Berliner Polizei begründet erneute Razzien in Internet-Cafés

Einen "ganz normalen gewerberechtlichen Vorgang" nennen Mitarbeiter des Berliner LKA Razzien bei 20 Berliner Internet-Cafés in der vergangenen Woche.

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Von
  • Dr. Andreas Lober

Vorläufiger Höhepunkt einer Provinz-Posse in der Hauptstadt oder notwendige Durchsetzung jugendschutzrechtlicher Vorschriften? Nach einer Anzahl von Schließungsanordnungen, die verschiedene Berliner Bezirksämter wegen ungenehmigten Spielbetriebs in Internet-Cafés erlassen haben, fand in der vergangenen Woche in 20 Betrieben eine Razzia statt. Mitarbeiter des Finanzamts, der Bezirksämter, des Polizeipräsidiums und des Landeskriminalamts (LKA) Berlin kontrollierten am 9. Oktober 150 Personen, darunter 39 Kinder und 68 Jugendliche.

"Ein ganz normaler gewerberechtlicher Vorgang", meint nun Kriminaloberrätin Gitta Huwe vom Landeskriminalamt Berlin gegenüber heise online, schließlich müssten bestehende Gesetze durchgesetzt werden "und die meisten Beamten waren auch nicht uniformiert". Das Ergebnis der Aktion: 11 Strafanzeigen, 59 Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen, 60 beschlagnahmte Computer und sechs beschlagnahmte Festplatten. Mit der beschlagnahmten Hardware will die Polizei aber weder selbst ein Internet-Café aufmachen noch die Besitzer ärgern, wie böse Zungen lästern könnten, vielmehr sei die Beschlagnahme zur Sicherstellung von Beweismitteln notwendig. Das soll heißen: Die Beamten wollen dokumentieren, dass pornographisches Material auf den Geräten vorhanden war, vielleicht auch festhalten, welche Spiele auf der Festplatte schlummerten.

Dass es zu der Frage, wann ein Internet-Café eine Spielhallengenehmigung benötigt, fast ebenso viele Meinungen wie Köpfe gibt, weiß man auch beim LKA und den Berliner Bezirksämtern. Dort hat man sich zu einer Einzelfallbetrachtung durchgerungen und sieht Internet-Cafés dann als Spielhallen an, wenn "überwiegend" ein Spielbetrieb stattfinde. Indiz: Wenn Computer nicht ans Internet angeschlossen, sondern nur über ein LAN verbunden sind, dann soll das für eine Einordnung als Spielhalle sprechen. Bei der Beurteilung spielt aber auch der Name eine Rolle und die Abdunklung der Räume, denn "wenn’s dunkel ist und gruselig, dann macht das Spielen von Counter-Strike ja vielleicht noch mehr Spaß", meint Huwe.

Und hier ist wohl auch der Knackpunkt zu suchen: Die restriktiven Vorschriften über Spielhallen sollen Jugendliche davor schützen, dass ihr Spieltrieb ausgenutzt werde, so Huwe, und wenn da einzelne Jugendliche ihr ganzes Taschengeld und damit 300 Euro im Monat ins Internet trügen, dann sei das schon bedenklich. Auch der Gedanke an Spielsucht liege dann nahe, und davor sollen die Jugendlichen eben geschützt werden. Wenn die Feststellungen für die Einordnung eines Betriebs als spielhallenähnlich nicht ausreichen, ziehen die Behörden das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit heran: Auch außerhalb von Spielhallen darf Minderjährigen das entgeltliche Spielen an Bildschirm-Unterhaltungsspielgeräten -- und als solche sieht das LKA auch Spiele-PCs an -- nicht erlaubt werden, sonst droht ein Bußgeld. Davor geschützt sind Betreiber der Cafés nicht einmal, wenn sie den Zugang an eine elterliche Erlaubnis knüpfen.

Ein weiterer Aspekt der aktuellen Diskussion, den Internet-Cafés fürchten müssen, ist die Veranlagung zur Vergnügungssteuer. Die monatlichen Sätze pro Computer reichen von rund 12 Euro im Monat außerhalb von Spielhallen bis zu über 600 Euro pro Computer, wenn Gewalttätigkeiten gegen Menschen gezeigt werden. Diesen Höchstsatz koppelt das Finanzamt Berlin zwar an eine Indizierung der angebotenen Spiele durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und Medieninhalte. Aber auch bei niedrigeren Sätzen kann die -- teilweise rückwirkend erhobene -- Vergnügungssteuer das Aus für so manchen Betrieb bedeuten: Während der Razzia in der vergangenen Woche wurde in einem Fall eine sofortige Steuernachzahlung in Höhe von 85.000 Euro verhängt -- für den betroffenen Betrieb ebenso sicher das Aus wie für die beiden, die sofort von den Ämtern wegen schwerwiegender Gesetzesverstöße geschlossen wurden.

Bei so viel Ermittlungseifer drängt sich natürlich die Frage auf, wer den Stein ins Rollen gebracht hat -- die konzertierte Aktion ging vom Landeskriminalamt aus, Auslöser waren, erklärt Huwe, Anzeigen besorgter Eltern und Nachbarn. Obwohl auch das LKA weiß, dass erst ein richterliches Grundsatzurteil Klarheit bringen wird, ist man sich dort sicher: Auch in nächster Zeit werden wieder "gewerberechtliche Überprüfungen" in den Cafés stattfinden. Wo dann 6-jährige Counter-Strike-Spieler entdeckt werden, hat der Betreiber schlechte Karten -- verständlich, auch wenn es nach derzeitiger Rechtslage eigentlich nicht zu beanstanden ist, dass Kinder gewalttätige Spiele spielen, solange diese nicht indiziert sind. (Dr. Andreas Lober) / (jk)