auch den zunehmenden Trend zum Online-Speicher als übertrieben. Nach einer von ihm durchgeführten Analyse bei deutschen Großunternehmen sind 48 Prozent aller Daten in den hochverfügbaren Sicherheits-Systemen älter als drei Wochen und werden kaum noch benutzt.
Einen nachdenklichen Akzent setzte Douglas O'Shaugnessy vom Support-Service der Firma Legato, der mit 18 Spezialisten nach dem Einsturz der Türme des World Trade Centers vor Ort arbeitete. Shaugnessy, der die firmenübergreifende Zusammenarbeit aller entsandten Spezialisten nach den Terrorattacken pries ("ein Team wie die Feuerwehr"), berichtete von der häufig vergeblichen Suche nach Recovery-Plänen und brauchbaren Inventar-Verzeichnissen. Dies ließ die rein technische Arbeit der Datensicherer zu einer Mischung aus Puzzle und Detektivspiel werden. Mangels aussagekräftiger Kennzeichnung mussten seine Spezialisten 20.000 Bänder auf der Suche nach den neuesten Backups durchforsten und mehr als einmal einen viel früheren Versionsstand der Sicherungen einspielen, damit die Firmen wieder arbeiten konnten.
Shaugnessy präsentierte eine Übersicht, nach der die Firmen den größten Schaden hatten, deren Mitarbeiter im World Trade Center vor allem mit Laptops arbeiteten. Rund 30 Prozent der Firmendaten seien verloren, weil die Mitarbeiter ihre mobilen Rechner nur unregelmäßig im zentralen Firmen-Backup sicherten. Shaugnessys Vortrag endete mit einer dringlich klingenden Bitte: "Dokumentieren Sie Ihren Backup-Prozess. Dokumentieren Sie Ihre Recovery-Maßnahmen. Dokumentieren Sie Ihr Tape-System. Drucken Sie diese Informationen mehrfach aus und bewahren Sie diese an anderen, sicheren Orten."
Die ursprĂĽnglich bis heute Abend angesetzte Konferenz endete mittags mit einer Ăśbertragung des WM-Halbfinalspiels. (Detlef Borchers) / (jk)