WLAN-Transitabkommen für drahtlose freie Bürgernetze

Auf einem Berliner Workshop über "Free Networks" wurden die Grundzüge eines "Bürgervertrags" für drahtloses Surfen in Netz-Communities erarbeitet.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 148 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Die sich rasch vergrößernde Szene der freien drahtlosen Bürgernetze möchte ihre luftigen Daten-Communities auf eine klare rechtliche Grundlage stellen. Auf dem am Rande der Urban Drift 2002 am Wochenende in Berlin abgehaltenen BerLon-Workshop, den die Heinrich Böll Stiftung gemeinsam mit dem W:Lab, dem bootlab und freien Netzwerkern aus London organisierte, wurde daher eine Rahmenvereinbarung ausgearbeitet. Sie beschreibt die Rechte und Pflichten der Betreiber offener WLAN-Netzwerke. Mit dem "lebenden", noch nicht endgültig fixierten Dokument sollen vor allem Probleme mit Providern ausgeräumt werden, die sowohl beim Eröffnen einer WLAN-Zugangsstation als auch beim Filesharing innerhalb einer drahtlosen Netzgemeinschaft entstehen können. Gleichzeitig geht es den Pionieren des allumfassenden mobilen Internet darum, mehr private Nutzer und Firmen zum Anbieten von Bandbreite für die drahtlosen Bürgernetze zu motivieren.

"Prinzipiell besagt ein Betreiber mit der Anerkennung der Vereinbarung, dass er die Daten und Informationen der anderen Angeschlossenen durch seine Netze passieren lässt", erklärt Saul Albert vom Londoner Bürgernetz Consume die Grundidee. "Wer sich darauf nicht einlassen kann, ist außen vor." Außerdem hat der Hüter eines Netzknotens beispielsweise darauf zu achten, dass seine Ressourcen nicht zum Versenden von Spam missbraucht werden. Große technische Regeln oder gar Standardisierungsbemühungen wollen die drahtlosen Surfer nicht mit dem Transitabkommen verbinden. "Es geht mehr um die Kooperation und die Denkweise dahinter", sagt Albert. Vorschriften zur Verwendung bestimmter Protokolle oder ausschließlich freier Software würden den potenziellen Teilnehmerkreis einengen.

Doch das von der Free Software Foundation (FSF) abgeleitete "frei" der Free Networks -- dessen Bedeutung sich nicht unbedingt mit dem gleich lautenden Wortbestandteil in "Freibier" deckt -- soll bei dem "Rahmenvertrag" eine Rolle spielen. Die Übereinkunft war zunächst als "Wireless GPL" in der Mache, eine Hommage an die GNU General Public Licence (GPL) der FSF. Der Begriff wurde im Laufe des Workshops allerdings verworfen, da das ausgetüftelte Transitprinzip zunächst wenig mit der Weitergabe geistigen Eigentums zu tun hat. "Der konkrete Vorschlag, alle für Bürgernetze erstellten Inhalte, Software oder Archive unter die GPL zu stellen, soll aber festgeschrieben werden", betont Albert. Als "historische" Vorlage für das momentan als "Pico Peering Agreement" bezeichnete Rahmenwerk habe man vor allem den 1997 verfassten "Sozialvertrag" des Open-Source-Projekts Debian herangezogen.

Die vorgestellte Vereinbarung ermöglicht es laut Consume-Gründer James Stevens, freigegebene drahtlose Bandbreiten "am Rande des Netzwerks" in Anspruch zu nehmen. Die Grenzen, die etwa Unternehmen bislang zwischen ihren WLANs zu ziehen versuchen, könnten damit wegfallen beziehungsweise irrelevant werden. Das schließe nicht aus, dass die angeschlossenen Firmen Teile ihrer internen Netzwerke weiterhin mit Firewalls abdichten. Den größten Vorteil sieht Albert jedoch im künftigen Umgang mit den Telcos und den Netzprovidern: Während diese bislang das Öffnen eines DSL-Anschlusses für ein WLAN-Projekt teilweise als einen Verstoß gegen ihre Geschäftsgrundlagen werten und entsprechend verfolgen, könne gegen das Anbieten von Bandbreite für ein spezielles, in der Nutzerzahl begrenztes drahtloses Bürgernetz wohl niemand etwas sagen.

Die Frage ist, ob die Zeit für das "Peering-Transitabkommen" in Deutschland bereits reif ist. Während in London bei Consume oder auch in anderen Regionen bereits mit Hilfe spezieller Datenbanken an der Erstellung von "vermaschten", flächendeckenden WLANs gebastelt wird, ist die "Freenetworks"-Bewegung hierzulande noch ganz am Anfang. Die freien WLAN-Netzwerker distanzieren sich auf Grund ihrer sozialen Ziele von WLAN-Angeboten in Hotels, Restaurants und Cafés. "Bei uns geht es um den Aufbau lokaler Gemeinschaften und den Austausch regionaler Informationen", erläutert Albert. "Wir bieten auch Dienstleistungen für die Mitglieder an wie Ausbildungsprojekte oder das Installieren und Arbeiten mit FreeBSD." In Berlin will sich das W:Lab gemeinsam mit unabhängigen Vernetzungsadvokaten nun darum kümmern, die "Consume-Philosophie" zu importieren. (Stefan Krempl) / (jk)