Expertenrat: Gleich zwei Bundesministerien haben 2021 ihre Klimaziele verfehlt

Das Verkehrs- und das Bauministerium müssen jeweils ein Sofortprogramm zum Klimaschutz auflegen, nachdem in ihren Sektoren zu viel CO₂ ausgestoßen wurde.

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(Bild: Mykola Mazuryk/Shutterstock.com)

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Die Bundesministerien für Digitales und Verkehr sowie für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen müssen ihren Kurs zum Klimaschutz dringend korrigieren. In beiden Bereichen hat Deutschland 2021 – teils deutlich – mehr Treibhausgase ausgestoßen, als im Bundesklimaschutzgesetz als Höchstmenge vorgesehen ist. Entsprechende Daten des Umweltbundesamts (UBA) vom März bestätigte der fünfköpfige Expertenrat für Klimafragen in einem Prüfbericht.

Der Befund der unabhängigen Sachverständigen lautet: Der Gebäudesektor hat voriges Jahr bereits das zweite Mal in Folge sein Sektorziel verfehlt, wobei Sondereffekte wie eine warme Witterung und deutlich verringerte Heizölkäufe in Summe eine nennenswerte, jedoch in ihrer Richtung entgegengesetzte Wirkung hatten. Laut den nun geprüften UBA-Zahlen kam es in diesem Bereich 2021 zu einer Emissionsminderung von knapp 4 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten auf 115,5 Millionen Tonnen. Das entspricht einem Minus von 3,3 Prozent. Erlaubt gewesen wären aber nur 113 Millionen Tonnen.

Der Verkehrssektor verfehlte voriges Jahr sein Sektorziel erstmals in der vor zwei Jahren auf Basis des Klimaschutzgesetzes gestarteten Kontrolle. Und dies trotz der tendenziell emissionsmindernd wirkenden Effekte steigender Kraftstoffpreise und der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie. Auf das Konto dieses Bereichs gingen 2021 rund 148 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente. Damit liegen die Emissionen sowohl 1,2 Prozent über dem Wert von 2020, als auch rund 3 Millionen Tonnen über der zulässigen Jahresemissionsmenge von 145 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente.

Als einen Grund für das schlechte Abschneiden machte das UBA den Straßengüterverkehr aus, der auf den Autobahnen wieder auf ein Niveau leicht oberhalb des Jahres 2019 angestiegen sei. Der Pkw-Verkehr habe sich dagegen weiter auf einem niedrigeren Level bewegt als vor der Corona-Pandemie. Der Vorsitzende des Expertenrats, Hans-Martin Henning, hob hervor: "Unsere Analyse gibt Hinweise darauf, dass ohne die Sondereffekte die Emissionen im Verkehr 2021 eher noch höher ausgefallen wären."

Die jeweils zuständigen Ministerien haben laut Klimaschutzgesetz nun drei Monate Zeit, für ihre Bereiche ein Sofortprogramm vorzulegen. Dieses muss Vorschläge für Maßnahmen enthalten, die den Gebäude- und Verkehrssektor in den kommenden Jahren auf den vorgesehenen Zielpfad bringen. Für die übrigen im Gesetz genannten Sektoren lagen die Emissionswerte unterhalb der zulässigen Jahreswerte. Um die Ziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen, müssen laut UBA nun pro Jahr sechs Prozent Emissionen gemindert werden. Seit 2010 waren es im Schnitt nicht einmal zwei Prozent.

"Wir wollen die Treibhausgase im Gebäudesektor bis 2030 fast halbieren", kommentierte Bauministerin Klara Geywitz (SPD) die Ergebnisse. "Mein Ziel: Was neu gebaut oder saniert wird, muss klimagerecht und sozialverträglich sein." Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) äußerte sich nicht zu dem Thema.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erklärte als Reaktion auf den Bericht, sie habe postwendend beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Klage gegen das Bundesbauministerium eingereicht. Das im vergangenen Jahr wegen der "krachenden" Verfehlung des Klimaziels 2020 vorgelegte Sofortprogramm habe nicht ausgereicht. Die Organisation fordert unter anderem einen sofortigen Förder- und Einbaustopp für fossile Heizungen.

Insgesamt wurden hierzulande 2021 762 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt. Das sind 33 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente oder 4,5 Prozent mehr als 2020. Dieser Anstieg im Vergleich zum Vorjahr stellt die größte prozentuale Zunahme der Treibhausgasemissionen seit 1990 dar. Mit Blick auf die Erreichbarkeit der mittel- bis langfristigen Treibhausgasminderungsziele will der Expertenrat daher bis zum Herbst prüfen, inwieweit sich die Zunahme der Emissionsintensität "als kritisch" erweisen könnte.

Die Sachverständigen sprechen sich ferner dafür aus, das Klimaschutzgesetz weiterzuentwickeln. Handlungsbedarf bestehe etwa bei der Interaktion mit der EU-Ebene und den übergeordneten Instrumenten des europäischen und des nationalen Emissionshandels, der Aufteilung der Sektoren sowie beim Mechanismus der Auslösung und der Nachsteuerung über Sofortprogramme.

Der Rat zeigt auch eine Reihe von Optionen auf, wie auf Basis der beobachteten Daten das gesamte Verfahren etwa über die Betrachtung längerer Zeiträume oder eine automatisierte Nachsteuerung über eine Preisanhebung im nationalen Emissionshandel verbessert werden könnte. Zudem fehle im Gesetz bisher "eine vorausschauende Steuerung bei antizipierter Zielverfehlung".

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