Schwere Zeiten für Internet-Händler

Der Bundesgerichtshof hat vor kurzem das Ausfallrisiko vom Händler auf die Kreditkarten-Dienstleister verlagert. Ein Kreditkartenanbieter hat nun Verfassungsbeschwerde eingelegt.

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Von
  • Michael Kurzidim

Ottmar Krämer-Fuhrmann betreibt im Web einen Versandhandel mit Sportturnier-Software. Ein recht lukratives Geschäft, bis vor einigen Tagen ein Schreiben der Euro Kartensysteme aus Frankfurt/Main in seinen Briefkasten flatterte -- mit besorgniserregendem Inhalt. Der Kreditkartendienstleister kündigt den Vertrag zum 30. Juni dieses Jahres. Danach werden Kunden, die bei Krämer-Fuhrmann Sportturnier-Software kaufen wollen, nicht mehr mit praktischem Plastikgeld wie Visa oder Eurocard bezahlen können. "Damit dürfte der Internet-Handel auf einen Schlag zusammenbrechen", befürchtet der Unternehmer, denn nicht nur ihm, sondern mehreren hundert meist mittelständischen Firmen hat Euro Kartensysteme die Verträge aufgekündigt.

Der Hintergrund: Nicht jeder Besitzer der kleinen Plastikkarte ist eine ehrliche Haut. So kommt es vor, dass Karteninhaber im Nachhinein bestreiten, telefonisch oder im Internet eine Ware bestellt zu haben, und ihr Geld zurückfordern. Dieses sogenannte Ausfallrisiko trugen bis jetzt Händler wie Ottmar Krämer-Fuhrmann. Die bestellte Ware verschwindet oft auf Nimmerwiedersehen.

In seinem Urteil vom 16. April (Aktenzeichen: XI ZR 375/00) hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Ausfallrisiko vom Händler auf die Kreditkarten-Dienstleister verlagert. In Zukunft werden deshalb bei Missbrauch Händlerbanken wie Euro Kreditkartensysteme zur Kasse gebeten. "Zwar sind es nur 0,1 Prozent vom Gesamtumsatz, in denen Kunden die Zahlung verweigern, doch bei einem Gesamtumsatz von 10 Milliarden Euro sind das immerhin 10 Millionen Euro. Dieses wirtschaftliche Risiko können wir nicht tragen", entschied Jan Hendrikx, Vorsitzender der Geschäftsführung von Euro Kartensysteme, und kündigte rasch einigen hundert Vertragshändlern.

Auch der Kreditkarten-Dienstleister B+S Card Service ist vom rechtskräftigen Urteil des BGH nicht besonders angetan und hat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das Urteil greife ungerechtfertigt in die allgemeine Handelsfreiheit nach Artikel 2 Abs. 1 und die Freiheit der allgemeinen Berüfsausübung nach Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes ein, erklärt Klaus Naumann, Geschäftsführer von B+S. In den nächsten Wochen sollen die Karlsruher Richter über die Zulässigkeit der Beschwerde entscheiden.

Zwar will B+S zunächst keine neuen Verträge abschließen, von Kündigungen aber hält der Servicedienstleister wenig. Stattdessen setzt das Unternehmen auf neue Sicherheitstechnologie wie Verified by Visa: Erfolgt eine Online-Transaktion, weist der Karteninhaber seine Identität durch ein Passwort aus, das er zuvor bei seiner Bank verschlüsselt angemeldet hat. Wird bei einem Verified-by-Visa-Händler eine Transaktion durchgeführt, überprüft die Bank die Identität des Kartenhalters und gibt die Transaktion beim Händler frei. Verified by Visa sichert den Zahlungsverkehr mit Visa-Karten, UCAF/SPA will dem Missbrauch mit Euro- und Mastercard vorbeugen. Anfang September dieses Jahres will B+S Card Service die neuen Systeme eingeführt haben. Die Kosten pro Transaktion schätzt Naumann auf nicht mehr als 30 Cent. (ku)